Wenn eine Pressemitteilung schon mit den Worten "Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:" beginnt, dann ist von vornherein Vorsicht geboten. Wenn das Westfalen-Blatt wenigstens etwas kommentieren würde, wo es mutmaßlich eine besondere Kompetenz vorweisen kann (zum Beispiel etwas, das entfernt mit Westfalen zu tun hat), dann wäre das vielleicht noch interessant. Wenn man aber schon in einem Bereich herumkommentieren muss, von dem man augenscheinlich gar nicht mal so viel versteht, dann sollte man doch wenigstens nicht noch so stolz drauf sein, es per ots-Mitteilung in alle Welt zu schicken.

In der morgigen Ausgabe kommentiert das Westfalen-Blatt nun jedenfalls das Duell der Jahresrückblicke bei ZDF und RTL. Nun kann man durchaus skeptisch sein, ob es sinnvoll war, "2008! Menschen, Bilder, Emotionen" und "Menschen 2008" direkt gegeneinander zu programmieren. Aber was das Westfalen-Blatt da runterkommentiert ist mindestens so grober Unfug wie die angeprangerte "Kampf-Programmierung" der beiden Sender. So heißt es da:

Zumindest im gebührenfinanzierten ZDF sollte man sich die Frage nach dem Nutzen eines solchen Duells stellen. Dem Bildungsauftrag diente man damit jedenfalls nicht.

Bildungsauftrag? Hält das Westfalen Blatt die - insbesondere bei RTL aber eben mit Abstrichen auch beim ZDF - vor allem mit Kuriositäten des vergangenen Jahres gefüllten Shows, etwa für ein Bildungsprogramm? Nur zur Erinnerung: In weiten Teilen der Sendungen ging es um Dinge wie eine Frau, die eine Gabel verschluckt hat, ein Ehepaar, das in einer Stromleitung hing, eine Tankstelle mit Software-Problemen, einer Sarah Connor, die sich getrennt hat, einen Paul Potts, eine Charlotte Roche, einen Michael Hirte etc. etc.  Diese Sendungen sollen in erster Linie unterhalten und amüsieren und dazwischen auch mal bewegen. Aber bilden? Ich glaube, das würden sich nicht einmal die Macher selbst auf die Fahnen schreiben wollen. Wenn, dann müsste man schon die Sendungen an sich kritisieren - die Programmierung gegeneinander hätte dem Bildungsauftrag jedenfalls so viel schaden können wie eine Tüte Kartoffelchips.

Doch das ist noch nicht mal der entscheidende Punkt.

Das Kopfschütteln über den Wettstreit der Rückblicke nimmt nur noch zu, wenn man bedenkt, dass er sich für keinen der beiden Sender bei der Zuschauerquote ausgezahlt hat: Fast acht Millionen beantworteten die Frage nach Jauch oder Kerner nämlich eindeutig: mit dem gezielten Umschalten auf den »Tatort« in der ARD.

Ja, auch mein Kopfschütteln nahm bei der weiteren Lektüre dieses Kommentars noch zu. Beim Westfalen-Blatt glaubt man entweder selbst oder will wider besseren Wissens seinen Lesern suggerieren, dass die "Kampfprogrammierung" beiden Formaten geschadet hat. Doch vielmehr hatte das Duell kaum und wenn überhaupt, dann positive Auswirkungen auf die Quoten beider Rückblicke. Jauch gewann bei RTL 250.000 Zuschauer im Vergleich zum Vorjahr hinzu, beim ZDF lag die Zuschauerzahl sogar um über eine Million höher (was vor allem natürlich an der früheren Sendezeit lag - im vergangenen Jahr hatte die Sendung noch um 21:45 Uhr begonnen). Auch die Kommentatoren des "Westfalen-Blatts" hätten das durch einen Blick auf die einschlägigen Seiten erfahren können. DWDL.de, Meedia, kress und Quotenmeter waren sich ausnahmsweise einig, dass die Kampfprogrammierung erstaunlicherweise niemandem geschadet hat.

Was dann der Hinweis auf die (in Wahrheit weniger als) acht Millionen "Tatort"-Zuschauer soll? Man weiß es nicht. Hätte man nur einen Rückblick am Sonntagabend gezeigt, hätten auch um die acht Millionen Zuschauer den "Tatort" eingeschaltet, hätte man fünf dagegen gezeigt, wäre es wohl auch nicht wesentlich anders gewesen. Und überhaupt: Nicht nur acht Millionen Zuschauer haben sich gegen die Rückblicke entschieden, sondern angesichts der 82 Millionen Einwohner in Deutschland offensichtlich deutlich mehr.

Vielleicht sollte ich zum Abreagieren einfach mal die Lokalpolitik in Bielefeld kommentieren.