Kurz vor dem Finale von „The Voice of Germany“ im Dezember 2013 wurde Andreas Kümmert krank - und räumte bei der Castingshow von ProSieben und Sat.1 dennoch den Titel ab. Glücklich darüber war er jedoch nicht und will heute nicht mehr wirklich an die Show erinnert werden. Eine Geschichte, die sich wiederholt hat: Auch vor dem deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest gab es Schlagzeilen über eine Erkrankung von Andreas Kümmert. Auch diesmal trat er dennoch an. Auch diesmal gewann er die Show - diesmal den deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest 2015 in Wien, der am Donnerstagabend live im Ersten über den Sender ging. Doch annehmen wollte er die Wahl diesmal nicht. Sekunden vor der Bekanntgabe des Ergebnisses des finalen Votings ist Kümmert schon sichtlich nervöser als Ann Sophie.

Er lacht nur kurz bei der Bekanntgabe seines Sieges und schüttelt sogleich den Kopf. Moderatorin Barbara Schöneberger gratuliert. „Andreas, was für eine Nacht“, sagt sie und lässt den Sieger des Votings sprechen: „Vielen lieben Dank, ich bin überwältigt von Eurer Zuneigung. Und einfach: Dankeschön, vielen Dank.“ Während Janin Reinhardt und Barbara Schöneberger für die Zweitplatzierte Ann Sophie noch einmal Applaus beim Publikum in Hannover abholen, steht Kümmert immer nervöser, sichtbar unruhig daneben. Als Schöneberger sich ihm noch einmal zudreht, wirkt es so als ahne sie insgeheim bereits, dass die Stimmung kurz vor dem Höhepunkt des Abends kippen könnte. „Andreas, wir sind gespannt was jetzt passiert. Bist Du bereit nochmal Deinen Song für uns zu performen?“

Doch Andreas Kümmert hat stattdessen etwas zu sagen: „Ich möchte kurz was dazu sagen. Ich bin überwältigt von Euch allen, von Deutschland. Dafür, dass ihr meine Musik toll findet; mich unterstützt habt (Ähm) Es ist momentan so, ich bin nicht wirklich in der Verfassung diese Wahl anzunehmen und muss deshalb…ähm…ich geb meinen Titel an Ann Sophie.“ Die wiederum steht daneben und guckt verständlicherweise ungläubig; weiß sie doch ebenso wenig wie die Zuschauer, was das nun bedeutet. Schöneberger fragt bei Kümmert nach: „Also Du sagst uns jetzt, Du möchtest nicht nach Wien fahren, weil Du das Gefühl hast, dass das nicht Deine Welt sein könnte?“ „Ich denke einfach, dass sie viel geeigneter und qualifizierter dafür ist. Ich bin ein kleiner Sänger…“ - und kommt ins Stocken.

Das sei ja jetzt ein „Coitus Interruptus der schlimmsten Sorte“, attestiert Schöneberger amüsiert und schlagfertig. „Gibt es irgendetwas was Dich umstimmen könnte?“ Doch auch Applaus aus der Halle hilft nicht. „Tut mir leid“, hört man Kümmert noch sagen, da umarmt ihn Ann Sophie auch schon. Janin Reinhardt kommt in der Situation leider auf keine bessere Idee als Ann Sophie das Mikrofron vor die Nase zu halten und die Mutter aller überflüssigen Fragen zu stellen: „Was sagst Du dazu?“ Völlig irritiert ob der Situation, stammelt Ann Sophie ratlos herum bevor Barbara Schöneberger die Situation klärt.

„Das ist eine Situation mit der wir so alle nicht gerechnet haben. Lieber Andreas, ich habe das Gefühl; ich merke Dir an, dass Du da eine Entscheidung getroffen hast, die wir jetzt auch nicht unnötig abstimmen wollen vor allem im Hinblick darauf, dass Du sie dann vielleicht in drei Tagen wieder revidierst und dann doch nicht fahren willst. Insofern akzeptieren wir das jetzt und verabschieden uns an dieser Stelle von Dir und Deinen Musikern mit einem Riesenapplaus Du bist eigentlich unsere Nr.1. Deutschland wollte Dich sehen und wir haben Dich gewählt“, sagt Schöneberger unter lautem Applaus und einigen Buh-Rufen aus der Halle. „Fahr ich jetzt nach Wien?“, fragt Ann Sophie immer noch völlig irritiert während Andreas Kümmert und seine Musiker unter dem akustischen Tumult in der Halle die Bühne verlassen.

„Ja, Du fährst nach Wien“, bestätigt ihr Barbara Schöneberger. Sie gibt ihr Bestes die Halle nochmal in Stimmung zu bringen, um den Abend zu retten. The Show must go on. Schließlich sieht der Ablauf vor, dass jetzt noch einmal der Siegersong gesungen wird. Dem Publikum in der Halle und an den Bildschirmen ruft sie entgegen: „Das ist eine Entscheidung, die hat Andreas so getroffen. Die müssen wir respektieren. Deswegen ist Ann Sophie unsere Gewinnern des deutschen Vorentscheids 2015.“ Doch die geht ans Mikrofon und fragt erst noch einmal nach: „Wollt ihr das überhaupt?“ In diesem Moment kann man Barbara Schönebergers Gedanken erahnen, die Ann Sophie zwar hörbar versichert „Ja, das wollen Sie!“, aber ihre vermutlichen Gedanken durch den Gesichtsausdruck vermittelt: Jetzt lass uns das hier bloß endlich irgendwie zu Ende bringen! Sing!

Das tut Ann Sophie dann auch. „Black Smoke“ erklingt noch einmal, bevor Barbara Schöneberger zur Verabschiedung ansetzt. „Ann Sophie - das macht Dir so schnell keiner nach. Meine Damen und Herren, das war der deutsche Vorentscheid 2015. Ich bin auf die Besprechungen unserer heutigen Show in der Tagespresse morgen früh sehr gespannt“. Unabhängig von der Frage, wie der Abend nun musikalisch zu bewerten ist und ob Andreas Kümmert seine Entscheidung noch einmal ausführlicher begründen und seinen Fans das letztlich unsinnige Voting für ihn erklären will, so hat der Abend eins bewiesen: Es hat immer noch etwas Besonderes, wenn Millionen Menschen gleichzeitig einen so denkwürdigen TV-Moment miteinander teilen. Live-Fernsehen kann herrlich sein.

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