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Foto: sendungsbewusstseinWenn John de Mol "ernstes, intelligentes Fernsehen" macht, dann weiß man nie so recht, wo Ernst und Intelligenz beginnen, wo Voyeurismus und Plattitüde aufhören. Die Produktionsfirma Endemol tauscht Urlaub (Pro Sieben) , sucht nach dem StreetLive (MTV), geht auf Risiko (ZDF), spielte das Judas Game (Kabel 1), prüft den Fear Factor (RTL), zeigt Die Drews (RTL 2), aber auch Wer Wird Millionär (RTL) oder Artern - Stadt der Träume (MDR) und prägt Begriffe wie Dokusoap oder Socialtainment. Mit Big Brother wurde Endemol dem Normalbürger bekannt. Jetzt sucht John De Mol einen neuen Creative Director. Und er wäre nicht John De Mol, wenn daraus nicht eine Sendung würde, eine "neuartige Reality-Show". Er ist eben ein Mann, der nicht lange träumt.

Heuren und feuern - neudeutsch hire and fire - ist Einstellen und Entlassen nach Gutdünken eines Unternehmens und ein feuchter Traum von Friedrich Merz. In den USA ist er längst Realität. Und mit ihm Donald Trump, Schmalzlocke und Hotel-, Immobilien- und Kasinomogul. "You're fired" ist der finale Gong seiner Fernsehshow "The Apprentice". Insofern scheint John de Mol mit "neuartig" wieder einmal dick aufzutragen, "Reality" kommt der Sache schon näher; auf eine "Show" kann man sich in jedem Fall freuen.

Wenn John de Mol in diesen oder ähnlichen Worten sein Urteil verkündet, werden ihm neben den zehn Bewerben viele Menschen zusehen und zuhören. Viele von ihnen - eine treue Fernsehzielgruppe - werden arbeitslos sein. Und vielleicht davon träumen: Noch mal von vorn anfangen, einer von den Zehn sein, kreativ sein, ungewöhnliche Ideen haben - eben das, was John de Mol verlangt. Sich einkleiden, parfümieren mit den Statussymbolen eines "Traumjobs in der Welt der Medien". Wie viele Bekannte fallen dem Leser ein? Wie viele Menschen haben sich bei "Hire or Fire" beworben? Es ist wohl halb Berlin, halb München, halb Köln und halb Hamburg.

Wo "Socialtainment" beginnt, fängt auch der gesellschaftliche Diskurs an: Was kann Herr de Mol verlangen, was darf er sagen? Wie stark ist der D!-Faktor? Wir warten also auf Sätze wie: "Du raffst dich jetzt auf und probst bis um Zwölf Uhr die Individualität", oder: "Reiß dich zusammen, konzentrier dich auf deine Kreativität!". Was die "Band" für die Teenie-Schablonen in den deutschen Tanzschulen war, könnte Endemol für die Berlin-Mitte-Boys aus den konkursgefährdeten Pixelpärkchen werden. Der Traum vom Singen, der Traum vom Machen. Wo auf Alcopop-Flaschen ein Redaktionspraktikum bei Viva verlost wird, scheint der 10-Fragen-Bogen für John de Mol in "Brand Eins" nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Popstars und Job Stars, Reality-Soaps: Die Realität mal durch die Seife ziehen. Eigentlich ist doch alles ganz einfach.

Die zehn, die wir sehen werden, sind die zehn, die am Waschgang teilnehmen: Wie beim Domino Day (produziert von Endemol) werden alle Kandidaten der Reihe nach rausgeworfen, wenn es ihnen an Kreativität und Effizienz, Flexibilität oder Individualität fehlt. Bis ein Stein liegen bleibt. Deutschland sucht den Creative Director, der Plattenvertrag wird ersetzt durch einen Arbeitsvertrag. Und die Tränen: Danke, John, mein Leben wird sich völlig ändern. Ruft meinen Namen in Eggenfelden, lasst mich ins goldene Buch der Stadt schreiben: "Ich lebe meinen Traum". Ich tue das, wovon in diesem Land jeder träumt, etwas, woran ich eigentlich nie zu träumen gewagt habe. Ich werde arbeiten. Fest angestellt. Sozialversichert. Socialtained.

Das Dokumentarische, und damit die unschlagbare Erfolgskonzeption von Hire and Fire: Der Traum von Friedrich Merz ist längst Realität. Der Traum der Zehn wird nie Realität werden. Der Traum von John de Mol ist aufgegangen: Träumen lassen, bis die nächste Show im Programm steht.

"Trump Hotels & Casino Resorts" wird seit einigen Tagen von Credit Suisse First Boston geführt. Die Firma hat Schulden in Höhe von 1,8 Milliarden Dollar. Donald Trump hat sich selber gefeuert.