Im letzten Jahr wurden die drei fiktionalen Haupt-Kategorien von je einer Serie dominiert: "The Crown" bei den Drama-Serien, "Das Damengambit" bei den abgeschlossenen Serien und "Ted Lasso" im Bereich Comedy. Auch in diesem Jahr wurde die Produktion von "Scrubs"-Macher Bill Lawrence aus dem Hause Apple wieder mit den meisten Nominierungen bedacht. Insgesamt 20 und damit so viele wie die HBO-Gesellschaftssatire "The White Lotus" und nur fünf weniger als All-Over-Spitzenreiter "Succession" zählt die Fußball-Comedy. Doch nach den Creative Arts Emmys gibt's vorerst eine traurige Bilanz für die Sport-Serie mit Jason Sudeikis: aus acht Tor-Chancen wurden null Buden - ergo kein Preis bei der Verleihung vor der großen TV-Gala.

Mit dem Ende der ersten Staffel konnte sich der im Fußball gänzlich unerfahrene, gleichnamige Fußballtrainer Ted Lasso (Jason Sudeikis) aus Kansas in die Herzen des fiktiven AFC Richmond in England spielen und das obwohl es am Schluss der ersten zehn Folgen zu einer großen Niederlage kommt. Dort besiegt ihn am letzten Spieltag nämlich ausgerechnet sein Ex-Spieler Jamie Tarrt mit Manchester City, so dass der Abstieg aus dem Oberhaus folgt. Staffel zwei musste also bei neuen Realitäten einsetzen. Doch damit nicht genug: Was zunächst verstärkt als Fish-out-of-Water-Comedy begann, wird in der Folgestaffel eher vernachlässigt. Euphoriker Lasso bekommt zunehmend Besuch von Panikattacken und wandelt immer weniger auf sonnigen Pfaden. Die Dramaturgie des Sports gibt außerdem viel weniger den roten Faden vor, stattdessen verkommt der Fußball sprichwörtlich zur schönsten Nebensache der Welt. Zwei fast schon Stand-Alone-Episoden ("Glockengesang" und "Beards Feierabend") tun ihr Übriges. Auch auf charakterlicher Ebene gibt es bei einer generell soapigeren Erzählweise Veränderungen: Sympathieträger Nathan Shelley (Nick Mohammed) – auch als "Nate the Great" bekannt - entwickelt sich zum Bad Guy, Club-Besitzerin Rebecca Wright (Hannah Waddingham) wird vom Bad Girl zur reinen Sympathieträgerin und Roy Kent (Brett Goldstein) wird vom Spieler mit kurzer Zündschnur zum reflektierteren Assistenztrainer.

Bei der 73. Verleihung der "Primetime Emmys" konnte "Ted Lasso" am Ende vier Statuen einheimsen. Besagte Hannah Waddingham und der ebenfalls erwähnte Brett Goldstein erhielten die Trophäen für die beste Nebenrolle und Jason Sudeikis bekam die goldene Dame für den Hauptpart. Gekrönt wurde der Abend 2021 mit dem ersten Preis von Apple TV+ in einer Königskategorie überhaupt als "Beste Comedy-Serie". Jason Sudeikis darf in diesem Jahr wieder zur Titelverteidigung ansetzen und ist für seine Rolle als Visor tragender Coach Lasso nominiert. Bei den Nebenrollen kommt es erneut zu Konflikten innerhalb des eigenen Casts: neu mit dabei ist die eine Sportpsychologin verkörpernde Sarah Niles, sowie abermals Juno Temple und Hannah Weddingham. Auf dem Zettel bei den Herren stehen wieder Brett Goldstein und Nick Mohammed, sowie Neueinsteiger Toheeb Jimoh. Mit von der Partie sind auch wieder Nominierungen für das beste Buch und die beste Regie.

Bei Hulu vereinigt sich unterdessen ein Trio, welches vor Abruf so wohl nicht jeder auf dem Schirm hatte: Steve Martin, Martin Short und Selena Gomez. Zwei Männer über 70 und eine 30-Järige versuchen in ihrem Wohnkomplex mit dem fiktiven Namen "The Arconia" in der Upper West Side den Mord an ihrem Nachbarn Tim Kono aufzuklären. Ein Opfer, das im Haus "unbeliebter ist als eine tote Katze". Doch alle drei sind glühende Fans von True-Crime-Podcasts und so nehmen sie die Ermittlungen selbst in die Hände. Die "Mord-ist-ihr-Hobby"-Gruppe, zusammengesetzt aus einem pensionierten Fernsehdetective (Martin), einem einst erfolgreichen, aber irgendwie doch gescheiterten Theaterregisseur (Short) und einer Hobbykünstlerin (Gomez) entwickelt dabei einen eigenen "Only Murders in The Building" genannten Podcast. Meta! Der Mord in ihrem Haus muss schichtweise enthüllt und die Geschichte darüber auditiv in Folgen verpackt via Podcast unter die Hörenden gebracht werden.

Die Devise der schwarz humorigen Serie lautet: Mehr Spannung als Pointen, sowie falsche Fährten und Verstrickungen à la "Desperate Housewives". Denn manchmal ist es einfacher die Geheimnisse anderer zu lüften, als sich den eigenen zu stellen. Erfreulich ist, dass aus dem Generationsunterschied viel weniger ein Generationenkonflikt entsteht, sondern viel mehr eine Einheit. Die Lust an der Kooperation dominiert, auch wenn Gags über die Jugendferne der "alten weißen Männer" seitens der jüngeren Generation in Form von Mable (Gomez) natürlich nicht ausbleiben. Man begegnet sich im gemeinsam True-Crime-Projekt in Summe wertschätzend auf Augenhöhe. Dort begegnen sich übrigens auch Steve Martin, der zugleich noch als Produzent und fürs beste Drehbuch nominiert ist und Martin Short (ebenfalls als Produzent nominiert) beim Kampf um die beste schauspielerische Leistung. Nicht nominiert ist jedoch Selena Gomez bei den Frauen. Darüber hinaus bestehen Nominierungen fürs beste Drehbuch und die beste Regie. Gewinnen konnte der Neustart übrigens bereits den Preis für den besten Gastpart – Nathan Lane als Teddy Dimas – sowie das beste Production Design und Sound Mixing.

Für eine stacheligere Dynamik sorgt unterdessen der für die Zuordnung zu unterschiedlichen Generationen verantwortliche Altersunterschied bei der Comedy "Hacks" von HBO / HBO Max. Genauer gesagt trifft dort eine alternde Diva des Showgeschäfts in Las Vegas auf eine Mischung aus Millenial und Generation Z. Erzählt wird in der im letzten Jahr ebenfalls nominierten Produktion die Geschichte der von Jean Smart porträtieren, erfahrenen Stand-up-Künstlerin Deborah Vance und ihrer sehr viel jüngeren, von Hannah Einbinder gespielten, Autorin Ava Daniels. Letztere wird engagiert, um Erstere mit der neuen Ära der Unterhaltungsindustrie vertraut zu machen, was jedoch immer wieder zu Kämpfen um die Deutungshoheit führt. Bereits im letzten Jahr konnte Jean Smart den Emmy für die beste Hauptrolle ergattern und auch in diesem Jahr ist sie dort wieder vertreten. Zudem geht Hannah Einbinder abermals ins Rennen bei den besten Nebendarstellerinnen. Auf das Konto der Serie gingen im letzten Jahr die Preise für das beste Drehbuch, sowie die beste Regie - auch dort ist "Hacks" in 2022 wieder vertreten. Und Emmys gab es auch schon: gewinnen konnte Laurie Metcalf für ihre Rolle als Weed bereits den für den besten Gastpart. Darüber hinaus gab es eine Auszeichung für "Outstanding Contemporary Costumes".

Strukturell angelegt ist ein "Jung gegen Alt" allein schon, wenn man das Setting des Newbies "Abbott Elementary" aus dem Hause ABC betrachtet. Die Sitcom im Mockumentary-Stil spielt an der Titel gebenden Grundschule in Philadelphia, wo Schülerinnen und Schüler auf erwachsenes Lehrpersonal treffen. Diese beherbergt vor allem unterprivilegierte Kinder in einer unterfinanzierten Infrastruktur. Auf den Pfaden von "The Office", "Parks and Recreation" oder auch "Modern Family" wandelnd, begleitet die Kamera das in ihrem Verhältnis zum Beruf unterschiedlich eingestellte Kollegium: von der durchgeknallten Rektorin, die ihre Zeit in alles investiert, nur nicht in die Leitung der Schule, über mal mehr mal weniger lernorientierte Kinder, bis hin zur Macherin der Serie Quinta Brunson in ihrer Rolle als junge, optimistische und überambitionierte Lehrerin der zweiten Klasse, Janine Teagues. Und dann wäre da auch noch ihr Verhältnis zur arrivierten Lehrerin Barbara Howard. Alter bedeutet hier Erfahrung und davon kann man als junge Lehrerin laut Teagues profitieren. Den Mutterkomplex gibt es obendrauf. Und dennoch macht die Junglehrerin vieles anders als die alt eingesessenen Kolleginnen und Kollegin, woraus manchmal Konfusion, manchmal Kopfschütteln und manchmal Respekt folgt.

Mastermind Brunson schrieb bereits mit der Nominierung Geschichte. Denn noch nie zuvor war es einer BPoC gelungen drei Mal in der Comedy-Kategorie vertreten zu sein. Nicht nur, dass sie eine für das beste Drehbuch bekam, neben der Nominierung für die beste Comedy-Serie kämpft sie an der Seite von Jean Smart auch gegen Kaley Cuoco ("The Flight Attendant"), Elle Fanning ("The Great"), Issa Rae ("Insecure") und Rachel Brosnahan ("The Marvelous Mrs. Maisel") in der Kategorie der besten Protagonistin. Der aus "Alle hassen Chris" bekannte Tyler James Williams hat die Möglichkeit einen Preis für die beste Nebenrolle zu ergattern, wie auch die, die Rektorin Ava Coleman verkörpernde Janelle James und Sheryl Lee Ralph als Barbara Howard. Nicht nur, dass der Preis für das beste Casting im Rahmen der "Creative Arts Emmys" bereits an die einzig vertretene und somit das Erbe von "black-ish" antretende Network-Comedy ging, auch bei den TCA-Awards hat die Comedy Brunsons mit dem Gewinn vierer von fünf Preisen eine Duftmarke gesetzt.

Apropos Auszeichnungen: mit "Barry" findet sich die düstere Dramedy von HBO / HBO Max wieder im Feld der Nominierten, die ebenfalls bereits mit etwas breiterer Brust in den Abend gehen dürfte. Ganze drei Emmys wurden ihr im Bereich der Gewerke zugesprochen und zwar für bestes Sound Editing, bestes Picture Editing, sowie beste Stunt Coordination. In der dritten Staffel sieht sich der Titel gebende Auftragskiller mit Scheinidentität "Schauspieler" mit dem Problem konfrontiert, dass ihn sein Schauspiellehrer Gene Cousineau (Henry Winkler) ausliefern, oder umbringen möchte. Der wieder stärker an Depressionen leidende Barry versucht dies mit einem Gegenangebot über ergatterte Schauspielengagements zu kontern. Nicht nur, dass Bill Hader wieder für seine Rolle als Barry nominiert ist - er kämpft neben den oben Genannten dabei auch noch gegen Donald Glover ("Atlanta") und Nicolas Hoult ("The Great") -, auch Henry Winkler taucht in der Liste für den besten Nebenpart auf. Antreten muss dieser zudem gegen Anthony Carrigan aus dem "Barry" eigenen Cast. Neben den Kategorien vor der Kamera bestehen auch noch Chancen für die beste Regie und das beste Drehbuch.

2018 triumphierte die Amazon-Serie "The Marvelous Mrs. Maisel" und räumte bei ihrer Premiere direkt fünf von sechs Emmys ab. Einzig Tony Shaloub ging damals bei den Nebendarstellern leer aus. Allerdings konnte er sich die Trophäe ein Jahr später schnappen. Und auch in diesem Jahr ist er Teil des Aufgebots. Vervollständigt wird die Kategorie übrigens von Bowen Yang ("Saturday Night Live"). Alex Borstein hat ihm da sogar noch etwas voraus, denn sie konnte den Preis nicht nur im besagten Jahr gewinnen, sondern bereits im Jahr des Erst-Einstiegs. Auch in dieser Sparte kommt die acht Namen umfassende Kategorie mit einem Act aus "Saturday Night Live" - und zwar von Kate McKinnon - zur Fülle. Die vierte Staffel der Kostümserie mit einer starken Frauenfigur vor dem Stand-up-Mikrofon (siehe Parallelen zu "Hacks") lässt Rachel Brosnahan in ihrer Rolle als Miriam "Midge" Maisel bei Prime Video vor dem geplatzten Traum einer nicht vollendeten Europa-Tournee stehen. Geplatzt sind auch die Träume der Titelverteidigung der Hauptdarstellerin in den letzten Jahren. Sollte es nach dem Sieg in 2018 in diesem Jahr nichts werden, besteht jedoch zumindest auf dem Papier eine weitere Möglichkeit mit der finalen fünften Staffel.

Weit über diese Zahl hinaus ist eine andere Comedy, von der bereits elf Staffeln über den Schirm liefen und von der eine zwölfte bestellt ist. Die Rede ist von "Curb Your Enthusiasm" (HBO / HBO Max) von und mit Larry David. In der nominierten Staffel versucht sich der sympathische Choleriker bei einem Streamingdienst mit der Produktion einer Serie über den jungen Larry. Ähnlich wie die Geschichte über eine "Seinfeld"-Reunion in der siebten Staffel von "Curb Your Enthusiasm", oder der Handlungsbogen über den Verkauf einer "show about nothing" von Jerry Seinfeld in der vierten Staffel von "Seinfeld" bei NBC, gibt es nun also ein weiteres, selbstreferenzielles Medienthema aus diesem Universum in dem Universum, um das herum die strukturell konstant bleibenden Folgen gestrickt sind. Am Abend des 12. Septembers wird jedoch nur noch eine Chance zum Sieg möglich sein und das in der Überkategorie selbst. Weder Larry David noch seine Mitspielenden sind für die schauspielerischen Leistungen nominiert. Und auch bei den anderen an dem Abend auszuzeichnenden Kategorien bringt es die Serie mit dem grässlichen deutschen Titel "Lass es, Larry!" auf keinen Treffer.

Einen Preis für das beste Fantasy/Sci-Fi-Kostüm gab es die Tage bereits für "What We Do In The Shadows". Neben der Nominierung für das beste Buch geht die Horror-Comedy auch für die beste "Comedy-Serie" ins Rennen und komplettiert damit das Feld. Zwar nicht nominiert sind die Darstellenden, jedoch gibt es noch eine Chance für das beste Drehbuch. Am 12. Juli fiel sogar bereits der Startschuss für die vierte Staffel der FX-Comedy über die berühmte Vampir-Wohngemeinschaft auf Staten Island. Klar ist darüber hinaus, dass die auf dem Film von Taika Waititi sowie Jemaine Clement basierende Produktion sich weiter Richtung Unsterblichkeit bewegt: Staffel fünf und sechs sind bereits bestellt. Da fühlt sich eine Nominierung für die dritte Staffel schon fast wie ein Blick in eine noch weiter zurückliegende Vergangenheit an als eigentlich faktisch wahr. Zeitgefühl anzuführen ist in Bezug auf unsterbliche Vampire aber vermutlich ohnehin nicht die cleverste Idee?! Neben "Abbott Elementary" ist also eine weitere Serie nominiert, die auf Mockumentary setzt.

Acht Serien aus dem humoristischen Fach stehen bei den 74. "Primetime Emmys" zur Wahl. Mit "Abbott Elementary" und "Only Murders in The Building" sind sogar zwei Neustarts im Line-Up vertreten. Wenn man bedenkt, dass sich die Mitglieder der Television Academy einst gerne an bereits ausgezeichneten Comedy-Produktionen fest bissen – Stichwort "Veep", "Modern Family", "30 Rock" – könnte ein weiterer Siegeszug von "Ted Lasso" nicht überraschen. Andererseits könnte man genau so die letzten vier Jahre anführen, die mit "The Marvelous Mrs. Maisel", "Fleabag" (letzte Staffel), "Schitt's Creek" (ebenfalls letzte Staffel) und "Ted Lasso" für Durchmischung in dieser Kategorie standen. Dem Spiel mit dem Ball kommt in jedem Fall das Spiel mit den Generationen in die Quere. Ob davon eine gewinnt, oder vielleicht sogar eher ein Außenseiter mit Grätsche daher kommt, zeigt sich in der Nacht von Montag auf Dienstag.