Parallelgesellschaft sanft

Foto: sendungsbewusstseinNach Lolle kommen die Türken: Die ARD zwischen Patchwork und Parallelgesellschaft. Aber zu viel sollten wir uns nicht erwarten, wenn im Vorabend die Probleme einer deutsch-türkischen Familie aufbereitet werden. Der Türkei-Korrespondent berichtet.

Der Kolumnist meldet verspätet einen Umzug: er ist von der Spree an den Rhein gezogen, nein - den Eindrücken vom Straßenbild seiner neuen großen Liebe Mülheim nach - von der Türkei in die Türkei.

Die Frage: „Wo bitte geht es zum Klingelpütz?“ wird schon mal beantwortet mit „Mein Sohn“, lange Pause, der Blick richtet sich gen Osten, „ich bin hier fremd“. Der Döner schmeckt noch nach anatolischen Hügeln und in meinem neuen Haus bin ich, außer den David-Beckham-Postern in den Kinderzimmern, der einzige Blonde.

Grund genug für mich neuköllner Neu-Kölner,  auch im Fernsehen eine angemessene Berücksichtigung der türkischen Minderheit zu erwarten. Bis heute gab es da nur den unbestechlichen Sinan Toprak, sprich einen Komissar Assimiliert Erol Sander aufzuzählen. Kenner nennen: Murat aus der Lindenstraße, den Assistenten von Eva Blond, Krankenschwester Arzu „In aller Freundschaft“, Kommissar Yücsel „Ein starkes Team“.

Während man unter diesen Figuren recht vergeblich nach dem Duft der Parallelgesellschaft suchen muss, macht sich die ARD jetzt daran, Klischees zu „brechen“ und eine deutsch-türkische Familie so zu mischen, dass aus dem Multikulti-Patchwork eine richtig gemütliche kleine Schule für Konfliktverhalten wird. Erstes Problem: Lenas Mama verliebt sich in Metin, und der ist Türke und hat eine kopftuchtragende Tochter sowie einen korregden kleinen Macho-Sohn.

Da wir aber in der ARD sind und auf dem Sendeplatz von „Berlin, Berlin“ (und nicht von Report aus München), erwartet uns kein Patriarch, kein Döner-Ali, kein Kalif von Tempelhof, sondern ein verständnisvoller, vor Tochterliebe strotzender Neudaddy, der die auf uns zukommenden Probleme stets im Verständnis-Dampfkessel abkochen kann. Schade eigentlich. Ich hätte mir einen bärtigen Knallchargen gewünscht, jenseits der verbrauchten über-oberflächlichen Multikulti-Comedy von Kaya Yanar, Django Asül, Mundstuhl und den zwei schlimmen Figuren aus München. Bitte nicht zu Integrations-, Diskurs- und Assimilationswillen. Der könnte ganz schnell nerven in einer Fernsehserie.

Nächstes Frühjahr startet „Türkisch für Anfänger“ in der ARD. Es soll darin sogar Szenen in türkischer Sprache geben, die deutsch untertitelt sind. Ob es wirklich knistern wird, beim lieben „Guter-Türke-Papi“?  Meine Abenteuerlust und die Freude an der Parallelgesellschaft muss ich wohl damit befriedigen, dass ich das Haus verlasse. Dort gibt es auch echtes Türkisch für Anfänger: Im Erdgeschoss des Hauses bietet die Sprachschule „AS Lernen“ einen Blitzkurs Türkisch an. Und wirbt damit, das der Schüler „das Lerne nichts vergesse“.