Eine neue Referenzzielgruppe?Auch wenn alle TV-Sender de facto gleich erfolgreich oder auch -los blieben - in der öffentlichen Wahrnehmung würden sich die Kräfte-Verhältnisse auf dem TV-Markt deutlich verschieben. Die großen Gewinner der Aktion wären fraglos die öffentlich-rechtlichen Sender, die stärker sind, je älter das Publikum ist. Das Erste hätte zwischen Januar und Mai - den durch die WM verzerrten Juni bewusst außen vor gelassen - nicht einen Marktanteil von nur 7,0 Prozent (14-49) erzielt, sondern deutlich bessere 9,2 Prozent (20-59) erreicht. Sogar noch ein wenig stärker ist der Ausschlag nach oben beim ZDF: Den 6,3 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen stehen 8,7 Prozent bei den 20- bis 59-Jährigen gegenüber.

Und plötzlich würden damit ARD und ZDF, die bei den jüngeren Zuschauern in den letzten Jahren kräftig an Boden verloren hatten, in der Referenz-Zielgruppe wieder in einer Liga mit ProSieben spielen. Der Sender wäre nämlich der große Verlierer der Maßnahme. Statt der 11,9 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen standen bei den 20- bis 59-Jährigen nur 9,0 Prozent zu Buche. ProSieben wäre gleich doppelt der Gelackmeierte: Nicht nur dass der Sender kaum Zuschauer über 50 erreicht, auch die Altersgruppe der 14- bis 19-Jährigen, in der ProSieben vergleichsweise stark ist, fiele aus dem Fokus.

Doch auch RTL, dessen Vermarkter IP Deutschland die Änderung maßgeblich betreibt und dessen Chefin Anke Schäferkordt bei der Programm-Vorstellung für die kommende Saison ausdrücklich betont hat, dass man einer anderen Zielgruppen-Definition offen gegenüber stehe, würde zu den Verlierern gehören. Zwar wäre RTL noch immer mit riesigem Abstand Marktführer, aber die Überlegenheit wäre zumindest ein bisschen weniger erdrückend. Bei den 20- bis 59-Jährigen erreichte RTL zwischen Januar und Mai 16,4 Prozent Marktanteil. Bei den 14- bis 49-Jährigen standen hingegen sogar 18,1 Prozent zu Buche. Hier wird RTL ein wenig zum Verhängnis, dass das Durchschnittsalter seiner Zuschauer in den letzten Jahren der demographischen Entwicklung zum Trotz sogar spürbar gesunken ist.

Der stärkste Verfolger von RTL wäre nicht mehr ProSieben, das wie erwähnt als mit Abstand jüngstes Vollprogramm (Durchschnitts-Alter der Zuschauer: 35 Jahre) bei den 20- bis 59-Jährigen deutlich schlechter abschneidet, sondern Sat.1 (Durchschnittsalter 51 Jahre). Während alle anderen großen Privatsender in der neuen Referenz-Zielgruppe schlechter als bislang dastünden, erreichte Sat.1 in den ersten fünf Monaten des Jahres sowohl bei den 14- bis 49-Jährigen als auch bei den 20- bis 59-Jährigen einen identischen Marktanteil von 11,0 Prozent. Ähnlich unbeeindruckt würde sich auch Vox zeigen: Statt 7,8 wie bei den 14- bis 49-Jährigen betrug der Marktanteil bei den 20- bis 59-Jährigen nur unwesentlich schwächere 7,6 Prozent.

Vox profitiert hierbei unter anderem vom großen Anteil an Krimi-Serien in der Primetime - auf Krimis können sich junge und alte Zuschauer nämlich gewissermaßen einigen, während viele andere US-Serien, vor allem aber auch Comedy-Formate und ähnliches bei den über 50-Jährigen deutlich weniger  Anklang finden als in den jüngeren Altersgruppen. Letzteres würde unter anderem auch kabel eins schaden, das seinen Aufschwung des letzten Jahres vor allem dem äußerst starken Sitcom-Block in der Daytime zu verdanken hat. Bei den 20- bis 59-Jährigen erreichte kabel eins bis Mai 5,4 Prozent, 0,6 Prozentpunkte weniger als bei den 14- bis 49-Jährigen. Kleiner Trost: Der Konkurrent RTL II würde noch stärker verlieren und kommt bei den 20- bis 59-Jährigen ebenfalls nur auf 5,4 Prozent Marktanteil.

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Das Fazit: Als einzige zulegen könnten durch die Verschiebung der Referenz-Zielgruppe auf die 20- bis 59-Jährigen die beiden öffentlich-rechtlichen Sender, bei den Privaten könnten Sat.1 und Vox durch den relativ hohen Altersschnitt ihrer Zuschauer Boden auf die Konkurrenz gut machen. RTL hätte kein größeres Problem, weil die Marktführung weiter unstreitig ist und die größten Profiteure der Aktion auf dem Werbemarkt nach 20 Uhr ohnehin keine Konkurrenz darstellen. Nur ProSieben stünde vor einem Kommunikationsproblem. Aus Unterföhring würde man dann wohl deutlich häufiger und stärker als bislang betonen, wie erfolgreich die eigenen Formate bei den 14- bis 29-Jährigen sind.

Der Vergleich: 20- bis 59-Jährige vs. 14- bis 49-Jährige
(Marktanteile Januar bis Mai 2010)

   20-59  
  14-49  
Das Erste      
9,2 %
7,0 %
ZDF
8,7 %
6.3 %
RTL
16,4 %
18,1 %
Sat.1
11,0 %
11,0 %
ProSieben
9,0 %
11,9 %
Vox
7,6 %
7,8 %
RTL II
5,4 %
6,2 %
kabel eins
5,4 %
6,0 %

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