Herr Feiler, die UFA setzt auf eine neue Partnerschaft mit Microsoft, um künftig mehrere Arbeitsschritte in die Cloud zu verlagern. Was ist daran so revolutionär?

Um das zu verstehen, muss ich ausholen: Es gab im Fernsehgeschäft immer drei grundsätzlich verschiedene Arbeitsschritte, die jeweils von unterschiedlichen Experten verantwortet wurden: Produktion, Distribution und Archivierung. All diese waren völlig isoliert betrachtete Bereiche.

Und was hat sich verändert?

Was die Produktion betrifft, so ist Zelluloid tot. Wir sind digital geworden. Als nächstes wird es Veränderungen bei der Distribution – also beim Broadcasting – geben. Spätestens mit Ultra High Definition, kurz UHD, wird ein neues Zeitalter anbrechen. Genau wie beim Zelluloid wird sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren technisch hier sehr viel verändern, man kann also schon mal den Countdown zählen. Außerdem wird es bei der Archivierung große Fortschritte geben – auch diese wird in Kürze IT- bzw. IP-basiert sein, wie z.B. in der Azure-Cloud von Microsoft. Tapes oder andere Zwischenträger werden dann nicht mehr erforderlich. Damit ist zum ersten Mal die Voraussetzung geschaffen, dass alle drei Schritte, also Produktion, Distribution und Archivierung, digital synchronisiert werden können. Das spart viele Zwischenschritte und auch viele Kosten.

Aber ihre Fantasie endet an dieser Stelle noch nicht, entnehme ich ihrer Begeisterung für diese neue Lösung.

Richtig. Das Ganze fängt dann erst an, richtig Spaß zu machen, wenn z.B. auch noch Kameras direkt in die Cloud streamen können. Dann habe ich die Files also ohne Zwischenschritte direkt dort, wo ich sie haben möchte. Das wäre ideal. Es wird zwar noch ein bisschen dauern, aber das ist die richtige Richtung. Wir sehen bei der NAB Show, dass die Branche sich in ihren Bemühungen genau dorthin bewegt.

Nun ist die Digitalisierung an sich ja nicht neu, aber bislang war das oft noch Kraut und Rüben. Jeder ist das Thema auf seine Art und Weise angegangen…

Es war ein Horror, da man noch kein zentrales System hatte. Was haben wir uns mit der Transcodierung von Inhalten aufgehalten. In der Cloud ist die Codierung von Content ein Leichtes. Da spielen Formate keine Rolle mehr, da die Cloud flexibel ist. Mit UHD kommt jetzt allerdings etwas ganz Anderes auf den Tisch: das Thema Proxys, also komprimierte Dateien. Da es sich bei UHD um sehr große Files handelt, wird es schwierig, diese Datenmengen 1:1 vom Filmset in die Cloud zu bringen. Mit Proxys lässt sich dagegen viel einfacher arbeiten, zum Beispiel im Schnitt. Am Ende wird es einen zentralen kollaborativen Workflow geben. Das ist exakt das, was der Markt auch braucht.

Produziert die UFA denn schon in UHD? Vermutlich jetzt „Deutschland 86“ für Amazon, nehme ich an. Die können es ja auch nutzen dann…

Wir führen bereits Gespräche mit mehreren Partnern, darunter auch RTL und ZDF. Aber natürlich gibt es auch Anforderungen neuer Partner wie z.B. Amazon oder Netflix. Noch ist das alles eine Frage der gemeinsamen Standards, die bei der NAB Show diskutiert werden.

Konkret geht es also um die Frage einer Standardisierung von UHD mit High Dynamic Range (HDR)?

In vielen deutschen Wohnzimmern macht UHD eigentlich keinen Sinn, weil die Auflösung aus der Couch-Perspektive keinen wirklichen Mehrwert bietet. Der Mehrwert liegt in der High Dynamic Range (HDR) - also im Vergleich zu UHD nicht in einer größeren Anzahl von Pixeln wie bei UHD, sondern kontrastreicheren Pixeln, die für eine viel größere Bildqualität sorgen,

Die Verwirrung um UHD ist wirklich knifflig momentan. Und gefährlich, weil Konsumenten verunsichert werden. Wie einst um „HD ready“.

Das ist sogar sehr gefährlich, weil Erwartungen enttäuscht werden können. Wenn man z.B. Fußball in UHD schaut, hat man nur einen begrenzten Mehrwert. Ein Fußballspiel dagegen in HDR zu sehen, hat einen deutlichen Mehrwert. Es gibt allerdings noch gar keinen Ü-Wagen, der UHD und HDR überhaupt übertragen kann. Das geht bislang nur live on tape. Die NAB Show und ihre Aussteller haben gezeigt, wie sich diese Herausforderung meistern lässt. Ich würde mich freuen, wenn wir uns nicht so sehr mit UHD aufhalten, sondern HDR in den Mittelpunkt rücken.

UHD mit HDR bringt Broadcasting an seine Grenzen. Die linearen Sender können das ja noch gar nicht anbieten. Bislang bieten das in erster Linie SVoD-Angebote…

Natürlich ist die Realisierung von UHD über OTT, also IP-Streaming, einfacher. Allerdings bieten die Sender Programme ja bereits schon über ihre Mediatheken an und fast jeder Sender verfügt inzwischen über Apps, um das Programm entweder live oder auf Abruf zu verfolgen. Wenn in UHD produziert wurde, warum sollten nicht auch die Sender solche Programme über Apps ausliefern?

Das wäre pragmatisch gedacht. Aber der klassische Rundfunk müsste sich damit eingestehen, dass er technisch nicht mehr leisten kann, was über IP-Streaming schon heute möglich ist.

Eine wichtige Frage, die man sich stellen muss: Für welchen Inhalt ist UHD überhaupt gut? UHD ist kein neues HD. Es gibt ganz viele Sendungen und Formate, die brauchen auch die nächsten zehn Jahre kein UHD. Deswegen ist UHD aus meinem Blickwinkel ein Premium-Segment und nicht jeder muss S-Klasse fahren. Insofern stellt sich die Frage: Wer hat etwas von der S-Klasse? Das wird zum einen für hochwertige fiktionale Formate von Interesse sein. Zum anderen führen wir auch schon Gespräche mit Sendern über Samstagabendshows, die live on tape oder live to live in UHD produziert werden sollen.

Interessant.

Mit HDR schaffen wir noch einmal einen emotionalen wie erzählerischen Mehrwert. HDR ist nichts anderes als die Abschaffung der technischen Limitation, die aus den letzten 60-70 Jahren Fernseh- und Filmgeschichte gewachsen ist. Mit HDR kommen wir in die Nähe dessen, was das menschliche Auge wirklich sieht, was eine viel größere emotionale Nähe zu unseren Protagonisten schafft. Der Zuschauer hat dann sprichwörtlich keinen Fernseher mehr, sondern vielmehr ein „Fenster“, durch das er das Geschehen realitätsnah wahrnimmt. Diese Emotionalität ist der Hammer. Doch nicht jedes Format ist dafür passend.