Herr Gardé, auch wenn mit Joko, Klaas und Jan Böhmermann momentan andere Fernsehmacher im Fokus der Freshness stehen: Sie produzieren und moderieren schon seit drei Jahren erfolgreich Game One für die MTV-Sender und sind Gesellschafter von Rocket Beans Entertainment. Wie macht man erfolgreich Fernsehen für junge Leute?

Erfolgreiches junges Fernsehen ist authentisches Fernsehen mit viel Selbstironie und Selbstbewusstsein im Sinne des Wortes: Man ist sich dessen bewusst, was man gerade macht. Das ist ein großer Faktor bei Sendungen wie „Circus Halli Galli“, „Neo Magazin“ ober eben „Game One“. Da kommt kein gelackter Showmaster die Treppe runter und verspricht eine kunterbunte Welt, in der alles fehlerlos abläuft und Pannen einfach weggelächelt werden. Das hat etwas sehr Befreiendes, weil Fernsehen dadurch näher an das Leben rückt. Identifikation und Glaubwürdigkeit steigen. Das sind wichtige Faktoren für junge Zuschauer.

Klingt einfach, ist aber für viele Redaktionen und Produktionen offenbar nicht ohne Weiteres umzusetzen. Woran liegt das? Welche Rolle spielen hier Zeitgeist und Generation?

Das liegt auch daran, dass die Strukturen nicht immer homogen sind. Wie oft hört man als Redakteur oder Produktionsfirma Sätze wie „Das kann man so nicht machen“ oder „Das muss aber so und so sein, weil das immer schon so war“. Irgendwo gibt es immer jemanden, der glaubt, es besser zu wissen – obwohl er von der Zielgruppe möglicherweise viel weiter weg ist. Nehmen wir beispielsweise die Gottschalk-Sendung, die im Ersten am Vorabend so gefloppt ist. Da hat einfach die Chemie zwischen Redaktion und Moderation nicht gestimmt. Es gibt halt keine Chris De Burgh Memes.

Wie sieht es bei „Game One“ mit der Chemie aus? Wie gehen Sie bei der Produktion vor und wie ist Ihr Verhältnis zu Viacom – Ihrem Auftraggeber?

„Game One“ existiert jetzt seit acht Jahren und ist damit eine der am längsten laufenden Sendungen im Musikfernsehen. Dadurch haben wir uns beim Sender auch eine gewisse Narrenfreiheit erarbeitet. Uns werden kaum Grenzen gesetzt, und wir bekommen wenig inhaltliche Auflagen. Diese Freiheit ist nicht selbstverständlich, und dafür sind wir dankbar. Selbst die „freshen“ Formate bei den großen Sendern haben dagegen größeren inhaltlichen Druck. Wir profitieren natürlich auch davon, dass wir gute Quoten über dem Senderschnitt einfahren. Daraus entsteht dann einfach eine große Experimentierfreude, die auch von der Viacom begrüßt und gefördert wird. Das geht aber nur mit einem Produkt mit dieser Größe und dieser Position. Bei „Wetten dass…?“ wäre das schon schwieriger.

Mit Ihrem Piloten „Quelle Internet“ haben Sie im Frühjahr den Webvideopreis abgeräumt. Ein Fernsehpilot bei YouTube, der einen Webvideopreis gewinnt? Wie kam das zustande?

Die Sendung war der Pilot für ein Internet-Format, das ein Sender bei uns bestellt hat. Der Kunde wollte eigentlich so etwas wie „Upps die Pannenshow“ mit YouTube-Clips haben. Wir sind mit unserem Piloten dann etwas über das Ziel hinausgeschossen, weil wir unsere eigene Vision von einer coolen und authentischen Sendung zum Thema Internet umsetzen wollten. Eine Clip-Show wäre auf jeden Fall einfacher gewesen. Aber wir dachten, wir können den Sender für ein – in unseren Augen – hochwertigeres Format begeistern. Das hat leider nicht geklappt. Aus wirtschaftlicher Sicht eine Enttäuschung, aus der wir als junge Produktionsfirma sicherlich gelernt haben.

Welche Lehre haben Sie konkret für sich daraus gezogen?

Das ist eben eine Realität in diesem Business: Es geht nicht nur um die Realisierung eigener Visionen, sondern eben auch um das Zufriedenstellen des Kunden. Da uns unser Pilot aber gut gefallen hat, haben wir ihn auf unseren YouTube-Channel Rocket BeansTV gestellt. Die Auszeichnung mit dem Webvideopreis bestätigt uns, dass das Format durchaus in der Zielgruppe Erfolg hätte haben können. Aber aus wirtschaftlicher Sicht haben wir da vielleicht als Produktionsfirma versagt. Das ist momentan unser Problem bei Rocket Beans: Es ging uns mehr um den Inhalt, als darum etwas zu verkaufen. Hinzu kommt: Obwohl „Game One“ mehr als eine Million Facebook-Likes hat, kennt niemand unsere Firma. Die Branche denkt offenbar wir sind diese Gamesbude mit dem Asiaten und noch ein paar anderen.

Spricht man heute über junges Fernsehen, dann spricht man auch von Leidenschaft, die im Programm steckt. Ob man sich nun für Videospiele interessiert oder nicht – die Leidenschaft ist in „Game One“ immer spürbar. Wird das gewürdigt oder machen Sie das mehr für sich selbst?

Wenn die Leute, die an der Sendung arbeiten wirklich Bock auf das Thema haben, dann kommt am Ende etwas Gutes raus, das über 300 Folgen lang vollgepackt ist mit Humor, Sketchen und Kreativität. Natürlich sind Videospiele immer noch ein spezielles Thema. Aber „Game One“ hat bewiesen, dass man es für jedermann unterhaltsam darstellen kann. Leider winken viele in der Branche bei Games ab. Würden wir die gleiche Sendung zu einem anderen Thema machen, würde man uns sicher viel stärker wahrnehmen. Deswegen bekommen wir auch keine klassischen Fernsehpreise. Den Juroren sind die Spiele und der ganze Kosmos unbekannt und darum verstehen sie unseren Humor auch nicht. Videospiele sind halt offensichtlich immer noch nicht Feuilleton genug.