Heinrich Schafmeister© BFFS
In der Fernsehbranche ist ein lautes Wehklagen zu vernehmen. Die goldenen Zeiten scheinen vorbei. "Von der "Goldgräberbranche zur Tellerwäscherindustrie" habe sich das Fernsehgeschäft entwickelt, beklagte Moderator und Produzent Ulrich Meyer zur Jahreswende. Die beiden großen Fernsehgruppen RTL und ProSiebenSat.1 haben spätestens mit der Finanzkrise begonnen, sich deutlich zu verschlanken. Auch die Öffentlich-Rechtlichen treten fest auf die Kostenbremse. Übertönt wird das Klagen nur ab und an durch die Meldung von Rekordgewinnen mancher Medienkonzerne - so wie in diesen Tagen der RTL Group.

Doch je weiter man die Produktionskette nach unten geht, um so schlechter wird die Stimmung. Während die Budgets immer knapper zu werden scheinen, sehen sich viele vornehmlich freiberuflich agierende Berufsgruppen aufgrund des sinkenden Produktionsvolumens mit immer größer werdender Konkurrenz konfrontiert, bei der mehr und mehr der Preis regiert.
 
 
Schauspieler Heinrich Schafmeister (Bild oben) spricht sicher nicht nur den Vertretern seiner Zunft aus der Seele, wenn er sagt: "Wir haben den schönsten Beruf, den es gibt – allerdings kann man den nicht weiter empfehlen". Auch wenn die wirtschaftliche Schieflage der Einzelnen unterschiedlich groß sein mag: "Die Existenzangst zieht sich bei allen durch", konstatiert Schafmeister im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. "Am unteren Rand wird ein Schauspieler am Set schlechter bezahlt als ein Hund", sagt er. Gemeinsam mit anderen Kollegen engagiert er sich im Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS e.V.). Schafmeister sitzt im Vorstand und ist dort für das Thema Finanzen zuständig. Dort macht der Verband unter anderem auf die Gagensituationen der Schauspieler aufmerksam und setzt sich für klare tarifliche Regelungen ein.

Die Zahl der Offerten, in denen Schauspieler schlechter bezahlt werden, als ein Hund, der im Bild zu sehen ist, nimmt stetig zu. Davon berichten laut Schafmeister auch die Agenten. Die Ursachen für die derzeitige Gagenmisere sind für Heinrich Schafmeister in einer stetigen Abwärtsbewegung auszumachen, die sich durch die verschiedenen Ebenen der Filmproduktion zieht. So werde weniger an deutscher Fiction produziert, als noch vor rund zehn Jahren. Als man anfing zu sparen, wurden zunächst die Produktionen mit weniger Budget ausgestattet. Dadurch sank die Gage pro Drehtag. Als das nicht ausreichte, ging es auch an die Anzahl der Drehtage. Waren vor einigen Jahren noch rund 30 Drehtage die Regel für abendfüllende Fernsehfilme, so könne man heute froh sein, wenn es 22 seien. Erste Gedankenspiele zu 16 Drehtagen gebe es bereits, ist zu hören.

Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler© BFFS
Für die Gilde der Schauspieler rechnet Schafmeister vor, dass die Einkommen seit Eintreten der Finanzkrise im Herbst 2008 um bis zu 50 Prozent gesunken sind. Stichprobenartige Befragungen bei Agenturen belegten dies. "Weniger Produktionen, weniger Drehtage pro Produktion, weniger Gage pro Drehtag: Der Einspareffekt rechtfertigt allerdings nicht den Stress, den sich der Produzent durch diese Entwicklung ins Haus holt", warnt Schafmeister. Ein großes Stress-Thema in diesem Zusammenhang ist der Arbeitsschutz. Denn wo Drehtage zusammengestrichen werden, wird der einzelne Arbeitstag in der Regel länger. Doch unendlich ausdehnbar ist er nicht. Je nach Tarifsituation muss spätestens nach 13 Stunden Schluss sein. Zudem sind Ruhezeiten einzuhalten.

Für Wirbel sorgte in diesem Zusammenhang die ARD-Serie "Im Angesicht des Verbrechens", die den Programmhöhepunkt in diesem Herbst bilden soll. Im Frühjahr vergangenen Jahres kontrollierte der Berliner Arbeitsschutz das Set. Um nicht strafrechtlich belangt zu werden, mussten zwölf zusätzliche Drehtage eingezogen werden. Es entbrannte ein Streit zwischen Produktionsfirma Typhoon und dem auftraggebenden WDR. Infolgedessen meldete Produzent Marc Conrad mit der Typhoon Insolvenz. Mittlerweile konnte man sich einigen, die Serie war bereits bei Arte zu sehen.
 

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Allzu engmaschig können die Wächter über die Einhaltung von Höchstgrenzen bei der Arbeitszeit, Mindestgrenzen bei den Ruhezeiten und die Sicherheit am Arbeitsplatz allerdings nicht kontrollieren. "Wir können als Behörde nur Stichproben machen, weil wir personell schlecht ausgestattet sind", hieß es im Zusammenhang mit "Im Angesicht des Verbrechens“ aus der Berliner Behörde. Im Regierungsbezirk Köln kümmern sich lediglich sechs Mitarbeiter um die Kontrolle der Arbeitszeiten für Arbeitnehmer aller Branchen.

"Die Ausdehnung von Arbeitszeiten ist sicher oft eine falsch verstandene Lösung insbesondere bei der Umsetzung von Fiction Formaten", sagt RTL-Produktionschef Jörg Graf gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de. Graf sieht die Ursache allerdings nicht zwangsläufig in den gestiegenen Ansprüchen der Sender. "Wir haben beispielweise bei einigen Sketchcomedies die Anzahl der Motive reduziert um ein realistisches Drehpensum erreichen zu können. Eine Aufstockung von Mitteln wie Arbeitszeit der Mitarbeiter oder Budgets generell ist endlich und wir sind überzeugt, eine bessere Vorbereitung und weitere Fokussierung auf das Wesentliche werden zunehmend wichtiger".
 
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