Titelseiten-Check zur Hochzeit von William & Kate

Bild
Alle Welt, so schien es am gestrigen Freitag, wartete nur auf den ersten Kuss, den sich William und Kate auf dem Balkon vor den jubelnden Massen gaben - und was gäbe es da romantischeres, als ihn mit einer Stoppuhr zu bewerten. Genau darauf setzt am Tag danach ein großer Teil der Zeitungen.
Die "Bild" etwa titelt zwar zur "Hochzeit des Jahrtausends" ganz begeistert "Kuss! Kuss! Hurra!" - kann ihre Enttäuschung angesichts der eher kurz gehauchten Küsschen schon auf dem Titel kaum verbergen. Im Innenteil wartet man endlich mit den Fakten auf, die für die Journalisten heute am wichtigsten zu sein scheinen: "Der zweite Kuss dauerte 1,5 Sekunden (Der erste nur 0,7...)" lautet die große Überschrift auf Seite 5.
Doch stimmen diese Angaben wirklich? Die Konkurrenz hat Zweifel...

Berliner Zeitung
Die "Berliner Zeitung" geht nämlich ohne Umschweife gleich in der Überschrift auf den wichtigen Aspekt der Kusslänge ein, kommt aber auf 0,1 Sekunde weniger. Was die Stoppuhr-Spezialisten in Berlin bei Kuss 2 gemessen haben, bleibt leider im Dunklen.

"Express"
Der "Express" macht zwar mit dem Satz "Kate, du bist wunderschön", den William zumindest einer Lippenleserin zufolge vor dem Altar seiner Braut zugeflüstert haben soll, auf - und beweist damit in der Überschriftenwahl mehr Sinn für Romantik als der Großteil der Konkurrenz. Gleich darunter geht's aber natürlich um den "doppelten Liebes-Kuss".
Die Stoppuhr in Köln geht dabei aber natürlich gänzlich anders. Zwar schlägt man sich mit den 0,7 Sekunden für Kuss 1 auf die gleiche Seite wie die "Bild", bei Kuss 2 hatte man allerdings einen deutlich nervöseren Finger als die Konkurrenz: Statt 1,5 will der "Express" dem Paar hier gerade mal 1,1 Sekunden zugestehen.

"Hamburger Morgenpost"
Auch in Hamburg hat sich die 0,7-Sekunden-Variante durchgesetzt, auch hier steht den verantwortlichen Voyeuren Redakteuren die Enttäuschung ins Gesicht bzw. auf die Titelseite geschrieben.

"Berliner Kurier"
Die "Berliner Zeitung" bleibt mit ihrer 0,6-Sekunden-Überschrift recht allein auf weiter Flur, auch der "Berliner Kurier" hat 0,7 Sekunden gemessen. Und auch die Kurier-Mitarbeiter empfehlen hier noch ein paar Trainingsstunden.

"B.Z."
Die "B.Z." kommt in der Stoppuhr-Auswertung ebenso wie der "Express" auf 0,7 und 1,1 Sekunden für die beiden Küsse und hält das alles für so epochal, dass man die "Sammlerausgabe" doch am besten für die eigenen Enkel aufbewahren sollte. Ob die sich allerdings für das Ja-Wort irgendwelcher künftiger Monarchen im Jahr 2011 interessieren? Wobei - laut "Bild" war es ja die "Hochzeit des Jahrtausends", was uns für alle Monarchen in den nächsten 989 Jahren dann ein wenig leid tut.

Süddeutsche Zeitung
Nicht einmal in seriöseren Zeitungen des Landes wollte man am Samstag auf den Stoppuhr-Journalismus verzichten. Die "Süddeutsche" liegt mit ihren 0,7 Sekunden dabei aber ganz im Trend.
Doch stimmt das wirklich? Ein Blick nach Großbritannien lässt einen schlimmen Verdacht aufkommen...

The Sun
Vielleicht hätten sich die deutschen Boulevard-Journalisten mal bei ihren britischen Kollegen umhören sollen. Bei der "Sun" gibt es nämlich sogar einen Mitarbeiter, der die Kussdauer auf Hundertstel Sekunden genau ermitteln kann. Und demnach dauerte der erste Kuss 0,76 Sekunden - was gerundet 0,8 wären, womit die Deutschen heute in dieser wichtigen Angelegenheit durchgehend mit falschen Zahlen versorgt wurden. Bei Kuss 2 gibt es mit 1,25 Sekunden einen Kompromiss zwischen der "Express" und "Bild"-Variante.
Das Cover der "Sun" liegt uns aktuell noch nicht vor - auf der Website hat man sich aber für eine Hommage an Britney Spears entschieden.

Daily Telegraph / Daily Mail
Ansonsten sind diverse britische Blätter zur Erkenntnis gelangt, dass ein Bild doch mehr als tausend Worte aussagt und verzichteten wie "Daily Telegraph" und "Daily Mail" gleich ganz auf Überschriften. Dumm nur, wenn man angesichts des immer gleichen Fotos auf deutschen wie internationalen Zeitungen die Konkurrenten gar nicht mehr auseinander halten kann...

"Die Welt"
Die "Welt" versuchte sich an einer Übersetzung.

"tz"
Knapp am richtigen Wortlaut gescheitert ist die Münchner "tz". Die beiden haben ihre Ehe nicht mit einem "Yes" besiegelt, sondern eben einem "I will", ganz ohne ein "Yes".

Rheinische Post
Das kurioseste Titelblatt kommt aber heute fraglos aus Düsseldorf. Dort wirkt es dank einer gekonnten Anordnung von Text und Bild ganz so, als seien Kate & William als "Terrorverdächtige in Düsseldorf verhaftet" worden.

Abendzeitung
"Die neue Diana" hat die "Abendzeitung" ausgemacht - man weiß allerdings nicht, ob man das angesichts von deren Schicksal nicht vielleicht doch eher als Drohung ansehen sollte. William tritt hier auf dem Titel eher nur als Nebendarsteller auf. Konsequenter war da nur die "Frankfurter Rundschau"...

Frankfurter Rundschau
...Dort hat man William gleich ganz weggelassen.

"taz"
Die große Ausnahme ist die "taz", wo nicht Kate & William den Titel zieren, sondern ein Kind zum Thema "Erste Maßnahmen zur Einführung einer neuen Grundschrift".
Doch die William&Kate-Vermeidungsstrategie funktionierte nur auf dem Titel. Der "Rest vom Fest" verteilt sich nämlich auf den Seiten 2, 4, 6, 8, 9, 16 und 40 dann doch recht großflächig in der Wochenend-Ausgabe.