Zum ersten Mal seit vielen Jahren war es nicht mehr der inzwischen zu WarnerMedia gewechselte Bob Greenblatt, der das NBC-Programm für die kommende Saison präsentierte, sondern seine Nachfolger George Cheeks und Paul Telegdy. Doch was sie den Werbekunden am Montag vermitteln wollen, ist trotzdem vor allem eines: Stabilität. Stabilität in Zeiten "seismischer Veränderungen" der Sehgewohnheiten. Mit denen sehen sich die werbefinanzierten Networks in den USA tatsächlich in besonders heftiger Weise konfrontiert. Die linearen Quoten befinden sich im freien Fall - und auch wenn man die zeitversetzte und digitale Nutzung mit einbezieht, dann sind in Zeiten mit einem immer ausufernderen Angebot an Serien die Quoten enorm rückläufig.

In diesen Zeiten also will NBC so etwas wie der Fels in der Brandung sein - gerade auch für Werbekunden, die vom Erfolg von Netflix oder Prime Video ja wenig haben, weil dort gar keine klassische Werbung läuft. Und auf den erste Blick schrieb NBC seine Erfolgsgeschichte der letzte Jahre ja tatsächlich erneut fort. Mit ziemlicher Sicherheit verteidigt man die Marktführung in der Zielgruppe der 18- bis 49-Jährigen und muss sich beim Gesamtpublikum nur CBS geschlagen geben. Mit "Manifest" und "New Amsterdam" kamen die in der Zielgruppe quotenstärksten Dramaserien-Neustarts von NBC. Mit "This is us" läuft die allgemein bei den 18- bis 49-Jährigen erfolgreichste Network-Serie bei NBC - die man im Überschwang nun gleich auf einen Schlag um drei (!!) weitere Staffeln verlängerte.

Alles also weiterhin in bester Ordnung? Nun, der Erfolg hat schon erhebliche Kratzer abbekommen. Der Zielgruppen-Sieg fiel diesmal denkbar knapp aus, CBS und Fox lauern mit minimalem Rückstand dahinter. "This is us" hat von ihrem Ausnahme-Erfolg der vergangenen beiden Jahre viel eingebüßt. Und insbesondere das Rückgrat des Senders, die Castingshow "The Voice", zeigt nach mittlerweile 16 Staffeln ernsthafte Verschleißerscheinungen und fiel zuletzt sogar hinter das zwischenzeitlich schon abgesetzte und bei ABC wiederbelebte "Idol" zurück, obwohl auch da die Quoten deutlich rückläufig waren. Die oben erwähnten erfolgreichsten Dramaserien-Neustarts "Manifest" und "New Amsterdam" verdanken ihre hohen Durchschnitts-Quoten vor allem einem starken Herbst und der Vorlage durch "The Voice" und "This is us". Im Lauf der Staffeln ließen die Quoten hingegen bereits rapide nach.

Es ist also eigentlich nicht so, dass NBC sich in aller Ruhe zurücklehnen könnte - insofern ist der Zusatz "Stabilität ohne Selbstzufriedenheit", den Telegdy und Cheeks anführten, dringend anzuraten. Der Faktor Stabilität zeigt sich vor allem darin, dass man im Herbst nur an zwei Abenden überhaupt Veränderungen vornimmt und im September mit gerade mal einer einzigen neuen Dramaserie in die Saison startet. Dabei handelt es sich um "Bluff City Law", die den Sendeplatz montags nach "The Voice" bekommt - trotz des Quotenrückgangs der Castingshow noch immer der beste Startplatz für eine neue Serie im NBC-Programm. Bei der Serie handelt es sich um einen Mix aus Anwaltsserie und Familiendrama (genauere Beschreibungen der neuen Serien finden Sie auf Seite 2 dieses Artikels). Damit geht man deutlich stärker auf Nummer Sicher als im letzten Jahr, als man dort mit "Manifest" auf High Concept gesetzt hatte. "Manifest" soll nach dem Quotenrückgang im Lauf der ersten Staffel übrigens auch weiterhin von "The Voice" profitieren, muss sich mit dem Einsatz aber bis zur Mid-Season Anfang 2020 gedulden. Ansonsten bleibt es dienstags beim Zusammenspiel aus "This is us" und "New Amsterdam", der Mittwoch bleibt dem Chicago-Block vorbehalten, freitags setzt man auf "The Blacklist", sonntags ist ohnehin im Herbst traditionell für Football reserviert.

Mehr Bewegung ist da schon im Comedy-Bereich drin, der von Telegdy und Cheeks als "Herzstück von NBC" bezeichnet wurde. Wenn das so ist, dann leidet NBC aber an Herzschwäche - denn in den vergangenen Jahren feierte man zwar durchaus manchen Kritiker-Erfolg und heimste auch für die Rettung von "Brooklyn Nine-Nine" Lob der Fans ein - doch große Quotenerfolge wollten sich nicht einstellen, vor allem was die klassische Ausstrahlung angeht. Daher fällt diesmal auch auf, dass man den Blick stärker als in den letzten Jahren wieder über den Tellerrand des eigenen Produktionsstudios hinaus richtete und auch mal wieder anderswo einkaufte. In Zeiten der "Vertical Integration" war das zuletzt ja allgemein aus der Mode gekommen. Nun darf aber immerhin Sony die Sitcom "Indebted" produzieren, wo "Die Nanny" Fran Drescher ihr Seriencomeback feiert (was allerdings erst zur Mid-Season kommt), von 20th Century Fox (also letztlich Disney) stammt "Perfect Harmony", eine Chor-Comedy. Sie soll gemeinsam mit "Sunnyside" mit Kal Penn als abgestürztem Ex-Politiker, der nun eine Gruppe von Idealisten zur amerikanischen Staatsbürgerschaft verhelfen soll, sowie den etablierten Serien "Superstore" und "The Good Place" den weiterhin zweistündigen Comedy-Block am Donnerstagabend stärken.

Mehr als drei neue Serien gibt's im Herbst zunächst also nicht, obwohl man trotzdem immerhin acht neue Produktionen bestellt hat. Das will man aber nicht als Abwertung der anderen Neulinge verstanden wissen. Die Zeit, in der die Networks im Herbst im Dutzend ihre neue Ware gleichzeitig in den Ring warfen, sind tatsächlich schon länger vorbei. Vor allem aber ist es auch Kalkül,mit Bewährtem im besonders reichweitenstarken Herbst die Werbe-Dollars abzugreifen. Unter den für die Mid-Season zurückgehaltenen Serien findet sich mit "Zoey's Extraordinary Playlist" eine fröhliche Musik-Serie (die gemeinsam mit "Little Big Shots" und "Good Girls" nach der Football-Saison die Frauen am Sonntagabend gewinnen soll) ebenso wie "Lincoln", die Serien-Umsetzung des "Knochenjäger"-Films. Im Comedy-Bereich wartet noch eine eigene Serie für "Saturday Night Live"-Star Kenan Thompson.

All das klingt nun allerdings nicht danach, als hätte NBC da irgendwo den nächsten Serien-Hit in petto, wie es zuletzt mit dem Start von "This is us" gelang. "Etwas langweilig" ist daher auch die wohl am häufigsten zu lesende erste Einschätzung nach der Vorstellung der Pläne für den Herbst. Ob das reicht, die Marktführerschaft nochmal um ein weiteres Jahr zu verlängern, erscheint daher durchaus fraglich. Und insbesondere, wenn "The Voice" weiter an Zugkraft verlieren sollte, ist im kommenden Jahr eine grundlegendere Erneuerung des Programms dringend angezeigt.

  Mo Di Mi Do Fr So
20:00 The Voice
The Voice
Chicago Med
Superstore
The Blacklist
Football
20:30 Perfect Harmony
21:00 This is us
Chicago Fire
The Good Place

Dateline NBC
21:30 Sunnyside
22:00 Bluff City Law
New Amsterdam
Chicago P.D. Law & Order: SVU

(Erst im Lauf der Season: "Blindspot", "Brooklyn Nine-Nine", "Council of Dads", "Good Girls", "Indebted, "Lincoln", "Manifest", "The Kenan Show", "Will & Grace", "Zoey's Extraordinary Playlist", )

Abgesetzt oder beendet wurden: "I feel bad", "Midnight, Texas"

Noch keine Entscheidung ist gefallen bei "Abby’s", "A.P. Bio", "The Enemy Within", "The InBetween", "The Titan Games" und "The Village".

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