Wer gerade noch auf der Bühne von der anwesenden Branche mal mehr, mal weniger euphorisch zum Gewinn eines Primetime Emmys bejubelt wurde, bekommt die goldene Trophäe hinter den Kulissen gleich wieder abgenommen. Durch den Hinterausgang geht es raus, dann führt der "Winners Walk" am Parkhaus des Microsoft Theaters vorbei ins benachbarte Ritz Carlton Hotel, dessen Ballsaal und Konferenzbereich, der in letzten Jahren vor der Corona-Pandemie als Media Center der Primetime Emmys diente.



Dort erst bekommen die Gewinner ihren persönlichen Emmy, was der Ordnung halber quittiert werden muss. Nach der geleisteten Unterschrift ist man von einer Aftershowparty aber noch ein gutes Stück entfernt. Was folgt ist ein medialer Marathon, den fast alle Emmy-Gewinner des Abends tapfer abarbeiten. Der rote Teppich vor der Verleihung war schließlich nur das WarmUp, sozusagen. Wir haben im letzten Emmy-Jahr vor der Pandemie Tony Shalhoub und Alex Borstein, die beide für ihre Nebenrollen in Amazons "The Marvelous Mrs. Maisel" ausgezeichnet wurden, dabei mit der Kamera begleitet.

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Bedient werden will das Interesse der Television Academy als Gastgeberin, der wild gestikulierenden Fotografen im Photo Room, der anwesenden Journalisten im Press Room sowie einem weiteren dutzend TV-Sender, die gleich ein eigenes Studio-Set am "Winners Walk" errichtet haben und vor der Quadratur des Kreises stehen, wenn sie ihre gerade mit einem Emmy ausgezeichneten Gästen nicht mit den exakt gleichen Fragen langweilen wollen, die zuvor schon x-fach gestellt wurden.

In Zeiten, in denen aus einer unglücklichen Momentaufnahme schnell ein Meme werden kann, gilt für alle gerade frisch ausgezeichneten Emmy-Preisträgerinnen und -preisträger: Weiterlächeln und alle Fragen abarbeiten, egal ob man sich die Antworten schon hat zehn Mal sagen hören. Die Vielzahl der Medien vor Ort, das große Interesse eigentlich aller Sender, die Gewinner vor die Kamera zu bekommen - das kennt man aus Deutschland gar nicht. Bei welcher Preisverleihung in Deutschland werden schon mehr als 500 Medienvertreter akkreditiert? Es ist dem Modell der Emmys geschuldet, die wie auch die drei anderen großen US-Preisverleihungen (Oscars, Tonys, Grammys) mit einer Academy die Findung der Preisträgerinnen und Preisträger auf eine breite Basis stellt.

Kein Vergleich also mit der Irrelevanz des inzwischen eingestellten Bambi oder der Goldenen Kamera, bei der trotz aller Bemühungen um Seriösität aufgrund allzu alberner Entscheidungen der Veranstalter jene ernsthafte Wertschätzung fehlt. Kein Wunder also, dass Preisverleihungen in Deutschland beliebiger wahrgenommen werden. Die Emmys hingegen - sie sind von der US-Fernsehbranche geschätzt. Natürlich sind auch sie nicht frei von Kritik und Problemen - etwa besorgniserregender Quotenabstürze -  aber der Wert, einer dieser goldenen Statuen ist unbestritten.

Doch selbst wenn der Marathon direkt neben dem Microsoft Theater in Downtown Los Angeles endlich gemeistert war, bleibt zum Beispiel unseren beiden Stars der Amazon-Serie "The Marvelous Mrs. Maisel" erst einmal nur die Fahrt im Shuttle zur Amazon eigenen Emmy-Party im Kulthotel Chateau Marmont in West Hollywood, um kurz einmal durchzuatmen. Ein Emmy macht Arbeit, und die ist immer noch nicht vorbei. Angekommen bei der Party machte Amazon den Stars der eigenen Produktionen aber auch Gästen wie James Corden, Heidi Klum und Tom Kaulitz noch einmal den großen Bahnhof.

Noch einmal Kameras, noch einmal Mikrofone im Gesicht. Es ist inzwischen nach 22 Uhr, die Verleihung seit zwei Stunden rum. Seit Tony Shalhoub die Bühne des Microsoft Theaters verlassen hat, ist es sogar schon vier Stunden her. Der Feierabend, sozusagen im wahrsten Wortsinn, rückt näher. Immerhin: Während Shalhoub am weißen Teppich von Amazon Prime Video u.a. mit der "Bunte"-Korrespondentin noch einmal über seinen Emmy-Sieg spricht, greift er zu einem Barwagen neben sich. Dort stehen prickelnde, mutmaßlich alkoholische Getränke. Er hat sie sich verdient.

(Dieser Artikel erschient erstmals im September 2019)