Interview-Experiment "Flurfunk Berlin": Wenig informativ, aber unterhaltsam

Logo: SAT.1Private Vollprogramme haben meist einen schweren Stand, wenn sie sich auf einem Eis bewegen wollen, auf dem sie schon zu oft ausgerutscht sind. Politische Information gehört zu diesen Feldern, die bislang nur öffentlich-rechtliche Programme relevant bestellt haben.

SAT.1 will die vorgezogene Bundestagswahl offenbar nutzen, um einen neuen Versuch zu unternehmen, die Programmfarbe Information im Privatfernsehen nicht weiter nur auf Nachrichten und Reportagen zu beschränken. Neben der neuen gesellschaftspolitischen Talkshow, die ab August am späten Sonntagabend läuft, wurde am Donnerstag testweise eine neue Interview-Reihe ins Programm genommen.

"Flurfunk Berlin", so der Name des kurzfristig programmierten Formats, soll bei Erfolg "in loser Folge" fortgesetzt werden, wie SAT.1-Sprecherin Kristina Faßler im Vorfeld gegenüber DWDL sagte. Um 23.15 Uhr startete es dann, das von SAT.1-Anchorman Thomas Kausch moderierte Format. Gesprächspartner des übrigens von Friedrich Küppersbusch produzierten Piloten war Wolfgang Clement.

Die Vorbereitungen auf das Interview, die Recherche über die Person und letzter Rat von versierten Kollegen: Was man bei anderen (öffentlich-rechtlichen) Interview-Sendungen einfach als gegeben voraussetzt, wird SAT.1-Zuschauern zur Sicherheit vorgeführt, bevor das eigentliche Gespräch startet. "Ein Arbeitstag im Leben eines Journalisten" - Fast so wie in der nachfolgenden Reportagereihe "24 Stunden".

Die Kurve kriegte das Format dennoch und das nicht, wie vielleicht eigentlich von den Machern erwartet, durch neue Erkenntnisse durch Kauschs Interviewtechnik und Clements Lust zu plaudern. Aussagekräftiger war das Warten auf Clement, die Gestik des Ministers und die leisen Zwischentöne während des Gesprächs. Diese nicht perfekten Bilder vermittelten zwar nicht die Politik Clements, aber den Politiker Clement.

Ist das neue SAT.1-Format damit journalistisch gescheitert? Die entscheidende Frage müsste lauten, wie wichtig sich die Macher selbst genommen haben. Wenn Ihnen bewusst ist, dass das deutsche Fernsehen im Privatfernsehen keine Interview-Reihe braucht, die die öffentlich-rechtlichen Format kopiert und in ihrer inhaltlichen Tragweite zu erreichen versucht, dann kann die Sendung als gelungen gelten.

Es ist sicherlich Einiges gesagt worden, doch der Erfolg der Sendung liegt in der Vermittlung des Politikers, nicht der Politik. Es vermittelt die Nähe, die zur bevorstehenden Wahl sonst die Politiker beschwören und selten erschaffen. Ob die Begrüßung des Ministers beim Aussteigen aus dem Auto, das Anstecken des Mikrofons oder die Verabschiedung nach dem Interview: In diesen Momenten von "Flurfunk Berlin" verfolgte man interessiert die Reaktionen und das Verhalten Clements, weil diese, wenn auch nur kurz, Eindrücke vermittelten, die man bei Christiansen oder auf Parteitagen nicht findet, weil die Kameras dort ganz offenbar bewusster wahrgenommen werden als bei diesem Talk-Experiment.

Dramatisiert und bemüht wirkt lediglich ein nachgeschobenes Telefonat mit Clement in Israel und das Auftreten Kauschs lässt zwischendurch mal den Eindruck entstehen, er wolle doch ein staatstragendes Gespräch führen, das sich in Ernsthaftigkeit und Ergebnislosigkeit an manch anderem Talk orientiert. Über weite Teile jedoch überzeugt Kausch mit einer Lässigkeit, die sich gegenüber Spitzenpolitiker im deutschen Fernsehen sonst nur Frank Plaßberg leistet.

Am Ende bleibt das Format, trotz der Erkenntnis, dass Wolfgang Clement nicht mehr als SPD-Vize kandidieren will, ohne überraschendes Ergebnis. Journalistisch gesehen also nur eines von vielen Gesprächen. Und trotzdem konnte man die Sendung interessiert verfolgen: Dabei war weniger wichtig was Clement gesagt hat als das was nicht gesagt wurde. Die Art des Interviews war spannender als sein Inhalt. Ob es einem Privatsender allerdings hoch angerechnet wird, wenn er Politik bzw. Politiker einmal eher unterhaltsam als journalistisch informativ vermittelt, bleibt abzuwarten.