Die in den frühen 60ern in der Werbeagentur "Sterling Cooper" - bzw. inzwischen "Sterling Cooper Draper Pryce" spielende Serie "Mad Men" hat das Fernsehen in den letzten Jahren zweifellos geprägt. Sie beschwor eine ganze Reihe an Retro-Serien, die in der Vergangenheit spielen zurück - doch kaum eine nahm sich so viel Zeit, die damalige Zeit, die Gesellschaft, die Lebensstile so detailgenau nachzuzeichen. Und keine andere schaffte es so sehr, die Herzen der Kritiker zu erobern. Das zeigt sich auch in der schon jetzt überaus beeindruckenden Emmy-Bilanz der Serie.

Schon im ersten Jahr 2008 schrieb "Mad Men" Geschichte, als sie als erste Serie eines Basic Cable Senders - in diesem Fall AMC - als beste Serie bei den Primetime Emmy Awards ausgezeichnet wurde. Und seitdem war ihr dieser Titel nicht mehr zu nehmen. Vier mal in Folge war "Mad Men" für die Academy-Mitglieder die beste Serie des Jahres - ein Kunststück, das zuvor nur "Hill Street Blues" in den frühen 80ern sowie "The West Wing" in den Jahren 2000 bis 2003 gelungen war. In diesem Jahr könnte die Serie nun auch diese Serien hinter sich lassen und allein in den Emmy-Olymp einziehen. Fünf Emmys als beste Serie - das schaffte bislang noch niemand.

Und doch meinen manche, ein leichtes Abkühlen der Begeisterung der Emmy-Juroren festzustellen. Auch im vergangenen Jahr holte "Mad Men" den Sieg als beste Serie - doch ansonsten gab es trotz insgesamt 19 Nominierungen nur einen weiteren Emmy, insgesamt stahl "Mad Men" im Serien-Bereich "Boardwalk Empire" mit gleich acht Nominierungen ein wenig die Schau. Und "Boardwalk Empire" gehört auch zu den Serien, die durchaus keine schlechten Chancen haben, in diesem Jahr den Siegeszug von Don Draper & Co. zu unterbrechen.

Wie "Mad Men" spielt auch "Boardwalk Empire" in der Vergangenheit, genauer gesagt im Atlantic City der 1920er Jahre, also während der Zeit der Prohibition, in der der Handel mit Alkohol in den USA verboten war. Im Mittelpunkt steht der korrupte Politiker und Gangster Enoch "Nucky" Thompson, gespielt von Steve Buscemi, der Atlantic City während dieser Zeit kontrollierte. "Boardwalk Empire" ist dabei vor allem der Hoffnungsträger des erfolgsverwöhnten Pay-TV-Senders HBO. Dass man nun vier Jahre in Folge ausgerechnet gegen einen anfangs eher belächelten Sender wie AMC, der mit "Mad Men" überhaupt erst richtig in die Serienproduktion eingestiegen ist, den Vortritt lassen musste, dürfte man dort mit zunehmendem Unmut sehen.

Zumal AMC mit "Breaking Bad" noch einen zweiten heißen Anwärter auf den Titel der besten Serie im Rennen hat. Auch 2009 und 2010 war "Breaking Bad" schon als beste Serie nominiert, zog aber wie erwähnt gegen "Mad Men" stets den Kürzeren. Im vergangenen Jahr gab es dann eine Emmy-Pause, weil die Serie aufgrund von einer kleinen Neuordnung im AMC-Programm über ein Jahr pausiert hatte. Während bei AMC nun gerade die erste Hälfte der fünften und zugleich letzten Staffel der Serie über einen an Lungenkrebs erkrankten Lehrer, der zum Drogenkönig aufsteigt, um seine Familie finanziell abzusichern. Während andere Serien mit aufwändigen Kulissen und spektakulären Szenen daherkommen, lebt "Breaking Bad" als Kontrapunkt eher von den leisen Szenen, wirkt bisweilen gar fast wie ein Kammerspiel. Bryan Cranston hat die Jury damit schon drei Mal überzeugt: 2008 bis 2010 gewann er stets als bester Hauptdarsteller.

Schon deutlich bildgewaltiger und fantastischer kommt da der zweite Kandidat aus dem Hause HBO daher: "Game of Thrones". Mit der Fantasy-Serie hat es HBO mal wieder geschafft, in der breiten Masse zum Gesprächsthema zu werden, und das weit über die USA hinaus. In der Serie kämpfen zwei Dynastien um die Vorherrschaft und um den Eisernen Thron, der allein das Überleben im Winter sichern kann, der wie alle Jahreszeiten dort Jahrzehnte dauern kann. So groß die Begeisterung bei vielen Zuschauern ist: Die Academy-Mitglieder sind nicht als die größten Fantasy-Fans bekannt. Ein Sieg käme hier daher schon durchaus überraschend.

Einziger kompletter Neuling in der Runde ist "Homeland" von Showtime. Bei den Critic's Choice Television Awards konnte "Homeland" vor einigen Wochen bereits den Preis als beste Drama-Serie gewinnen, nun schickt man sich an, auch die deutlich prestigeträchtigeren Emmys zu entern. Ein Marine, der aus der Gefangenschaft bei Terroristen befreit wurde, kehrt darin in die USA zurück und wird zunächst als Held verehrt. Nur eine unkonvetionelle CIA-Agentin befürchtet, dass er inzwischen als Schläfer für al-Quaida arbeitet. Den Status als bester Serien-Neustart hätte "Homeland" wohl sicher. Doch ob es auch reicht, um gegen die alteingesessenen Favoriten anzukommen?

Und dann wäre da "Downton Abbey" und die Frage: Gönnen die Academy-Mitglieder einer vorrangig britischen Produktion den Sieg in der Königskategorie? Den Preis als beste Miniserie gewann die opulente Kostmüserie "Downton Abbey" im vergangenen Jahr bereits, doch in diesem Jahr wäre ein Sieg nochmal eine Hausnummer größer. Spannend wird diese Entscheidung auf jeden Fall.