Hulu sei Dank: der Streaming-Markt bleibt in Bewegung

Im Streaming-Markt verschärft sich dafür der Wettbewerb, auch bei den Emmys. Mit insgesamt 20 Emmys ist Netflix zwar auf dem zweiten Platz des Network-Rankings und vermeintlich stark unterwegs, doch 16 Preise davon gab es bei den Creative Arts Emmys. In den Königskategorien während der TV-Gala war die Ausbeute des Streamingdienstes überraschend mau. So mau, dass Konkurrent Hulu allein dank fünf Auszeichnungen für eine Produktion („The Handmaid’s Tale“) in der TV-Gala an Netflix vorbeizog. Bei den Creative Arts Emmys gab es schon drei Preise für die Hulu-Serie, so dass sie zusammen mit der HBO-Serie „Big Little Lies“ auf insgesamt acht Emmys kommt. Nur „Saturday Night Live“ mit NBC holte insgesamt noch einen mehr. Netflix’ „Stranger Things“ konnte nur bei den Creative Arts-Emmys mit fünf Auszeichnungen abräumen.



Bitter: „House of Cards“ gewann nur einen einzigen Emmy, „Unbreakable Kimmy Schmidt“ gar keinen. „The Crown“ kam trotz 13 Nominierungen nur auf drei Priese. „Master of None“ bei acht Nominierungen auf zwei Auszeichnungen. Tröstlich für Netflix: Immerhin holte man 10x so viele Auszeichnungen wie Amazon, die aufgrund der schwachen Nominierungslage auch gleich vorsorglich ihre Emmy-Party für dieses Jahr gestrichen hatten. Hulu hat vorsorglich eine Party organisiert und konnte sich - trotz insgesamt weniger Emmys - nach der TV-Gala als Sieger im Streaming-Dreikampf des US-Markts fühlen. Die Emmys sind damit auch ein Katalysator für den Wettbewerb der drei: Amazon braucht neue Impulse in der Fiction und endlich einen Mainstream-Hit neben „Transparent“. Hulu dürfte Blut geleckt haben und Netflix bleibt Platzhirsch, aber hat bei den Emmys einmal mehr gelernt: Budget allein gewinnt noch keine Preise.

Die große Bühne auch für vermeintlich kleine Handwerke

Zum ersten Mal hat DWDL.de in diesem Jahr auch ausführlich von den Creative Arts Emmys berichtet. Diese Verleihung besteht genau genommen aus zwei Verleihungen, die am Wochenende vor der bekannten TV-Gala veranstaltet werden und den kreativen Gewerken des Fernsehens die große Bühne des Microsoft Theater bieten, auf der auch die Primetime Emmys verliehen werden. Das Bühnenbild ist etwas kleiner, der rote Teppich etwas kürzer und die Aftershow-Partys etwas weniger dekadent. Aber: Die Television Academy ermöglicht so auch Kreativen eine Würdigung, die in Deutschland nie einen Preis bekommen könnten. Vom besten Serienintro, dem besten Serien-Titelsong bis zu MakeUp und Hairstyling sind die Kategorien mitunter sehr speziell, aber aufgrund der Größe des Marktes und Vielfalt der Produktionen angesichts der Nominierten völlig berechtigt.

Es ist eine Wohltat zu sehen, wie die Television Academy auf diese Art und Weise ein umfassendes Bild des US-Fernsehens abbildet. Man schafft damit den angeblich unlösbaren Spagat eines Fernsehpreises, der einerseits durch Vollständigkeit von der Branche akzeptiert wird und andererseits mit den fürs Publikum interessanten Kategorien eine möglichst kurzweilige TV-Gala ermöglicht. Diese Herausforderung versucht der Deutsche Fernsehpreis auch seit Jahren zu meistern und hat sich für den Rückzug aus dem Fernsehen entschieden, um als Branchenpreis zu überleben. Leider ist das nicht konsequent umgesetzt worden, weil mit dem Abschied aus der Fernsehausstrahlung auch eine Berücksichtigung der Gewerke abseits des Fiktionalen denkbar gewesen wäre. Doch leider ehrt der Deutsche Fernsehpreis Kamera, Buch, Regie, Musik und Co. ausschließlich bei Serien und Filmen. Auf dem non-fiktionalen Auge bleibt man blind.

Eine Wohltat: Die Wertschätzung der Emmys und des Fernsehens

Der Rückzug des Deutschen Fernsehpreises aus dem eigenen Medium ist gefährlich, weil sie der Preisverleihung raubt, was eine Ehrung ausmacht: Publikum. Der Wert eines Preises speist sich aus zwei Quellen: Der zugrunde liegenden Entscheidungsfindung und der Wahrnehmung der Auszeichnung. Letztere schwindet rund um den deutschen Fernsehpreis, aber war auch in den Jahren seiner TV-Ausstrahlung erschreckend gering. Blickt man am Tag nach den Emmys in amerikanische aber auch z.b. britische Tageszeitungen, so sind die Emmys - gerade bei so viel gesellschaftspolitischer Relevanz - mehrfach Titelthema, die Aufbereitung oft sogar mehrteilig. Red Carpet, die Liste der Gewinner und die politischen und branchenspezifischen Signale der Preisverleihung - es gibt so viele Ansatzpunkte. Dass sich deutsche Zeitungen trotz gelegentlicher Stücke über das „Golden Age of Television“ kaum den Emmys widmen, ist schade, aber noch nachvollziehbar und weniger bedeutend.

Tragischer ist, dass es der Deutsche Fernsehpreis selbst zu seinen besten Zeiten am nächsten Tag nicht auf die Titelseiten deutscher Zeitungen geschafft. Nur einmal gelang das - als Marcel-Reich Ranicki überraschend auf unverschämte Art und Weise den Ehrenpreis des Deutschen Fernsehpreis ablehnte. Doch abseits von Aufregern und Red Carpet-Bildern pflegt der deutsche Journalismus eine Abneigung gegenüber dem Medium Fernsehen, ganz so als sei der von  Feuilleton-Liebling Harald Schmidt einst geprägte Ausdruck des Unterschichtenfernsehens eine Arbeitsanweisung, eine Kreativbranche zu verachten. Denn natürlich gibt es genüg Müll im Fernsehen - in den USA wie bei uns. Aber gerade deswegen gilt es, die herausragenden Leistungen zu würdigen und fördern. Zu sehen, wie das in den USA gelingt, ist eine Wohltat und ein Wunsch, den man mit nach Hause nimmt.