Keine Frage, das ZDF hätte sich kaum eine schwierigere Zeit aussuchen können, um sein Nachrichtenangebot im Internet zu überarbeiten, als diesen: Die Corona-Pandemie hatte gerade begonnen und ein Großteil der Redaktion verlegte den Arbeitsplatz in die heimischen vier Wände, da ging der Relaunch über die Bühne. Ein durchaus gewagtes Unterfangen, weil die neue Technik mit veränderten Arbeitsabläufen einhergehen musste. Nun, ein Jahr später, fällt die Bilanz auf dem Lerchenberg durchaus positiv aus.

"Wir hatten ordentlich Respekt vor diesem Schritt – haben ihn aber keine Sekunde bereut", sagt Frederic Huwendiek, Redaktionsleiter von "ZDFheute", im Gespräch mit DWDL.de. "Wir konnten in der Corona-Krise unsere neuen Fähigkeiten voll ausspielen: ob unsere Datenvisualisierungen, Livestreams oder Faktenchecks. Natürlich hat diese große Umstellung inmitten des ersten Shutdowns dem Team viel abverlangt, aber unsere Abläufe im Home-Office haben sich mittlerweile gut eingespielt."

Zufrieden zeigt sich Huwendiek etwa mit den Visualisierungen der Corona-Daten, die täglich zu den meistabgerufenen Beiträgen gehören, wie er sagt. "Diese Daten-Kompetenz war dann in der Pandemie auch wichtig für die TV-Sendungen. Also eine richtige Win-Win-Situation. Wir sind in Sachen Datenjournalismus quasi von null auf 100 gegangen, umso schöner, dass dann jemand wie Christian Drosten unser Angebot als besonders gelungen hervorhebt."

ZDFheute © ZDF
Generell habe es bei den interaktiven Grafik-Storys "eine steile Lernkurve" gegeben, betont Huwendiek. "Durch konsequente Formatarbeit und Ausrichtung auf die Nutzerinteressen konnten wir da den Erfolg enorm steigern." Zuletzt habe ein Stück über Impf-Nebenwirkungen innerhalb weniger Tage über eine Million Visits erreicht. Und auch sonst zeigt der Trend nach oben: Im Januar, dem bislang erfolgreichsten Monat, erreichte das Angebot von "ZDFheute" mit Nachrichten und Sport 73 Millionen Visits - eine Steigerung um über 200 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Auch die stellvertretende Chefredakteurin Bettina Schausten sieht das ZDF im Online-Bereich auf einem guten Weg. So sei "ZDFheute" ein "nonlineares Info-Flaggschiff des ZDF" geworden, betont sie. "Da sind wir 2020 einen großen Schritt weitergekommen." Zugleich hofft Schausten auf Abstrahleffekte fürs lineare Fernsehen: "Die Lust am kreativen Ausprobieren und der Umgang mit Daten zur Visualisierung von Zusammenhängen sind nur zwei Punkte, die sich TV-Redaktionen von den Onlinern abschauen können", sagt die Journalistin gegenüber DWDL.de. „Was nachhaltige Information und Zuverlässigkeit angeht, da sind die erfahrenen TV-Sendungen sicher Vorbild. Qualität und Glaubwürdigkeit ist für beide Seiten der Maßstab."

Tatsächlich hat sich im Zusammenspiel der Abteilungen einiges verändert. Die Onliner arbeiten "intensiver denn je mit fast allen journalistischen Redaktionen im Haus" zusammen, erklärt Frederic Huwendiek. "Von dieser Dachmarkenstrategie profitieren nicht nur wir, sondern auch die zuliefernden Redaktionen: über unsere Kanäle erreichen deren Inhalte deutlich mehr Nutzerinnen und Nutzer, als wenn sie etwa eigene Kanäle bei Instagram oder YouTube aufbauen müssten."

Mehr Livestreams im Netz

Auffällig ist, dass der Sender zuletzt vermehrt mit Online-Livestreams experimentiert hat, etwa bei den jüngsten Bund-Länder-Gipfeln oder dem Sturm auf das Capitol in Washington. Und auch wenn die TV-Redaktion der "heute"-Nachrichten für deren Produktion verantwortlich zeichnet, so unterscheidet sich die Ansprache deutlich von jener, die man aus klassischen News-Formaten kennt. "Wir setzen stärker als der Wettbewerb auf die Community", sagt der "ZDFheute"-Chef. Da werden dann schon mal Fragen und Kommentare an Politikerinnen und. Politiker oder Experten weitergereicht. Und auch unabhängig von Breaking News will man diese Ausrichtung verstärken. "Wenn es kein konkretes Live-Event gibt, versuchen wir ein wichtiges Tages-Thema mit der Community zu diskutieren." 

Zum Geburtstag will das ZDF verstärkt auf gute Nachrichten setzen - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Neben dem normalen Nachrichtengeschäft soll verstärkt der sogenannte konstruktive Journalismus Einzug halten. Nach Ostern, genau genommen für den 7. April, ist der Start eines neuen Blogs angepeilt, in dem "kurz und knapp über positive Entwicklungen, Lösungen und inspirierende Geschichten" berichtet werden soll, kündigt Huwendiek an. "Gerade jüngere Nutzerinnen und Nutzern fordern bei uns ein, dass wir nicht nur bei der Problem-Analyse stehen bleiben, sondern auch Beispiele für Lösungen aufzeigen. Dem tragen wir mit unserem neuen Angebot Rechnung." Abseits des Blogs will das ZDF samstags "das Gute zum Wochenende" liefern.

Verwirrend bleibt jedoch, dass das Online-Angebot der ZDF-Nachrichten seit nunmehr einem Jahr ganz anders aussieht als die TV-Sendungen, deren Optik inzwischen etwas in die Jahre gekommen ist. "Abwarten, aber nicht mehr lang", sagt die stellvertretende ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten, angesprochen auf den Fahrplan zur Angleichung der Designs. "Mit unserem virtuellen Nachrichtenstudio, das wir noch in diesem Sommer runderneuert präsentieren wollen, wird manches klar."