Der WDR wagt den nächsten Befreiungsschlag rund um die Vorwürfe sexueller Belästigung und hat mit Monika Wulf-Mathies nun eine Frau engagiert, die prüfen soll, wie der Sender mit entsprechenden Vorwürfen in der Vergangenheit umgegangen ist (DWDL.de berichtete). Am Donnerstagnachmittag hat sich die ehemalige EU-Kommissarin und frühere Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) in Köln beim WDR vorgestellt und ihre Aufgabe, die sie ehrenamtlich übernimmt, umrissen. Dabei betonte Wulf-Mathies ihre "völlige Unabhängigkeit". Sie könne auf alles zugreifen und werde am Ende der Untersuchungen einen Prüfbericht vorlegen.

Wann mit diesem Bericht zu rechnen ist, könne sie jetzt aber noch nicht sagen. "Ich kenne nur einen Teil der Vorgänge, das sind komplexe Sachverhalte. Und ich habe auch ein Leben neben diesem WDR-Thema", sagte die unabhängige Prüferin am Donnerstag. Dennoch habe sie ein Interesse daran, die Vorgänge "zügig" zu prüfen. Sie wolle "schnell, aber sorgfältig" arbeiten, so Wulf-Mathies, die gleichzeitig betonte, man bewege sich auf einem "schmalen Grat" zwischen Solidarität mit den Opfern und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten.

Der WDR kam erst vor rund einer Woche, also rund zwei Wochen nach den ersten Vorwürfen sexueller Belästigung, auf sie zu. Ein Ergebnis nach dem Sommer wäre wünschenswert, sei aber nicht garantiert. Die bisherige MeToo-Debatte habe gezeigt, dass es für Frauen teilweise immer noch schwer sei, sich gegen subtile Diskriminierung zur Wehr zu setzen und sich Gehör zu verschaffen, so Wulf-Mathies, die betonte, sie habe "Null Toleranz" gegenüber sexueller Belästigung.

"Es tut mir leid um jeden einzelnen Fall."

WDR-Intendant Tom Buhrow

Sie wolle ein Klima schaffen, in dem sich Frauen ohne Ängste beschweren können. Man müsse sicherstellen, dass diese Beschwerden dann auch ernst genommen und mit "äußerster Akribie" untersucht werden – ganz egal gegen wen sie gerichtet seien. Zu einem "verlängerten Arm des Arbeitgebers" wolle sie aber nicht werden. Gerade erst hatte sich auch die WDR-Redakteursvertretung zu Wort gemeldet und kritisiert, dass im Haus ein Klima des Vertrauens fehle. Tom Buhrow kann diese Kritik nicht nachvollziehen. Er sagte am Donnerstag in Köln, er habe ein viel positiveres Gefühl, wenn es um das Betriebsklima gehe. "Ich habe nicht das Gefühl, dass die Mitarbeiter sich scheuen, der Geschäftsleitung auch unangenehme Dinge zu Gehör zu bringen."

Buhrow sagte außerdem, dass man das Thema der sexuellen Belästigung sehr ernst genommen habe. "Ich glaube nicht, dass derzeit grundsätzliche Defizite vorliegen", so der WDR-Intendant. Während seiner Amtszeit habe er alles getan, um Schutzinstrumente zu schaffen. Gleichzeitig räumte er Fehler ein. So habe es lange Zeit ein "Monopol der Vorgesetzten" gegeben und eine entsprechende Hierarchie, wie mit Hinweisen zu sexueller Belästigung umgegangen wurde. Dies habe man vor einigen Jahren mit der Einführung eines Interventionsausschusses behoben. Dieser sei losgelöst von den sonst geltenden Hierarchien. "Jeder einzelne Fall ist einer zu viel", sagte Buhrow. Natürlich wäre es besser gewesen, wenn es immer ein Klima im Haus gegeben hätte, bei dem sich Männer sowas nie getraut hätten. "Es tut mir leid um jeden einzelnen Fall."

Drei Anwaltskanzleien sind involviert

Monika Wulf-Mathies soll nun also für Aufklärung sorgen und mit ihr steigt auch die Zahl der involvierten Anwaltskanzleien. Die Kanzlei Pauly & Partner unterstützt sie bei ihrer Aufgabe und hat nichts mit dem WDR zu tun. Kritik am Sender wurde zuletzt auch laut, weil der WDR die Kanzlei Küttner bei der Aufklärung der Vorfälle um Hilfe bat, diese in der Vergangenheit aber schon für den WDR tätig war, etwa in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen mit Mitarbeitern. Um dieser Kritik etwas entgegenzusetzen, hat der WDR seinerseits nun eine zusätzliche Kanzlei (Ladenburger & Lörsch) mit der Aufklärung beauftragt. Buhrow selbst bezeichnet das als "Reparaturmaßnahme".

Er selbst habe persönlich nie Fälle von sexueller Belästigung mitbekommen, versichert Buhrow. Weder jetzt beim WDR, noch bei seinen früheren Tätigkeiten, etwa beim NDR. Jetzt gehe es um eine schnelle Aufklärung, so der WDR-Intendant. "Wir haben kein Interesse daran, zu verzögern." Gleichzeitig machte er noch einmal deutlich, dass man für eine konkrete Aufarbeitung und mögliche arbeitsrechtliche Schritte konkrete Hinweise benötige. Die meisten bislang, vor allem über die Medien eingegangenen Hinweise, seien jedoch anonym gewesen. Auch Journalisten, die mit mutmaßlichen Opfern reden, sollten diesen sagen, dass sie sich an die entsprechenden Stellen wenden könnten. "Es gibt nichts zu befürchten", so Buhrow. Nur bei konkreten Hinweisen könne man bei Bedarf auch disziplinarische Maßnahmen ergreifen.