Es ist gerade mal drei Jahre her, als man sich die Frage stellte: Kann eine Produktion wie "House of Cards" eigentlich mit einem Emmy ausgezeichnet werden? Schließlich lief sie ja gar nicht während der Primetime (was laut Definition der Academy zwischen 18 Uhr abends und 2 Uhr nachts ist) im Fernsehen, sondern nur auf Abruf bei Netflix. Kurz gesagt: Sie durfte, weil man schon 2008 die Fernseh-Definition so erweitert hatte, dass auch rein im Internet gestreamte Sendungen Emmy-tauglich sind. Mit "House of Cards", "Arrested Development" und "Hemlock Grove" schafften es damals drei Produktionen als "Exoten" auf die Nominiertenliste.

Damals hat mancher die neue Konkurrenz noch eher belächelt. Doch inzwischen ist Netflix zu einem harten Gegner geworden - was sich schon beim Blick auf die reinen Zahlen nachvollziehen lässt. Netflix heimste mit seinen Produktionen in diesem Jahr insgesamt 54 Nominierungen ein, das waren fast 60 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Überhaupt nur zwei klassische TV-Anbieter konnten mehr Nominierungen auf sich vereinen: Dauer-Emmy-Liebling HBO (94) und FX Networks (54).

Doch dass HBO sich in einer kleinen Kreativ-Krise befindet, zeigt schon die Entwicklung: So wenige Emmy-Nominierungen gab es schon lange nicht mehr, im Vorjahr waren es mit 126 Nennungen noch ungleich mehr. Und FX hat die hohe Zahl vor allem seiner Dominanz im Bereich der Limited Series zu verdanken: Auf "The People v. O.J. Simpson: American Crime Story" und "Fargo" entfallen zusammen gleich 40 der Nominierungen. Bei Netflix hingegen ist es vor allem die Breite des nominierungswürdigen Angebots, das dann doch staunen lässt: Gleich 17 verschiedene Produktionen, die von Netflix in Auftrag gegeben wurden, finden sich auf dem Nominiertenzettel wieder.

Das Flaggschiff ist zwar noch immer "House of Cards", das in diesem Jahr erneut 13 Mal nominiert ist. Doch ansonsten verteilen sich die vielen Nominierungen auf unterschiedlichste Genres. Da finden sich Comedyserien wie "Unbreakable Kimmy Schmidt" oder "Master of None" neben epischen Dramen wie wie "Bloodline" oder "Narcos", Marvel-Serien wie "Daredevil" oder "Jessica Jones" auch Dokumentarisches wie "Making a Murderer" oder "What happened Miss Simone" und "Chef's Table" oder Bühnenprogramme wie das von Patton Oswalt oder John Mulaney. Trotz des zeitunabhängigen VoD-Modells hat sich Netflix sogar an ein Weihnachtsspecial wie "A Very Murray Christmas" gewagt und wurde selbst dafür bedacht. Dass "Orange is the New Black" etwas in Ungnade gefallen ist und nur noch eine einzige Nominierung einsammeln konnte, fällt da kaum noch ins Gewicht.

Wenn es die klassischen Sender bislang noch nicht begriffen haben, dann könnte der Blick auf die Breite der Emmy-Nominierungen für den Dienst sie spätestens jetzt nochmal drauf schubsen: Netflix mausert sich zunehmend zu einem Angebot, das fast die gesamte Bandbreite an TV-Unterhaltung bietet und das längst nicht nur von einigen wenigen Leuchtturm-Produktionen lebt.

Im Vergleich dazu steht Amazon mit seinem VoD-Dienst was die Emmy-Aufmerksamkeit angeht noch am Anfang. Hier kann man sich vor allem auf seine Aushängeschild-Produktion "Transparent" verlassen, die zehn von insgesamt 16 Nominierungen beisteuerte. Daneben finden sich nur "The Man in the High Castle", "Catastrophe" und "Mozart in the Jungle" auf den Nominierten-Zettel. Man darf gespannt sein, ob Amazon diesen Rückstand auf Netflix irgendwann nochmal schließen kann.