Hallo Herr Milberg. Ich bin erleichtert, dass Sie mich nicht mit „Ich höre?“ begrüßen.
Das ging mir gerade durch den Kopf und ich war in Versuchung, Sie so zu begrüßen. Ich hab’s aber privat noch nicht gemacht.
Umgekehrt: Gibt es Kollegen, die Sie „Borowski“ nennen?
Gestern gab ich einem norddeutschen Radiosender ein Telefoninterview. Der Journalist verhaspelte sich und nannte mich „Borowski“. Wir haben beide gelacht.
Ich nehme mich in Acht. Am Sonntag läuft ihr zehnter Borowski-Tatort – wie hat sich die Figur seit dem ersten Film verändert?
Ich stelle eindeutig fest: Die Figur ist freundlicher geworden. Ihre Pressekollegen nehmen das auch sehr deutlich wahr. Zu Anfang war sie rauher, kantiger, eckiger. Wir haben festgestellt, dass diese Eigenschaften nicht serientauglich genug sind. Ich schiebe die Entwicklung auch auf die Polizeipsychologin Frieda Jung, bei der Borowski in Folge 1 zu einer Reihe von Sitzungen verdonnert wird. Durch diese Begegnungen auf der Couch wurde er begreifbarer. Borowski, der aus einem „Stahlnetz“-Film vor etwa 6 Jahren stammt, war ursprünglich sehr unsozial, nicht teamfähig, nicht kompromissbereit. Er erschien uns reizvoll, man ahnt ihn jetzt auch noch von ferne, aber wir haben seine Gesamterscheinung milder werden lassen. Ich wollte nicht, dass er als Norddeutscher ausschließlich rauh bleibt und so ein falsches Stereotyp bedient. Der Hauptprotagonist einer Reihe darf die Zuschauer nicht unentwegt vor den Kopf stoßen.
Eine spröde, mit Brüchen versehene Hauptfigur steht aber auch für mutiges Erzählen. Ist Borowskis Milderung eine Kompromisslösung für den Massengeschmack?
Nein. Wir wollten auch nicht jede Komponente der Ausgangsfigur – seine Ex-Frau, seine Vorliebe für Hörspiele – miterzählen. Unsere Konzentration gilt den Fällen, und jedes Buch wird von einem anderen Autor geschrieben, der das Augenmerk stets verschiebt. Ein Buch ist immer dann schwächer, wenn der Autor nur den Auftrag erfüllen will – statt in erster Linie eine Geschichte zu schreiben, in der eben auch die Hauptfigur vorkommt.
Welche Charaktereigenschaft Borowskis ist geblieben und unterscheidet ihn von anderen Kommissaren?
Er ist kein Kumpeltyp! Er ermittelt instinktiv, mit seiner Wahrnehmung. Er spürt und wittert mehr als er ausspricht. Im Falle „Mädchen im Moor“ ist es der Verdächtige – dem Zuschauer von Anfang an als Täter bekannt – dem sich Borowski mit diesen Mitteln nähert. Er tut das vor allem nonverbal, kaut nicht alles im Dialog mit seinen Mitarbeitern durch, bemüht kein langweiliges Abfragen – dieses „So... Was haben wir jetzt? Du gehst jetzt noch mal da und da hin und fragst den. .. Wir treffen uns dann später dort wieder...“
... „Hol schon mal den Wagen“ ...
Würde ich nicht sagen. Ich will es dem Zuschauer ersparen.
Sie sind in „Milbergs Reisen“ für den NDR mit einem VW-Bus durch Norddeutschland gefahren und haben nach besonderen Orten und ihren Typen gesucht. Fanden Sie Menschen, die Ihrem Kommissar ähnlich sind?
Besonders sein trockener Humor ist mir begegnet, und wie er sich gegenüber dem Weiblichen zeigt. Der Süddeutsche wurde sagen: „Gnä’ Frau, Sie schaun bezaubernd aus!“, Borowski dagegen genießt die Spannung, ohne sie auszusprechen, hält ein, was auf Erlösung drängt.
Ein Konflikt bleibt ein Konflikt.
Ja, wenn man etwas zu deutlich ausspricht, kann es seine Kraft verlieren. Darin ist diese Figur sehr filmisch: Sie sättigt das Informationsbedürfnis des Zuschauers immer nur zum Teil.
Das ging mir gerade durch den Kopf und ich war in Versuchung, Sie so zu begrüßen. Ich hab’s aber privat noch nicht gemacht.
Umgekehrt: Gibt es Kollegen, die Sie „Borowski“ nennen?
Gestern gab ich einem norddeutschen Radiosender ein Telefoninterview. Der Journalist verhaspelte sich und nannte mich „Borowski“. Wir haben beide gelacht.
Ich nehme mich in Acht. Am Sonntag läuft ihr zehnter Borowski-Tatort – wie hat sich die Figur seit dem ersten Film verändert?
Ich stelle eindeutig fest: Die Figur ist freundlicher geworden. Ihre Pressekollegen nehmen das auch sehr deutlich wahr. Zu Anfang war sie rauher, kantiger, eckiger. Wir haben festgestellt, dass diese Eigenschaften nicht serientauglich genug sind. Ich schiebe die Entwicklung auch auf die Polizeipsychologin Frieda Jung, bei der Borowski in Folge 1 zu einer Reihe von Sitzungen verdonnert wird. Durch diese Begegnungen auf der Couch wurde er begreifbarer. Borowski, der aus einem „Stahlnetz“-Film vor etwa 6 Jahren stammt, war ursprünglich sehr unsozial, nicht teamfähig, nicht kompromissbereit. Er erschien uns reizvoll, man ahnt ihn jetzt auch noch von ferne, aber wir haben seine Gesamterscheinung milder werden lassen. Ich wollte nicht, dass er als Norddeutscher ausschließlich rauh bleibt und so ein falsches Stereotyp bedient. Der Hauptprotagonist einer Reihe darf die Zuschauer nicht unentwegt vor den Kopf stoßen.
Eine spröde, mit Brüchen versehene Hauptfigur steht aber auch für mutiges Erzählen. Ist Borowskis Milderung eine Kompromisslösung für den Massengeschmack?
Nein. Wir wollten auch nicht jede Komponente der Ausgangsfigur – seine Ex-Frau, seine Vorliebe für Hörspiele – miterzählen. Unsere Konzentration gilt den Fällen, und jedes Buch wird von einem anderen Autor geschrieben, der das Augenmerk stets verschiebt. Ein Buch ist immer dann schwächer, wenn der Autor nur den Auftrag erfüllen will – statt in erster Linie eine Geschichte zu schreiben, in der eben auch die Hauptfigur vorkommt.
Welche Charaktereigenschaft Borowskis ist geblieben und unterscheidet ihn von anderen Kommissaren?
Er ist kein Kumpeltyp! Er ermittelt instinktiv, mit seiner Wahrnehmung. Er spürt und wittert mehr als er ausspricht. Im Falle „Mädchen im Moor“ ist es der Verdächtige – dem Zuschauer von Anfang an als Täter bekannt – dem sich Borowski mit diesen Mitteln nähert. Er tut das vor allem nonverbal, kaut nicht alles im Dialog mit seinen Mitarbeitern durch, bemüht kein langweiliges Abfragen – dieses „So... Was haben wir jetzt? Du gehst jetzt noch mal da und da hin und fragst den. .. Wir treffen uns dann später dort wieder...“
... „Hol schon mal den Wagen“ ...
Würde ich nicht sagen. Ich will es dem Zuschauer ersparen.
Sie sind in „Milbergs Reisen“ für den NDR mit einem VW-Bus durch Norddeutschland gefahren und haben nach besonderen Orten und ihren Typen gesucht. Fanden Sie Menschen, die Ihrem Kommissar ähnlich sind?
Besonders sein trockener Humor ist mir begegnet, und wie er sich gegenüber dem Weiblichen zeigt. Der Süddeutsche wurde sagen: „Gnä’ Frau, Sie schaun bezaubernd aus!“, Borowski dagegen genießt die Spannung, ohne sie auszusprechen, hält ein, was auf Erlösung drängt.
Ein Konflikt bleibt ein Konflikt.
Ja, wenn man etwas zu deutlich ausspricht, kann es seine Kraft verlieren. Darin ist diese Figur sehr filmisch: Sie sättigt das Informationsbedürfnis des Zuschauers immer nur zum Teil.

Axel Milberg im ARD-Tatort "Borowski und das Mädchen im Moor"
Im neuen Tatort kommt eine filmisch vielversprechende Location hinzu: Der Fall spielt im Moor. Borowski „hasst Sümpfe“. Wie haben Sie sich am Drehort zurechtgefunden?
Den Schauplatz, das Internat Luisenlund, kenne ich aus meiner Kindheit. Ich bin in Kiel aufgewachsen. Freunde von mir, die es auf Kieler Schulen nicht ausgehalten haben, gingen auf dieses Internat. Ich kannte den Ort und habe dort auch Freunde besucht. Mit Prinz Holstein, dessen Familie Luisenlund zur Stiftung machte, war ich mal Tennis spielen. Auf das heutige Internat gehen weniger Adelskinder als Mittelstandszöglinge.
Denen waren die Dreharbeiten egal?
Genau. Die haben mit ihren hohen Hemdkragen gar nicht hingeguckt, als wir mit einem Hubschrauber im Park gelandet sind. Das ließ mich schmunzeln. Darüber hinaus waren es besondere Dreharbeiten, etwa weil wir mit einem wunderschönen Wolf gedreht haben.
In der "Zeit" haben Sie einen Traum beschrieben, in dem Sie zu Ihrem Elternhaus zurückkehren. Viele Ihrer Tatort-Drehorte sind Ihnen bekannt, sie können Stimmungen einordnen und kennen Eindrücke aus Ihrer Erinnerung. Wirkt das beflügelnd?
Ich lebe seit 30 Jahren in München und kehre sehr gern in meine Heimat zurück. Jahrzehntelang war ich fast überhaupt nicht dort. Ich habe aber gespürt, dass mich der Norden ruft, es wurde wichtig für mich, zu wissen, wo ich herkomme. Mein Traum ist keine Insel mit Palmen – ich möchte lieber in der Glut herumstochern, aus der ich mal gekrochen bin. Wenn man zurückkehrt, wird man immer ein klein wenig der, der man mal war. Der Jugendliche, der Schüler, der geträumt hat, Schauspieler zu werden. Jetzt kehrt der Schauspieler zurück, in fiktiven Geschichten, die am Ort des Traumes angesiedelt sind. Ich gebe zu: Das befriedigt mich.
Das ist nachvollziehbar.
Bei den Dreharbeiten kam eine Statistin auf mich zu und sagte: „Herr Milberg, ich bin die Tochter des Bauunternehmers Erwin Pump, ich habe ein paar Fotos für Sie dabei, die mir mein Vater mitgegeben hat.“ Auf den Fotos sah ich dann, wie Erwin Pump mit meinem Vater im ehemaligen Jugoslawien auf Hirschjagd ist. Andere, denen ich beim Dreh begegnet bin, haben angeblich vor Jahren meinen Kinderwagen geschoben.
Steckt in der Geschichte des Mädchens vom Moor ein Märchen?
Das kann man darin entdecken, und es war unserem Autoren, Sascha Arango, auch bewusst. Es ist eine Abwandlung der Aschenputtel-Geschichte, es gibt einen Wolf, der Borowski auf die Spur führt. Da bewegen wir uns in der Tradition von Moor- und Spukgeschichten.
In „Borowski und das Mädchen im Moor“ ist der Täter von Anfang an bekannt. Wie gelingt es da, über 90 Minuten die Spannung zu halten?
Sie haben den Film gesehen, sagen Sie es mir! Die Spannung wird mit mehreren Zutaten erzeugt: Wird der Täter – dem wir gewisse Sympathien entgegenbringen – es schaffen, unentdeckt zu bleiben? Wie kommt der Kommissar auf die Wahrheit? Wenn er es weiß, wird er es ihm beweisen können? Ich finde, es ist einer der besten Tatorte aus Kiel geworden.
Den Schauplatz, das Internat Luisenlund, kenne ich aus meiner Kindheit. Ich bin in Kiel aufgewachsen. Freunde von mir, die es auf Kieler Schulen nicht ausgehalten haben, gingen auf dieses Internat. Ich kannte den Ort und habe dort auch Freunde besucht. Mit Prinz Holstein, dessen Familie Luisenlund zur Stiftung machte, war ich mal Tennis spielen. Auf das heutige Internat gehen weniger Adelskinder als Mittelstandszöglinge.
Denen waren die Dreharbeiten egal?
Genau. Die haben mit ihren hohen Hemdkragen gar nicht hingeguckt, als wir mit einem Hubschrauber im Park gelandet sind. Das ließ mich schmunzeln. Darüber hinaus waren es besondere Dreharbeiten, etwa weil wir mit einem wunderschönen Wolf gedreht haben.
In der "Zeit" haben Sie einen Traum beschrieben, in dem Sie zu Ihrem Elternhaus zurückkehren. Viele Ihrer Tatort-Drehorte sind Ihnen bekannt, sie können Stimmungen einordnen und kennen Eindrücke aus Ihrer Erinnerung. Wirkt das beflügelnd?
Ich lebe seit 30 Jahren in München und kehre sehr gern in meine Heimat zurück. Jahrzehntelang war ich fast überhaupt nicht dort. Ich habe aber gespürt, dass mich der Norden ruft, es wurde wichtig für mich, zu wissen, wo ich herkomme. Mein Traum ist keine Insel mit Palmen – ich möchte lieber in der Glut herumstochern, aus der ich mal gekrochen bin. Wenn man zurückkehrt, wird man immer ein klein wenig der, der man mal war. Der Jugendliche, der Schüler, der geträumt hat, Schauspieler zu werden. Jetzt kehrt der Schauspieler zurück, in fiktiven Geschichten, die am Ort des Traumes angesiedelt sind. Ich gebe zu: Das befriedigt mich.
Das ist nachvollziehbar.
Bei den Dreharbeiten kam eine Statistin auf mich zu und sagte: „Herr Milberg, ich bin die Tochter des Bauunternehmers Erwin Pump, ich habe ein paar Fotos für Sie dabei, die mir mein Vater mitgegeben hat.“ Auf den Fotos sah ich dann, wie Erwin Pump mit meinem Vater im ehemaligen Jugoslawien auf Hirschjagd ist. Andere, denen ich beim Dreh begegnet bin, haben angeblich vor Jahren meinen Kinderwagen geschoben.
Steckt in der Geschichte des Mädchens vom Moor ein Märchen?
Das kann man darin entdecken, und es war unserem Autoren, Sascha Arango, auch bewusst. Es ist eine Abwandlung der Aschenputtel-Geschichte, es gibt einen Wolf, der Borowski auf die Spur führt. Da bewegen wir uns in der Tradition von Moor- und Spukgeschichten.
In „Borowski und das Mädchen im Moor“ ist der Täter von Anfang an bekannt. Wie gelingt es da, über 90 Minuten die Spannung zu halten?
Sie haben den Film gesehen, sagen Sie es mir! Die Spannung wird mit mehreren Zutaten erzeugt: Wird der Täter – dem wir gewisse Sympathien entgegenbringen – es schaffen, unentdeckt zu bleiben? Wie kommt der Kommissar auf die Wahrheit? Wenn er es weiß, wird er es ihm beweisen können? Ich finde, es ist einer der besten Tatorte aus Kiel geworden.