"Succession" ist die einzige der Nominierten, die schon einmal als beste Drama-Serie mit einem Emmy ausgezeichnet wurde, "Succession" führt bei Wettanbietern das Ranking an und "Succession" sammelte mit insgesamt 25 Nominierungen in diesem Jahr deutlich mehr ein als alle anderen Serien. Auf dem Papier scheint es also erstmal eine recht klare Sache, dass die HBO-Serie über den Kampf um die Nachfolge des alternden Patriarchen bei einem weltweiten Medienimperium nach dem Gewinn im Jahr 2020 und der produktionsbedingten Pause im letzten Jahr nun die Emmys in diesem Jahr im Bereich der Dramaserien wieder dominieren könnte.

Doch dass die Emmys in diesem Punkt durchaus für eine Überraschung gut sein könnten, zeigt schon das Abschneiden in den bereits im Rahmen der Creative Arts Emmys verliehenen Kategorien. Bislang ging lediglich ein einziger Preis aufs Konto von "Succession" (Bestes Casting). Zumindest diese Auszeichnung ist schon deshalb folgerichtig, weil der "Succession"-Cast die Schauspiel-Kategorien in diesem Jahr regelrecht geflutet hat: Allein 14 der 25 Nominierungen für "Succession" gehen auf Schauspielerinnen und Schauspieler zurück, von denen vielfach mehrere in derselben Kategorie im Rennen sind.

Genau das aber könnte auch zum Problem werden: Bei den schon vergebenen Emmys für Gastrollen waren bei den Männern vier von sechs Nominierten für "Succession" im Rennen, durchgesetzt hat sich aber As Ali für "Euphoria", bei den Frauen kam die Hälfte des Nominiertenfelds von "Succession", gewonnen hat aber Lee You-mi für "Squid Game". Wenn mehrere Personen für die gleiche Serie nominiert sind, nehmen sie sich häufig gegenseitig Stimmen weg - und auch für die besten Nebenrolle sind gleich drei Darsteller aus "Succession" nominiert, bei den weiblichen Nebenrollen und den Hauptdarstellern sind es jeweils zwei. Weil obendrein auch in der Regie-Kategorie gleich drei Nominierungen auf "Succession" entfallen, ist die Zahl der insgesamt erreichbaren Emmys für "Succession" trotz der hohen Zahl an Nominierungen tatsächlich begrenzter als es zunächst scheint.

Das ändert freilich nichts daran, dass "Succession" im Rennen um den Emmy als Drama-Serie trotzdem als Favorit gilt. Doch es scheint keineswegs ausgeschlossen, dass nicht doch auch "Squid Game" Geschichte schreiben könnte und als erste fremdsprachige Produktion überhaupt den Emmy in dieser Königskategorie gewinnen kann - schließlich kann die Serie über das brutale Spiel auf Leben und Tod als Kritik am brutalen Kapitalismus neben der spannenden Story auch noch mit einer Meta-Ebene punkten. Und falls es hier nicht reicht: Lee Jung-Jae werden gute Chancen auf den Preis als bester Hauptdarsteller in einer Drama-Serie ausgerechnet. Und auch das wäre eine Premiere: Er wäre nicht nur der erste südkoreanische Schauspieler, sondern überhaupt der erste Schauspieler asiatischer Abstammung, der den Emmy in dieser Kategorie gewinnt.

"Squid Game" ist dabei nur einer von gleich drei Serien-Neulingen im Rennen um die Beste Drama-Serie. Beide dürften eher Außenseiter-Chancen haben, beide haben im letzten Jahr aber das Publikum wirklich beeindrucken können. Da wäre zum Einen "Severance". Die Serie von Apple TV+ erzählt das spannende Experiment, dass bei einem mysteriösen Unternehmen namens Lumon Industries durch einen chirurgischen Eingriff am Gehirn sichergestellt wird, dass das Personal in der Firma nur Zugriff auf Erinnerungen an die Arbeit, nicht aber ans Privatleben haben - und außerhalb der Firma wiederum umgekehrt. Die Macher erschaffen hier eine ganz eigene, vor allem innerhalb der Firmenmauer so verstörende wie skurrile Welt - und beendeten die erste Staffel mit einem bemerkenswerten Cliffhanger. Adam Scott ist für seine Rolle in der Serie auch erstmals für einen Emmy nominiert

Die Showtime-Serie "Yellowjackets" wiederum erzählt die packende Geschichte einer Highschool-Mädchen-Fußballmannschaft, die in der Wildnis von Ontaria abstürzt und abseits der Zivilisation 19 Monate auf sich allein gestellt ums Überleben kämpfen muss. Dabei wird nicht nur diese Zeit beleuchtet, sondern auch wie sie 25 Jahre später noch immer damit ringen, sich ein sicheres Leben aufzubauen. Ein Emmy für die Serie selbst käme schon recht überraschend, Melanie Lynsky hat aber durchaus Chancen auf einen Emmy als beste Hauptdarstellerin.

Größte Konkurrentin darum ist wohl Zendaya, die 2020 schon für ihre Rolle in "Euphoria" gewann - dabei ging die Serie erst mit der zweiten Staffel so richtig durch die Decke und wurde zwischenzeitlich zur zweiterfolgreichsten HBO (Max)-Serie überhaupt nach "Game of Thrones", auch wenn sie von "House of the Dragons" nun wohl auf Rang 3 verdrängt wird. Schon in den Creative Arts-Kategorien konnte "Euphoria" fünf Emmys mit nach Hause nehmen, das Drama rund um die 17-jährige drogenabhängige Rue und weitere Highschool-Schülerinnen und Schüler hat also ein gewisses Momentum. Neben der Serie selbst und Zendaya ist auch noch Sydney Sweeney alias Cassie für die beste Nebenrolle im Rennen.

Und dann sind als beste Drama-Serie noch drei schon etwas altgedientere Produktionen nominiert. Eine fast schon tragische Geschichte droht es langsam für "Better Call Saul" zu werden. Aus insgesamt 46 Nominierungen in der Geschichte der Serie resultierte bislang kein einziger Sieg. Jede einzelne der sechs Staffeln war als Beste Drama-Serie nominiert, vier mal war auch Bob Odenkirk als bester Hauptdarsteller im Rennen. Man darf gespannt sein, ob es für das Spin-off von "Breaking Bad" diesmal endlich klappt. Immerhin. Die allerletzte Chance ist es noch nicht: Durch die geteilte Veröffentlichung der letzten Staffel sind die finalen Folgen nächstes Jahr nochmal im Rennen. Doch dass dann die Konkurrenz geringer sein wird, darf man wohl bezweifeln.

Auch "Ozark" war schon drei Mal, "Stranger Things" vier Mal im Rennen um den Emmy für die beste Drama-Serie, auch bei diesen Serien hält sich die Emmy-Ausbeute letztlich aber in Grenzen. Im Falle von Ozark erhielt Jason Bateman 2019 einen Emmy - aber nicht etwa als Hauptdarsteller, sondern als Regisseur. Da es keine weitere Staffel geben wird, ist es für Bateman ebenso wie für Laura Linney die letzte Chance auf einen Emmy für ihre schauspielerische Leistung in der Serie. Letzer im Bunde der nominierten Drama-Serien ist schließlich noch "Stranger Things" - das bei den Creativ Arts Emmys bereits fünf Auszeichnungen abgeräumt hat, unter anderem für Schritt, Make-Up, Stunts und Sound. Dass es nun für einen Emmy als beste Serie reicht, ist aber angesichts der Konkurrenz trotzdem unwahrscheinlich.