Drei Fernsehpreis-Nominierungen gab es in diesem Jahr für "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus" (Bester Schnitt, Beste/r Autor/in, Beste Moderation) - doch blickt man auf die vergangenen gut eineinhalb Jahre zurück - also den Beobachtungszeitraum für den diesjährigen Fernsehpreis - dann düften trotz der weiterhin enorm hohen Quoten wohl die wenigsten den Klassiker "Dschungelcamp" als das genreprägende Format wahrgenommen haben. Es ist also nur folgerichtig, dass in der Kategorie "Beste Reality" drei andere Formate ins Rennen gehen. Und die zeigen, dass das Abtun als "Trash-Fernsehen" dem Genre nicht gerecht wird.

Da wäre zum Beispiel die von Seapoint produzierte Datingshow "Prince Charming", die zunächst bei TV Now ausgestrahlt wurde und zuletzt auch im Free-TV bei Vox lief. Kaum einem anderen Format gelang es bislang, schwule Liebe als so selbstverständlich darzustellen, wie sie ist. Denn auch wenn man das in einer Großstadt-Bubble vielleicht manchmal kaum glauben mag: Für viele ist es eben nicht selbstverständlich, dass zwei Männer sich küssen. Für viele ist es dadurch noch immer ein Problem, sich zu outen, gegenüber der Familie oder Freunden. Nun wird "Prince Charming" das sicherlich nicht alleine ändern - doch dass es auch eine schwule Version des "Bachelors" gibt, dürfte zur Realität eigentlich nicht erst seit 2019 dazu gehören.

Die Vielfalt des Lebens besser im Fernsehen abzubilden, kann sich auch die RedSeven-Produktion "Queen of Drags" auf die Fahnen schreiben - und ProSieben traute sich sogar, die Sendung donnerstags um 20:15 Uhr, also zur besten Sendezeit zu zeigen. Auch hier ging es nicht darum, die Kandidatinnen als Sonderlinge dem Publikum vorzuführen. Aber einem breiten Publikum diese Kultur näherzubringen. Nun kann man streiten, ob Heidi Klum die passende Wahl als eine der Jurorinnen war, doch wenn sie als Vehikel dafür dient, eine größere Zielgruppe anzusprechen: warum nicht?

Entscheidend aber bei beidem: Es ist nicht nur der Diversity-Gedanke, der die Sendungen sehenswert machte, sondern vor allem ihr Unterhaltungswert. Und darum sollte es bei einem Fernsehpreis für Unterhaltung ja auch in erster Linie gehen. Und deswegen findet sich auch das "Sommerhaus der Stars" - ebenfalls produziert von Seapoint - völlig zurecht auf der Anwärter-Liste für einen Deutschen Fernsehpreis. Das im ersten Jahr noch etwas holprige Format hat sich über die Jahre prächtig entwickelt und lässt viele andere Vertreter des Genres durch seine extrem hohe Erzähldichte regelrecht alt aussehen. Wer gruppendynamische Prozesse, Beziehungsprobleme oder Gründe für Eskalation studieren will, der ist dort jedenfalls genau richtig.

Dass es sich bei solchen Formaten durchaus auch für die Macher um ein Wandeln auf einem schmalen Grat handelt, ließ sich jüngst bei "Promis unter Palmen" beobachten, das durch seine Mobbing-Folge negativ auffiel, das aber auch zuvor schon grenzüberschreitendes Verhalten ohne größere Einordnung gezeigt hatte. Um so wichtiger ist es, solche Formate nicht generell in einen Topf zu werfen, sondern genauer hinzuschauen. Und die guten Vertreter dann konsequenterweise auch auszuzeichnen.