Am Ende hat dann doch alles ein paar Tage länger gedauert als gedacht. Mit einer Woche Verspätung ist am Dienstag "Alles Liebe, Annette" gestartet – eine Dramedy-Serie, die ausschließlich fürs Internet produziert wurde. Der Zeitplan war allerdings ziemlich straff, denn zwischen dem ersten Konzept und der ersten Ausstrahlung liegen kaum mehr als 15 Wochen und der Dreh aller 100 fünfminütigen Folgen nahm gerade mal 21 Tage in Anspruch. "Es gab und gibt viele Besonderheiten bei dieser Produktion", sagt Showrunnerin Yvonne Abele und verweist etwa auf den hohen Dreh-Output, der dafür sorgte, dass bis zu sechs Folgen pro Tag entstanden. Praktischerweise lebte die Crew während dieser Zeit direkt auf Schloss Reinharz in Sachsen-Anhalt, das als Kulisse für die Geschichte dient.

Das Ergebnis lässt sich nun auf YouTube und in der App des öffentlich-rechtlichen Jugendangebots funk betrachten, das "Alles Liebe, Annette" vom MDR beigesteuert bekommt. Entsprechend jung ist daher auch die Zielgruppe: Gemacht ist die Produktion vor allem für 14- bis 20-Jährige, oder wie Yvonne Abele sagt: Für die "Generation Z". "Zur Generation Z gehören die nach 2000 Geborenen", erklärt sie, "junge Menschen also, die eine Diskette wirklich nur noch vom Speichersymbol kennen, deren Leben von Beginn an durch das Internet und die Möglichkeit weltweiter Kommunikation geprägt war. Eine Generation, die es gewohnt ist, sich mittels Internet auszudrücken und die unbekannte Masse des Internets als vertrauten Rückhalt nutzt."


Inhaltlich will die Serie genau daran anknüpfen. Ein öffentliches Video-Tagebuch, ein sogenanntes Vlog, ist der Kern der Geschichte rund um die Hauptfigur, für die sich Chefautorin Anne Toole und Produzent Michael Luda vom Leben der Annette von Droste-Hülshoff inspirieren ließen. Diese stand vor knapp 200 Jahren nämlich ebenso wie die besagte Serien-Annette zwischen zwei Männern. "Ihre Geschichte bringt einige zeitlose Faktoren mit, gleichzeitig erschien sie uns auch 2016 noch als Role Model interessant", betont Abele. "Denn Musik, unerfüllte Liebe, Betrug und der Weg zu sich selbst sind alles Themen, die auch nach 200 Jahren nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben."

All das spielt sich fortan wöchentlich mit drei Folgen pro Woche im Netz ab. "Das Internet ist tagesaktuell, deshalb müssen wir in der Geschichte möglichst zeitneutral erzählen", erklärt die Showrunnerin im Gespräch mit DWDL.de. Eine weitere Herausforderung bestand für die kleine Produktionsfirma Bastei Media aber auch darin, dass außer dem Produzenten bis dato noch niemand im Team mit genuinem Web-Content in Berührung kam. "Durch eigene Sehgewohnheiten und die Beschäftigung mit dem Markt war uns jedoch klar, dass wir eine gute Mischung aus klar abgeschlossenen Einheiten und einer packenden Horizontalen wählen müssen", so Abele. "Es bestand immer die Vereinbarung, dass wir das Web so ernst nehmen wie den Film oder das Fernsehen."

Alles Liebe, Annette© Alexander Brendel

Yvonne Abele (links) mit den Zwillingen Sophia & Jana Münster und der Hauptdarstellerin Barbara Prakopenka

Trotzdem ist es erklärtes Ziel, sich mit der funk-Serie klar vom altgedienten Fernsehen abzusetzen – aber auch von anderen Online-Sendungen, mit denen "Alles Liebe, Annette" konkurriert. "Wirft man einen Blick in bestehende fiktionale Web-Formate, unterscheiden sich diese inhaltlich kaum beziehungsweise nicht von gängigen Fernsehformaten. Eher sind die Folgen kürzer oder die Bildsprache ist beschränkter, inhaltlich wird meist jedoch genau so erzählt, wie es seit den 60er Jahren vor allem im seriellen Bereich getan wird", sagt Yvonne Abele. "Alles Liebe, Annette" sei dagegen vernetzter angelegt und beziehe die Social-Media-Plattformen für die Geschichten mit ein, was mit Blick auf TV-Formate wie "Berlin – Tag & Nacht" freilich dann doch nicht mehr ganz so neu ist.

Neben der Erstellung von 500 sendefähigen Minuten musste die Mannschaft während ihres Aufenthalts auf Schloss Reinharz zusätzlich noch weitere 100 bis 200 Minuten in Form von Outtakes, eigenständigen Videoclips und Fotos produzieren, um die Charaktere abseits der 15 wöchentlichen Serien-Minuten weiterspinnen zu können. Was davon erscheint, hängt jedoch nicht zuletzt davon ab, wie die Serie von den Zuschauern überhaupt angenommen wird. Auf die Frage, wann "Alles Liebe, Annette" als Erfolg gilt, antwortet Yvonne Abele vielsagend: "Wenn wir Zuschauer finden, die sich an der Entwicklung unserer Protagonistin erfreuen und sich mit ihr identifizieren können." Das letzte Wort hat also die Generation Z.