Acht Jahre ist es nun her, dass es erstmals eine Emmy-Nominierung für eine Netflix-Produktion gab: "House of Cards" legte 2013 den Grundstein für den gewaltigen Aufstieg des Streamers im Awards-Bereich, seither gab es unzählige Nominierungen und auch etliche Preise. Verwehrt blieb Netflix aber bislang eine Emmy-Statue in den besonders prestigeträchtigen Kategorien: Weder als beste Drama-Serie, noch als beste Comedy- oder Mini-Serie wurde bislang eine Netflix-Produktion mit einem Emmy geehrt.

Die Chancen, dass sich das dieses Jahr ändern könnte, stehen aber besser denn je - nicht nur, aber insbesondere auch im Bereich der Drama-Serien. Hier lassen sich bei einigen Buchmachern schon Wetten darauf abschließen, dass "The Crown" das neue "Schitt's Creek" werden könnte. Die Comedyserie schaffte im vergangenen Jahr das Kunststück, nicht nur als beste Comedy-Serie ausgezeichnet zu werden, sondern auch die Emmys für die beste Haupt- und Nebendarstellerin sowie den besten Haupt- und Nebendarsteller abzuräumen - ein Siegeszug auf der ganzen Linie also.

Dass "The Crown" mit der mittlerweile immerhin vierten (und auch schon vorlezten) Staffel nochmal neue Höhen erreichte, hängt dabei sicher auch damit zusammen, dass die darin erzählte Zeit vielen noch gut im Gedächtnis ist: Es ging um das ganz große Drama zwischen Prinzessin Diana und Prinz Charles, die Dreiecks-Beziehung mit Camilla Parker Bowles und um die Regierungszeit der "Eisernen Lady" Maggie Thatcher. Schon bei den "Golden Globes" hat nicht nur "The Crown" gewonnen, auch Emma Corrin für ihre Rolle der Prinzessin Diana und Josh O'Connor für seine Darstellung des Prinz Charles wurden ausgezeichnet, zudem gab's einen Golden Globe für Gillian Anderson in der Rolle der Margaret Thatcher. Sie alle haben nun auch gute Chancen auf einen Emmy - und dann wäre da ja auch noch Olivia Cole in ihrer Rolle der Queen und Tobias Menzies als Prinz Philip, die ebenfalls im Rennen und alles andere als chancenlos sind, auch Helena Bonham Carter in der Rolle der Prinzessin Margaret findet sich auf dem Tableau wieder.

Schaut man auf die Gesamt-Zahl der diesjährigen Emmy-Nominierungen, dann liegt "The Mandalorian" von Disney+ gleichauf mit "The Crown" an der Spitze. Mit dieser Serie hat Disney es geschafft, die Star-Wars-Saga zum ersten Mal gekonnt in eine Real-Serie zu übertragen - und zwar so, dass sie nicht nur die eingefleischten Fans ansprechen kann. Schon letztes Jahr heimste die erste Staffel durchaus etwas überraschend 7 Emmys bei 15 Nominierungen ein, dieses Jahr stieg die Nominierungsanzahl sogar auf 24. Gegen "The Crown" dürfte es trotzdem schwer werden für eine solche Genre-Serie der Königskategorie, eine Auszeichnung als Beste Drama-Serie wäre da schon eine Überraschung.

Apropos Überraschung: Zu den eher unerwartetet Nominierungen gehörte in diesem Jahr die ungewöhnliche Superhelden-Serie "The Boys" von Prime Video. Die erste Staffel war letztes Jahr bei den Emmys noch weitgehend ignoriert worden, diesmal gab's immerhin fünf Nominierungen, darunter ebenjene in der Königskategorie als Beste Drama-Serie. Warum dieser Aufschwung auch inhaltlich nicht von ungefährt kommt, hat Ulrike Klode letztes Jahr schon in ihrer Serien-Kolumne beschrieben. Doch schon die Nominierung war eine große Ehre, dass es zu mehr reicht, darf fast als ausgeschlossen gelten.

HBO ist in diesem Jahr nur mit "Lovecraft Country" im Rennen um einen Emmy für die beste Drama-Serie - und damit ausgerechnet mit einer Serie, die nach der ersten Staffel abgesetzt wurde. Das kam insofern überraschend, weil nicht nur das Kritikerlob groß, sondern auch die Quoten gut waren. Doch die erste Staffel war noch die Umsetzung einer Buchvorlage von Matt Ruff, eine Fortsetzung hätte nun ohne diese Vorlage entwickelt werden müssen. Die Ideen von Serienschöpferin Misha Green überzeugten HBO dabei offenbar nicht so recht und auch die Emmy-Nominierung konnte im Nachhinein diese Entscheidung nicht mehr rückgängig machen.

Auch bei "The Handmaid's Tale" gab's einst das Problem, dass die Buchvorlage nach der ersten Staffel zu Ende war - seither wird die dystopische Geschichte über den christlich-fundamentalistischen Gottesstaat Gilead, in dem Frauen weitgehend rechtlos sind und sofern sie fruchtbar sind versklavt werden, um dem herrschenden Stand Kinder zu gebären, frei weiterentwickelt. Die erste Staffel war 2017 der große Abräumer, heimste auch den Emmy als beste Drama-Serie ein und ist damit die einzige in diesem Jahr nominierte Produktion, die diese Trophäe schon einmal gewinnen konnte. Doch der Zenit schien damit auch bereits überschritten, auch wenn die vierte Staffel wieder etwas mehr Fahrt aufnehmen konnte. Mehr als Außenseiter-Chancen werden der Hulu-Serie jetzt kaum noch eingeräumt, auch Elisabeth Moss dürfte es schwer haben, erneut einen Emmy für die beste weibliche Hauptrolle zu gewinnen.

Neben den schon angesprochenen Darstellerinnen aus "The Crown" tritt sie auch gegen Jurnee Smollet ("Lovecraft Country"), Uzo Aduba - die die meisten wohl noch aus "Orange is the new Black" kennen und die nun für "In Treatment" nominiert ist, sowie gegen Mj Rodriguez an. Letztere schrieb schon damit Geschichte, dass sie als erste Transgender eine Emmy-Nominierung in einer der Haupt-Kategorien für ihre Rolle der Blanca Rodriguez-Evangelista in "Pose" einheimsen konnte. Eine Auszeichnung würde somit natürlich ebenfalls Geschichte schreiben. Auch Billy Porter ist erneut als Bester Hauptdarsteller nominiert. Er hat den Preis schon 2019 gewonnen - und wäre überhaupt der erste Schwarze Schauspieler, dem es gelingen würde, diese Auszeichnung ein zweites Mal zu gewinnen. "Pose" selbst ist darüber hinaus nach einem Jahr Pause nun auch wieder als beste Drama-Serie nominiert.

Neben Billy Porter haben auch Sterling K. Brown und Matthew Rhys schon einen Emmy zu Hause stehen. Matthew Rhys gewann ihn 2018 für "The Americans" und ist nun für seine Rolle in "Perry Mason" nominiert, Sterling K. Brown erhielt ihn schon 2016 für "This is us". Das ist weiterhin die einzige Serie, die die Fahne der Networks im Dramaserien-Bereich hochhält. Sie ist nun zum vierten mal als beste Drama-Serie nominiert - warum es ausgerechnet jetzt zu einem Preis reichen sollte, wäre aber unklar. Nächstes Jahr gibt's mit der finalen Staffel dann noch eine letzte Chance für die hochemotionale Familien-Serie, die über mehrere Zeitebenen hinweg das Leben dreier Geschwister und ihrer Familien nachzeichnet und die für NBC einst zum Quoten-Megahit wurde und eine ganze Reihe ähnlicher Produktionen nach sich zog.

Komplettiert wird das Feld der nominierten Hauptdarsteller von Jonathan Majors ("Lovecraft Country") und René-Jean Page ("Bridgerton"), die wie Josh O'Connor ("The Crown") allesamt Emmy-Premiere feiern. "Bridgerton" ist mit Sicherheit die Serie, die im vergangenen Jahr wohl das größte Publikum aller Nominierten versammeln konnte. Sie spielt in der Londoner High-Society während der Ball-Saison im Jahr 1983 und lieferte inmitten der Pandemie genau die Portion an Zerstreuung, Drama und Romantik, die sie zu einem weltweiten Bingewatching-Phänomen auf Netflix machten. Doch ob das reicht, um auch als beste Drama-Serie des Jahres gelten zu können? Für René-Jean Page wäre es jedenfalls die einzige Möglichkeit, für diese Rolle einen Emmy zu bekommen, in Staffel 2 wird er nämlich nicht mehr dabei sein.