Logo: Sat.1 / Grafik: DWDL.deWirklich niemand hatte einen großen Erfolg des "Bullen von Tölz" am Montagabend erwartet, als Sat.1 vor einigen Wochen die Programmänderung bekannt gab. Und selbst in Berlin hätte man im Vorfeld sicher nicht von solch einem Erfolg zu träumen gewagt. Ob dieser jetzt von Dauer ist, bleibt abzuwarten. Zunächst einmal hat Sat.1 einen kräftigen Punktsieg gelandet. 18,6 Prozent der 14 bis 49-Jährigen wollten die Ermittlungen von Ottfried Fischer sehen. damit war Bad Tölz selbst beim jungen Publikum beliebter als New York, denn nicht nur Günther Jauchs "Wer wird Millionär", auch die US-Krimiserien bei VOX hatten da das Nachsehen.

Erstaunlich ist, dass das nicht besonders hippe Bad Tölz selbst junges Publikum interessiert. Vielleicht ist das schon eine Reaktion auf das Überangebot an US-Serien im deutschen Fernsehen. Sie liefern uns zwar die weite Welt und insbesondere ein bisschen Glanz des teuer produzierten US-Fernsehens in deutsche Wohnzimmer. Vielleicht aber reicht es irgendwann auch einmal, insbesondere seit RTL und auch Sat.1 immer mehr US-Serien ins Programm genommen haben und damit kaum noch Platz ließen für deutsche Produktionen. Und selbst VOX und kabel eins liefern permanent neue US-Ware zur Primetime. Noch erfolgreich.

"CSI" und Co. sind Serienprojekte, die mit einem Produktionsvolumen von gut und gerne über drei Millionen Dollar produziert werden "So einen Aufwand erwarten die Zuschauer jetzt offenbar auch von deutschen Serien. Aber das kann das deutsche Fernsehen nicht bieten. Das ist das Problem auf das man Antworten finden muss", analysierte der ehemalige Sat.1-Geschäftsführer Roger Schawinski im Mai 2006 im DWDL.de-Interview zur Problematik der deutschen Serie. Er lieferte auch gleich eine mögliche Antwort: "Da müssen wir andere Wege gehen. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir Ideen und Drehbücher finden müssen, die nur wir hier so hinbekommen können." Dazu zählte er Serien wie eben "Der Bulle von Tölz". Den Erfolg verbucht die Reihe aber erst nach der Umprogrammierung durch den jetzigen Sat.1-Chef Matthias Alberti - obwohl die Fiction bislang nicht sein Steckenpferd war.

Eine schöne Erkenntnis: Auch Deutschland kann was, was die Amerikaner nicht können. Es geht dabei einmal um Kleinigkeiten, Gesten oder scheinbar nebensächliche Details, die der Atmosphäre einer deutschen Serie helfen. Aber es geht auch um die Geschichten selbst, um die Bücher. Das aktuellste Beispiel dafür ist "Allein unter Bauern". Diese neue Sat.1-Serie ist ur-deutsch. Die deutsche Provinz, das Dorfleben - keine US-Serie könnte dies so abbilden, kein US-Autor so schreiben. Und offenbar haben die Deutschen das vermisst. Mit über 14 Prozent Marktanteil beim jungen Publikum ist zwar kein durchschlagender Erfolg gelungen, aber angesichts der zuletzt furchtbaren Einschaltquoten vieler deutscher Serien ein allemal sehr achtbares Ergebnis.


Albertis Vorgänger nannte im Mai 2006 auch Negativbeispiele für deutsche Serien, die nicht funktionieren: "Nehmen Sie 'Bis in die Spitzen' oder auch 'Die Familienanwältin' - das sind Serien die auch aus dem Ausland hätten kommen können." Hat er das RTL-Trauma am Montagabend vorhergesehen? Man könnte fast dran glauben. Trotzdem war es dann übrigens dieser Schawinski der mit der Adaption von "R.I.S." gleichzeitig doch teilweise auf ausländische Stoffe setzte, was bei den Medientagen München im Oktober vergangenen Jahres zu einer heftigen Auseinansetzung mit MME Moviement-Chef und Ex-Sat.1-Geschäftsführer Martin Hoffmann führte, der Schawinski vorwarf , so keine deutschen Drehbuchautoren zu fördern.

Matthias Alberti hat mit der Umprogrammierung des "Bullen von Tölz" ein glückliches Händchen bewiesen. Mit "Allein unter Bauern" hat er den ersten vielversprechenden Serien-Neustart hingelegt. In den kommenden Wochen folgen noch die Actionserie "GSG 9" und eben die Ermittlerserie "R.I.S.". Schlecht sieht keine davon aus. Sollten beide Formate auch nur durchschnittlich gut laufen, hätte Sat.1 auf einen Schlag innerhalb weniger Wochen geschafft, was vor anderthalb Jahren lautstark alle wollten, aber keiner schaffte: Die deutsche Fiction zu beleben.

Bei RTL hat, von "Post Mortem" am Donnerstag abgesehen, gerade erst der letzte Sendeplatz für eigenproduzierte Fiction seinen Platz räumen müssen. Bei Sat.1 könnte Matthias Alberti hingegen einen Programmschwerpunkt, eine Marschrichtung für seinen Sender gefunden haben, der mit einem wöchentlichen eigenproduzierten TV-Film der deutschen Fiction ohnehin immer die Stange hielt. Will man aber von Renaissance der deutschen Fiction sprechen, dann sei diese Anlehnung an eine Sat.1-Erfolgsserie aus den 90er Jahren erlaubt: "Matthias Alberti - Ein Mann geht seinen Weg"