Werbung 2010: Dominiert der klassische Spot noch immer?
Das digitale Fernsehen kann, noch stärker als es bislang möglich war, auf Splitscreen, virtuelle Werbung und interaktive Werbung setzen, so Wolfgang Thaenert, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten. Ob dieser Vorteil allerdings genutzt werden kann, wird von Thomas Luzar, Geschäftsführer der Produktionsfirma Spin TV, kritisch beäugt. Am Beispiel der Kochsendungen, die er produziert, hält er es für Spartensender, die sich einem speziellen Thema widmen, für fast unmöglich nicht mit dem heutigen Tatbestand der Schleichwerbung auf Kriegsfuß zu stehen.
In einer Kochsendung brauche man nun einmal Töpfe, Pfannen, Backofen oder Saucen und andere Zutaten. Dass dort Marken genannt werden, könne fast nicht verhindert werden. Auch ein reiner Automobilsender könne nichts anderes tun als den ganzen Tag Autos verschiedenster Marken zu präsentieren.
Dass etwas getan muss zur Lockerung der Richtlinien, sieht Wolfgang Thaenert auch so. Die derzeitige Regelung sei ein "Arbeitsbeschaffungsprogramm für Regulierer". Zuversichtlich gab sich Wolfgang Thaenert, dass sich bei Spartensendern und z.b. auch Teleshoppingsendern die Werberichtlinien lockern lassen könnten. Aber über eine Aufweichung der Trennung von redaktionellen Inhalten und Werbung sei etwas, "über das man mit uns nur ganz schlecht reden kann", so Thaenert.
DWDL-Bildershows | |
• | Bilder der "kabel eins"-Kultnacht |
• | Die besten Zitate von Kofler und Co. |
• | Impressionen vom medienforum.nrw |
• | Panel: Deutscher Medienmarkt |
• | Auftakt: "Media meets Mobile" |
Thomas Luzar beklagt unter den gegebenen Umständen einen Wettbewerbsnachteil: Während VW in Amerika Deals über die Platzierung von VW-Wagen in Filmen und TV-Produktionen verhandeln darf, würde er sich mit Entsprechendem in Deutschland auf illegalem Boden bewegen. Ähnlich sieht es auch Jörg Grabosch (Brainpool, Foto): "Bei James Bond stört es auch niemanden, dass er einen BMW oder Aston Martin fährt" und überhaupt sei auch beim Sport die Werbung auf den Trikots nicht mehr wegzudenken.
Bei großen Events, teuren Sendungen, brauche man Partner, so Grabosch. Zu dem Einwurf, ob Shows wie die kürzlich bei RTL II gelaufene "Nutella-Show" dann die Zukunft seien, verwies Grabosch auf die Einschaltquoten der Sendung. Diese waren so schlecht, dass eine Fortsetzung dieser Art von Sendung ohnehin unwahrscheinlich ist. Anders als die "Nutella-Show" hatten die Medienwächter an dem ebenfalls bei RTL II gelaufenen Format "Pampers TV" nichts zu beanstanden. Abgesehen vom zulässigen Titel-Sponsoring wurde in der Sendung selbst keine Werbung gemacht, so Medienwächter Wolfgang Thaenert.
Als einsamer Kämpfer für die Vorstellungen der eigentlich schon überholten New Economy, vertrat Klaus-Peter Schulz, CEO bei OMD Germany, aus Sicht der Werbetreibende eine sehr futuristische Sichtweise, die mit ihm bei der Paneldiskussion allerdings niemand teilen wollte. Geradezu in Panik vor dem Versäumnis der großen digitalen Revolution kritisierte er mehrfach die zu sture Konzentration auf TV-Spots als weiter dominierende Werbeform. Aus seiner Sicht wird Handywerbung der neue Trend, den es zu erkennen gilt. Schon heute hätte es unsere Kultur verändert, wie also wolle man in Zeiten von UMTS-Portalen das bewegte Bild auf dem Fernsehschirm und dies auf dem Handy medienrechtlich trennen?
Wolfgang Thaenert, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, gab zu, dass die neuen Unterangebote Handy und Internet die Regulierern und Medienwächtern vor der schwierigen Aufgabe der Kontrolle aber zugleich nicht Überregulierung stellt. Beim klassischen Fernsehen, so Thaenert, "ändert sich allerdings wenig". Neu sei durch entsprechende Regelung auf europäischer Ebene die baldige Freigabe von Einzelspots und Unterbrecherwerbungen sowie Splitscreens in laufenden Sendungen. Ausnahmen sollen laut Thaenert für Kunstwerke, also Filme bzw. Fiction gelten. Negativ sieht der oberste Medienwächter dies nicht. "Werbung ist ein Stück Alltagskultur", so das fast unerwartete Loblied.
Bei SevenOne Media bleibt der klassische Werbeblock trotzdem Zentrum der wirtschaftlichen Planung. Mit neuen Werbeformen werde man zwar auch arbeiten, aber in den nächsten fünf Jahren noch mehr experimentieren als Geld verdienen. Deshalb werde auch 2010 "der TV-Spot das wichtigste Werbemedium sein", so Andrea Malgara.
Einigkeit herrschte in den beiden naheliegenden Trends der Werbewirtschaft: Die Herausforderung durch die weitere Fragmentierung der Senderlandschaft und die Adressierbarkeit von Werbung durch digitales Fernsehen und die Nutzung von Kundendaten sind hier die zentralen Themen. Alexander Duphorn (MTV) sieht bei der neuen Vielfalt der Sender gerade Chancen für die kleineren Anbieter, die durch genau definierte Zielgruppen für die Werbung attraktiv werden.
Die großen Fernsehsender müssen sich laut Jörg Grabosch darauf konzentrieren mit starken Marken Events zu schaffen und über die Treue zur Marke Zuschauer zu binden, wie es ProSieben und Stefan Raab mit seinen Events tue. Weil die Menschen auch in Zukunft am nächsten Morgen über das TV-Programm des letzten Abends sprechen wollen, fürchtet er keine Fragmentierung des Fernsehmarktes. Fernsehen sei immer noch ein "Gemeinschaftserlebnis". Ziel der großen Sender müsse es deshalb sein, Sendungen zu schaffen, über die geredet wird.