Das ErsteEs hätte der große Befreiungsschlag für den deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest werden sollen. Am Wochenende wurden die Pläne der ARD bekannt, künftig mit ProSieben und in Persona Stefan Raab bei der Auswahl des deutschen Vertreters zu kooperieren. "Welt Online"-Informationen zufolge hätte es einen Talentwettbewerb geben sollen, der über Monate hinweg auf beiden Sendern im Wechsel zu sehen sein sollte.

Alles schien klar, eine Pressekonferenz war - so verlautete es aus Senderkreisen - für Dienstagmittag bei Brainpool anberaumt. Einzig die finale Zustimmung der großen ARD-Runde stand noch aus. Eine Formsache, so hätte man denken können - wenn man die ARD nicht kennt. Denn als die Einladung durch den NDR ausblieb und die Pressestelle jeden Kommentar ablehnte, war klar: Die Programmdirektoren-Runde der ARD, die zu Wochenbeginn in Köln tagten, konnten sich nicht dazu durchringen, dem Vorhaben grünes Licht zu geben.

Sie verwiesen die Sache an ihre Chefs: Die Intendanten diskutierte nun am Mittwoch in einer Telefonkonferenz das Thema - doch auch dort fand sich offenbar keine Mehrheit für das Vorhaben, wie Stefan Niggemeier im FAZ-Fernsehblog berichtet. Die Kooperation wäre somit also geplatzt. Ein Stellungnahme der ARD dazu gibt es noch nicht, am Mittwochabend war zunächst niemand zu erreichen. Dass die avisierte Bestätigung ausblieb, lässt aber ohnehin kaum einen anderen Schluss zu.

Das Scheitern der Pläne wäre nicht nur eine Blamage für die ARD, sondern auch eine herbe Niederlage für ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber, der seit Monaten mit seinem Team an der Kooperation mit ProSieben arbeitete und sie - so schien es - so gut wie unter Dach und Fach hatte. Mehrfach kündigte er im Vorfeld an, dass man den deutschen Vorentscheid im nächsten Jahr neue Partner gewinnen konnte, sprach von einer "nationalen Aufgabe", die nicht allein der ARD und dem dort federführenden NDR zufalle und die man direkt nach dem "ESC"-Finale in Moskau der Öffentlichkeit präsentieren wolle.

Bundesvision Song Contest 2009Dieser Vision wollten aber ganz offensichtlich viele in der ARD nicht folgen. Es scheint, als hätte sich Angst breit gemacht, die Kooperation mit ProSieben könnte als Offenbarungseid der ARD gewertet werden, dass man nicht in der Lage sei, den Vorentscheid aus eigener Kraft zu stemmen. Doch es wäre nur eine Einsicht in die Realität gewesen, dass man selbst gerade bei den jüngeren Zuschauern nicht mehr genug Aufmerksamkeit für eine längere Vorentscheid-Phase generieren kann. Raab hat in der Vergangenheit schon bewiesen dass er das könnte. Und dass er bekannte Acts ebenso ins Boot holen kann wie noch unbekannte Nachwuchsmusiker fördern. 

Nun steht die ARD vor einem Scherbenhaufen - und am Ende bleibt wohl nur eine weitere Episode, die noch lange als Anschauungsmaterial für die Probleme der ARD dienen wird, in einer Reihe mit dem Desaster um die geplatzte Verpflichtung Günther Jauchs. Die ARD steht sich weiter selbst im Weg Denn bei Entscheidungen, mit denen ausgetretene Pfade verlassen, neue Wege beschritten und dadurch vielleicht auch junges Publikum gewonnen werden könnte, werden sich in der ARD immer genug Bedenkenträger finden, die ihre Zustimmung verweigern.

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Wie es nun mit dem deutschen Vorentscheid weiter geht, ist völlig offen. Die monatelangen Planungen sind offenbar obsolet - und einen Plan B dürfte der NDR nicht einfach in der Tasche haben. Ob der ursprüngliche Plan nachgebessert werden kann, ist unklar. (Achtung: Neuer Stand hier) Den erneuten Verzicht auf einen öffentlichen Vorentscheid wie in diesem Jahr hatte der Sender im Vorfeld eigentlich augeschlossen - ein "Weiter so" wie in den Jahren zuvor allerdings auch. ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber ist derzeit nicht zu beneiden.