Dass sich ein Gespräch mit ausgerechnet diesem Mann immer wieder nach Therapie anfühlt, ist dann doch ein bisschen überraschend. Seit 1996 ist Markus Koch für die Deutschen mit seinen Berichten von der New Yorker Wall Street eines der bekanntesten Fernsehgesichter zum Thema Geldanlage. Sollte da ein Interview nicht vielleicht immer wieder Einblicke über Renditen liefern, eine Einschätzung zu Bitcoin-Trends und eine Antwort auf die immergültige Frage: "Was sollte man jetzt am besten mit dem eigenen Geld machen?" Mitnichten.

In den großzügig ausufernden zwei Stunden Interview-Gespräch im neu und gemütlich eingerichteten Studio im tiefsten Brooklyn geht es immer wieder um Emotionen und letztlich um die Frage, woher eigentlich unser Verhältnis zu Geld kommt. "Börse hat immer eine psychologische Komponente", sagt Koch. "Es geht darum, sich selbst kennenzulernen – die Macht, die Geld über einen hat, die liegt bei einem selbst." 

Finanziell schmerzliche Fehler würden denjenigen passieren, die zu wenig über ihre Emotionen wissen, findet er. "Man muss lernen, in sich selbst hereinzuhorchen", sagt Koch und zeigt auf das Studio um sich. Dort sieht es tatsächlich nicht aus, wie in einem Nachrichtenstudio über den Finanzmarkt. Stattdessen prangt Graffiti an den Wänden, der gesamte Aufbau sei mit den Leuten entstanden, die auch die Bühne für das Hit-Musical "Hamilton" gebaut hätten, sagt er.

Ein Studio in Brooklyn als "Job-Mancave"

In einer Ecke steht ein BMW Isetta Bubble-Window, Baujahr 1956 – ein Auto, das ausschaut, als hätte es Jahrzehnte später den bonbonbunten runden Mac von Apple inspiriert. Auf dem Interview-Tisch liegt ein riesiger Plüschhund. "Den haben wir selbst entwickelt, zusammen mit einem der Puppenspieler, der viele Jahre die Puppe von Käpt‘n Blaubär gespielt hat", erklärt Koch. "Der Hund ist ein erfahrener Investor, der sich über das finanzielle Treiben der Menschen lustig macht." Die Umgebung wirkt also heimelig, aber ist das wirklich nötig? Koch nickt entschieden.

Markus Koch © Alyssa Ringler
"Ich habe mir hier eine Job-Mancave gebaut", verweist er auf die oft ausufernd eingerichteten Kellerräume mit allerlei Gadgets, die in US-Einrichtungsshows so beliebt sind. "Ausgangsfrage für das Studio war: Warum nicht über Geld in einem einladenden Umfeld sprechen?", erklärt er – und da ist dann auch wieder die Emotion. "Geld und Geldanlage, das sind Themen, die verängstigen die Leute. Das kommt oft im TV sehr kühl rüber, wenn da ein Aktionär im Anzug in einem sterilen Studio die Welt erklärt."

Und in diesem Studio sieht Koch sich auch nicht nur als Journalist. "Vom Herzen bin ich immer noch Börsianer, das war seit dem 16. Lebensjahr mein Motor und ist meine Freude – ich darf über Börse reden und das wird irgendwie ausgestrahlt und bezahlt."

Früh hat er dieses Interesse zu Geld machen können: 1992 ging er mit Anfang zwanzig nach New York, zunächst für eine Fondsgesellschaft, dann aber kam 1996 die Erlaubnis, als erst zweite Person überhaupt auf das Handelsparkett der Börse zu dürfen, um live von dort zu berichten, zunächst für ntv, mitten hinein in den von Manfred Krug und Co. angefeuerten Aktienoptimismus der späten 90er-Jahre, der sogar Koch 1997 bis auf den Besuchssessel bei Harald Schmidt brachte. 

Zwischen Börsianern inmitten der Weltgeschichte

Danach folgten alle paar Jahre weltweite Großereignisse, bei denen die Vereinigten Staaten im Zentrum standen. Koch hat von New York aus den Optimismus im Dotcom-Boom genauso erklärt wie den führen Niedergang von vielen dieser ersten Internet-Unternehmen. "Das Platzen dieser Tech-Bubble-Blase war so ein Moment, da wusste man: Das Spiel ist aus", sagt er heute dazu – es sei eben Unschuld verloren gegangen.

Kurz darauf läuteten die Terroranschläge auf das World Trade Center eine weitere gravierende Veränderung der Weltgeschichte ein – nur wenige Blöcke von der Wall Street entfernt. "Der 11. September war für mich im Umgang mit der Börse eine Zäsur. Bis dahin ging es schon stark darum, viel Geld zu verdienen. Dann aber eine große Zeit der Ungewissheit zu haben, das hat auch meine Denkweise sehr stark verändert, dahingehend auch persönlich nicht mehr überall dabei sein zu müssen."

Das hier ist keine Stadt, in der du einfach nur rumlungerst.
Markus Koch


Der Börsenhype in den USA nahm nach 9/11 aber nur kurz eine Auszeit, das Auf und Ab nahm kein Ende. Stattdessen folgte auf den Immobilienboom Mitte der 00er-Jahre Ende des Jahrzehnts eine große Bankenkrise. "Die Weltfinanzkrise war ein weiterer Wendepunkt, zusammen mit dieser sehr starken Suche nach den Schuldigen."

Die Banken wurden in der Folge halbherzig reguliert, einige Jahre später wurde New York das nächste Mal totgesagt, aber Koch blieb auch in den Corona-Turbulenzen in der Stadt. Ganz aktuell steht er schon wieder an der Schwelle einer möglichen Megakrise mit kriselnden Banken – und das, obwohl beispielsweise Fundamentaldaten wie die Arbeitsmärkte recht stabil ausschauen. "Selbst für jemanden, der seit 1992 an der Börse ist, ist die aktuelle Situation eine Herausforderung. Aktuell blickt keiner durch", sagt er. 

Und heute? Koch auf vielen Kanälen

So sehr wie sich in all diesen Jahren die Börse immer wieder gewandelt hat, hat auch Koch immer wieder neue Kanäle für seine Inhalte gefunden. Die Bedeutung des linearen Fernsehens ist längst stark zurückgegangen, aber das einstige ntv-Sendergesicht und sein Team wirken beschäftigter als je zuvor. Da sind die YouTube-Fernsehaufnahmen aus dem Studio mit zwischengeschalteter Werbung zur Monetarisierung, da ist ein Podcast, der laut Koch auf 20.000 bis 25.000 Downloads täglich kommt und unter dem Handelsblatt-Label läuft, da sind die Schweizer Bank Swissquote mit Anlegerschwerpunkt und die Finanzmanager von DJE Kapital als Partner, für die Koch auf die US-Märkte blickt. Hinzukommt noch ein eigener Premium-Newsletter für knapp 20 Euro im Monat mit eigener Community, gebildet aus 64.000 Instagram-Followern und mehr als 130.000 YouTube-Abonnenten – über alle Kanäle hinweg komme er auf 1,7 Millionen Follower, heißt es auf Kochs Webseite.

Markus Koch © Alyssa Ringler
Allein diese Aufzählung an Formaten würde so manchen 20-Jährigen ermüden. Wie geht das erst einem Mann in den 50ern? "Ich weiß das eigentlich nicht, dass ich 52 Jahre alt bin", sagt Koch. "Ich fühle mich wie im Candy Store und will einfach immer weiter Neues ausprobieren." Im Laufe der Jahre sei gerade diese Lust am Spielerischen – da ist sie schon wieder, die nächste Emotion im Gespräch – immer wichtiger geworden. "Ich will an dem, was ich tue Freude haben und nicht diese Pflicht spüren: Jetzt musst Du noch dieses zusätzliche Ding machen, damit der Laden weiterläuft – Gottseidank ist die Community groß genug, dass wir das machen können." Und diese Community schätze es eben auch, dass da anders als bei den Bitcoin-Auskennern, die auf YouTube schnellen Reichtum versprechen, mal sage: "Ich weiß es nicht."

Vielleicht ist diese kindliche Lust am Ausprobieren dann aber doch auch eines der deutlichsten Zeichen dafür, dass Koch gut in diese Welthauptstadt der Selbstaktualisierung passt. "Das hier ist keine Stadt, in der du einfach nur rumlungerst", sagt er als knappes New-York-Fazit. "Du brillierst hier nicht durch deinen Außenauftritt, sondern durch das, was du wirklich zu sagen hast."

Schnell bemüht er sich aber um Ausgewogenheit. "Diese Meinungen zu den USA gegen Deutschland, die müssen eigentlich immer so formuliert sein, dass sie das andere nicht minimieren." Auch in der alten Heimat habe sich die Stimmung auch im Medienbereich verändert, findet er. "Auch in Deutschland gäbe es sehr viele Menschen, die mir die Art Innovation erlauben würden, an der ich interessiert bin."

Dann wird das Gespräch aber doch noch einmal ruhiger und Koch bekennt, sich auch ohne US-Staatsbürgerschaft in der Wahlheimat wohlzufühlen mit internationaler Ehe mit einer Peruanerin und einer zehnjährigen Tochter. Gesundheitssystem, Infrastruktur abseits der Großstädte, der ständige große ökonomische Druck, das seien am Ende eben doch alles Gründe, die gegen eine US-Staatsbürgerschaft von Herzen sprächen.

Wie viel Macht hat jemand in solch einer Rolle?

So bleibt das Bild eines Menschen, der sich am Ende zwischen den Welten sehr wohl fühlt und dabei eine Mission hat. "Ich bin erstaunt, wie viele Leute mich in Deutschland immer noch ansprechen und ich glaube schon, dass man einen gewissen Einfluss hat", sagt er, auch noch einmal zum Umgang mit dem aktuellen Bankenbeben. "Ich kann aber nur helfen, Meinungen zu reflektieren. Am Ende müssen die Leute ihre Entscheidungen selbst treffen."

"Mein Job ist nicht, andere zu bekehren, das war in jungen Jahren mein Fehler. Geld ist nie der Nabel der Welt, es gibt immer auch andere wichtige Themen. Aber wenn du dich mit etwas beschäftigst, dann brauchst du es nicht mehr so sehr fürchten. Das gilt auch für Geldanlage", gibt Koch noch eine dieser quasi-therapeutischen Erkenntnisse zum Besten. Schließlich setzt er zur vielleicht ultimativen Gelassenheits-Einsicht an: "Die Welt geht echt selten unter."