Oliver Bilger© Handelsblatt
Die politischen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland haben sich nicht zuletzt durch die Krise auf der Krim in den vergangenen Jahren deutlich abgekühlt. Doch wie ist es um den Umgang mit den Medien bestellt? "Bislang genossen deutsche und andere westliche Medien grundsätzlich ein hohes Ansehen, viele, besonders wichtige Persönlichkeiten sprachen gerne mit ausländischen Journalisten", sagt Oliver Bilger, der seit 2012 in Moskau lebt und mittlerweile als freier Journalist unter anderem für "Zeit Online", "Cicero", "NZZ", "Welt" und die "SonntagsZeitung" schreibt. "Mit dem Krieg in der Ukraine, der Annexion der Krim und mit den damit einhergehenden Propaganda und Wagenburgmentalität in Russland ist der Blick auf ausländische Medien kritischer und zurückhaltender geworden".

Schon 2013 zogen mehrere deutsche Medien, darunter "Handelsblatt", "Zeit" und "Focus", ihre festen Korrespondenten aus Moskau ab und setzten vor allem auf freie Mitarbeiter. Offiziell, um Geld einzusparen und weil das Land vorübergehend weniger im Fokus stand, wohl aber auch, weil die Berichterstattung nicht mehr ganz so frei möglich war. Das sieht zumindest Bilger so, der nach seinem Volontariat bei der "Süddeutschen Zeitung" zunächst als Korrespondent für das "Handelsblatt" nach Moskau ging: "Gesprächspartner sind misstrauischer geworden, manche wollen nicht mehr mit ausländischen Journalisten sprechen. Andere glauben, dass westliche Journalisten Anweisungen aus Berlin oder Washington erhalten." Es geht so weit, dass westliche Journalisten für Spione gehalten werden – und das ist nicht immer als Spaß gemeint. Trotzdem, so Bilger, gebe es viele Menschen, die nach wie vor offen für Interviewanfragen sind. "Eine tatsächliche Behinderung bei der Arbeit – abgesehen von manchmal hohen bürokratischen Hürden – habe ich indes nicht erfahren", sagt der Journalist.

Das große Problem in der Berichterstattung aus Russland ist, dass Stereotypen vorherrschend sind, gerade im Konflikt mit der Ukraine wurde Schwarz-Weiß-Malerei betrieben – eine differenzierte Berichterstattung mit offenem Ende fand selten statt. Viele Berichte bezogen sich direkt auf die Person Wladimir Putins. Journalistin Hannah Beitzer schrieb in einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung", dass spätestens seit dem Ausbruch der Krim-Krise Journalisten aus ebenso aktuellem wie brisantem Anlass Putins Politik anstelle seines Kleidungsstils analysieren. Das Urteil falle aber auch da tendenziell negativ aus. "Putin sei gefährlich, wenn nicht gar verrückt. Völkerrechtswidrig wolle er sich die Halbinsel Krim, die zur Ukraine gehört, einverleiben. Gnadenlos verteidige er seine Einflusssphäre“, heißt es in dem Beitrag.

Das Interesse an Russland ist hoch

"Als Putin 2012 wieder als Präsident in den Kreml zog, rechneten viele Redaktionen in Deutschland mit einem Stillstand. Es kam bekanntlich ganz anders", sagt auch Oliver Bilger. Seine deutschen und Schweizer Auftraggeber würden sich häufig Geschichten wünschen, die ihnen das doch ferne Russland näher bringen. So seien insbesondere Texte gefragt, die die undurchsichtige Kreml-Politik verständlicher machen, wirtschaftlichen Folgen von Krise und Sanktionen beschreiben oder die Einstellungen der Bürger erklären. "Grundsätzlich ist durch die politische Lage das Interesse an Russland aber hoch. Gerade jetzt, da russische Politik immer undurchschaubarer wird, sind Russlanderklärer gefragt", sagt Bilger. Trotzdem könne es vorkommen, dass die Redaktionen Themen aus mangelndem Interesse, finanziellen Gründen oder weil der Geschichte der passende Dreh fehlt, auch mal ablehnen.

Mit Russland war Bilger schon vertraut, bevor er Korrespondent wurde. "Insbesondere Moskau kannte ich zunächst vor allem als kalte, graue und zwischen Herbst und Frühsommer eher ungemütliche Metropole,“ sagt er. Im Sommer aber verwandelt sich die Stadt in eine völlig andere Welt. Die Menschen verbringen so viel Zeit wie möglich im Freien: essen, spazieren, tanzen auf Terrassen, Straßen, Plätzen. Und jedes Jahr wird Moskau ein Stückchen lebenswerter: weniger Autos, mehr Fußgängerzonen, Radwege und Grünflächen. "Es herrscht eine Lebensfreude, wie ich sie zuvor nur in südlichen Ländern vermutet hatte. Jeder Sommer überrascht aufs Neue", so Bilger. Dennoch will er für zunächst ein Jahr nach Deutschland zurückkehren. Um die Kreml-Politik müssen sich dann andere kümmern.