„Seid ihr bescheuert oder wat?“ Keine Frage, das ist Originalton Kurt Krömer. Ansprache an irgendwen. Im Verteilen von Fett ist er gut der Mann, jeder kriegt seines weg, der Regisseur, die Gäste und das Publikum. Am kommenden Samstag legt der Raunzer vom Dienst wieder los mit einer neuen Staffel. Die hätte ich um ein Haar gar nicht wahrgenommen, es startet halt so vieles in den nächsten Tagen und Wochen. Just another Kurt-Krömer-Show. Was soll das schon sein?

Gottseidank hat Kurt Krömer aber eine PR-Agentur namens Matthias Matussek angeheuert. Die sorgt dafür, dass alle wissen, was bei der Aufzeichnung im Juli von statten ging. Es war kaum zu überhören, wie Herr Matussek sich beschwerte, dass er in der Show unbotmäßig behandelt worden sei. Als Puffgänger sei er diskreditiert worden, als Pöbelhans und als hinterfotziges Arschloch. Kurzzeitig war sogar von einer Einstweiligen Verfügung die Rede, mit der Matussek die Ausstrahlung stoppen wollte. Großes Buhei, und der produzierende RBB schwieg dazu, was natürlich den Verdacht erweckte, dass es sich bei dem ganzen Sommerlochtrubel um ein abgekartetes Spiel handeln könnte.

Es muss sich um ein abgekartetes Spiel handeln, denn andernfalls sähe es für Matussek nicht so besonders gut aus. Er stünde dann da als übereitler Fatzke, der gewohnt ist, alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, dem dies aber bei dieser Show derart gründlich misslingt, dass er beinahe schon erbarmungswürdig erscheint. Das kann schlechterdings nicht sein. Ein Mann vom Spiegel, der nicht Herr der öffentlichen Lage ist? Das stünde dem großen deutschen Nachrichtenmagazin nicht gut zu Gesicht, auch wenn es sich traditionsgemäß ein paar Hampelmänner vom Dienst leistet.

Wie auch immer der PR-Sturm im Wasserglas zustande gekommen ist, darf letztlich aber als egal betrachtet werden. Wichtig bleibt, dass die Menschen nun wissen, dass Krömer wieder kommt und dass er wieder gut ist.

Ich möchte nach Ansicht der ersten Folge nicht einfach sagen, dass er gut ist. Nein, er ist richtig gut. Dieser Mann zeigt, wie man eine Bühne beherrscht, wie man alle in die Schranken weist, die sich ihm in den Weg zu stellen trachten. Bei Krömer macht man mit, oder man wird überrollt.

Mary Roos macht mit. Sie findet Krömer sehr lustig und macht aus dieser Einstellung kein Geheimnis. Sie lacht so sehr, dass sie ins Weinen kommt. „Du hast Leute überlebt, die tot sind“, kommentiert Krömer ihr für Showverhältnisse biblisches Alter. Sie sagt dann was, aber was sie sagt, spielt keine Rolle. Im Prinzip spielt gar nichts, was in dieser Show gesagt wird, eine Rolle. Es geht nicht um Inhalt, es geht um die Form, und die beherrscht Krömer in Perfektion.

Er tritt auf als Mischung zwischen typischem Berliner und windigem Basarhändler. So bewusst unrasiert wie er da hockt, könnte er ohne Probleme eine halbe Staffel „Breaking Bad“ als Drogenheinz bestreiten. Er sieht aus wie einer, dem man nicht trauen sollte. Und genau so handelt er. Entwickelt sich irgendein halbwegs sinnvoller Dialog, geht er gleich dazwischen. Er fragt die Menschen etwas und fährt ihnen bereits in die Parade, wenn sie noch Luft holen, um eine Antwort zu formulieren. Er beherrscht perfekt diesen Come-And-Go-Blues. Er lockt sein Gegenüber, und wenn das dann Anstalten macht, der Aufforderung zum Tanz zu folgen, schiebt er es weg oder geht an ihm vorbei. Krömer ist der Meister der stilvollen Dekonstruktion geübter Kommunikationsmuster.

Das Ergebnis ist etwas, was man im deutschen Talk- und Showgewerbe meist vermisst: Überraschung. Krömers Reaktionen sind zwar im Prinzip vorauszuberechnen, kommen im Detail aber immer anders als man denkt. Auf diese Weise erfährt man tatsächlich etwas über die Gäste, über das Leben und über das Wesen von Show. „Wenn es Gott geben würde, warum moderiert Markus Lanz noch ‚Wetten, dass…?‘“, fragt er, als er kurz so tut, als wolle er mit Matussek über Glauben sprechen wollen. Der aber will ohnehin nur sein neues Buch in die Kamera halten, was sehr grandios misslingt. „Unsere Enkelkinder werden über diesen Talk noch sprechen, mein Hase“, resümiert Krömer den Wortaustausch, den Gespräch zu nennen, zu viel der Ehre wäre.

Es ist Show. Große Show. Show, wie es sie sonst im deutschen Fernsehen zu selten gibt. Man halte nur mal das kürzlich zu überstehende Bildungsbürgerdesaster von „Anke hat Zeit“ neben diese Performance. Danach ist Stille. Große Stille. Ehrfürchtiges Schweigen.