Ich habe da einen bösen Verdacht. Es ist keiner, den man so einfach hinausposaunen kann, weil es doch immer heißt, man solle jene nicht unterschätzen, die daheim vor dem Fernseher sitzen. Hört man immer wieder: Der Zuschauer ist längst nicht so dumm wie er von den Fernsehmachern verkauft wird. Und jetzt komme ich und sage: Ist er vielleicht doch.

Ich weiß nicht, ob ich richtig liege. Ist halt nur ein Verdacht. Allerdings einer, der tagtäglich genährt wird mit Fakten. Zähle ich die alle zusammen, komme ich zum unweigerlichen Schluss: Der Zuschauer ist doof. Zumindest zu doof für gutes Fernsehen.

Man nehme nur mal diesen Sonntag. Da spult Sat.1 die letzten sechs Folgen der „House Of Cards“-Staffel ab. Weil zu wenige eingeschaltet haben. Ich habe schon vor dem Start klar gemacht, dass ich „House Of Cards“ für die beste Serie des Jahres halte. Genützt hat das wenig, denn der Zuschauer hat dem Sender nicht einmal Quoten beschert, die man als verbesserungsfähig einstufen könnte, und ich fürchte, es wird heute, da Sat.1 per nächtlicher Eventprogrammierung den Schwanz einkneift und damit den Etat für 2014 sauber hält, nicht viel besser.

Nun kann man trefflich argumentieren, dass die Menschen bei Sat.1 halt nichts mehr von Belang erwarten. Diese Theorie hat Charme, weil sie gefüttert werden kann mit all den Beispielen mediokren Programms, die jeden halbwegs mit Geschmacksnerven ausgestatteten Menschen vom Verbleib abhalten. Lustigerweise kann man dieses Verhalten aber quer durch alle Sender deklinieren, oder wäre sonst gerade die wunderbare Ausstattungsorgie „Downton Abbey“ im ZDF so krachend gescheitert?

Andererseits weiß ich auch, dass intelligente Menschen finden, was sie suchen. Sie durchforschen das Netz nach neuen Folgen einer Serie, die ihnen gefällt, und dann schauen sie die dort direkt. Es sind aber nicht alle Menschen damit zufrieden, ihre Folgen im Netz zu schauen. Manche wollen auch mal fernsehen ohne Mühe. Sie wollen zu einer bestimmten Zeit einschalten und dann schauen, was ist.

Ich liebe das lineare Fernsehen nach wie vor. Es hat für mich einen besonderen Reiz, meine Bedürfnisse mit dem Angebot abzugleichen. Und für besondere Anlässe und Nöte habe ich ja noch die zweitbeste Freundin, meine Festplatte.

Wenn aber intelligente Menschen durchaus in der Lage wären, gutes Programm auch bei Sat.1 zu finden, warum haben sie dann „House Of Cards“ nicht geguckt? Warum ist dann vorher schon „Homeland“ so krachend gescheitert? Schließlich kann man nicht sagen, dass Sat.1 den Sendeplatz nicht angewärmt hätte. Man konnte durchaus wissen, dass da sonntagsabends etwas von Belang gesendet wird.

Seufz. Wahrscheinlich ist es doch so: Die wirklich intelligenten Menschen schauen in ihrer Mehrheit nicht mehr fern. Sie brauchen das Medium nicht mehr, weil sie inzwischen andere Kisten haben, die ihr Informations- und Unterhaltungsbedürfnis stillen. Sie sitzen unterm Tannenbaum und lesen auf ihrem Smartphone Geschichten vom schnellsten Läufer der Bundesliga. Oder sonst irgendeinen Quatsch, den Spiegel Online zum Fest über die Resterampe geschoben hat. Und „House Of Cards“ lassen sie sich als DVD-Box schenken, um diese hernach im Regal zu deponieren und nie anzuschauen.

Hauptsache besitzen scheint die Devise zu lauten. Es funktioniert ein bisschen wie früher mit der privaten Pflichtbibliothek. Es mussten halt gewisse Bücher im Haus sein. Ob sie irgendwer durchgeschaut hatte, war wurscht. Genau so funktioniert es heute. Man sagt, dass man nur noch Serien auf DVD schaut, und manche kaufen sie auch. Ob sie wirklich geschaut wird, die ach so tolle Serie, spielt keine Rolle, weil man die Details der einzelnen Folgen nicht mehr als Stoff für einen anständigen Partytalk braucht. Die Basics des Handlungsbogens reichen, um mit einer Serie angeben zu können, da man höchstselten noch auf Menschen trifft, die sich auskennen. Ohnehin haben sich die handelsüblichen Gespräche längst von Inhalten abgekoppelt und schwirren vielmehr lustig um die leidige Beitragsdebatte. Das ist ein Thema, zu dem wirklich jeder Depp eine Meinung hat. Sogar ich.

Das Schlimme ist indes, dass jene, die das Anspruchsvolle im Fernsehen nicht mehr suchen, durchaus noch einschalten, wenn das Mittelmaß triumphiert, wenn das Traumschiff wieder ausläuft oder Helene Fischer ihre klinisch reinen Bodenturnübungen mit Lautmalerei dreist als große Show verkauft, wenn zum 156. Mal irgendetwas gerankt wird. Da kommen plötzlich Millionen zusammen, und ehrlich gesagt, kann ich den Fernsehmachern nicht mehr übelnehmen, wenn sie den durchschnittlichen Zuschauer für so doof halten wie er tatsächlich zu sein scheint.

Wenn aber das lineare Programm nur noch zur Verköstigung der Denkfaulen taugt, dann brauche selbst ich es irgendwann nicht mehr. Da wäre es wirklich ein oder zwei Gedanken wert, ob man dieses Fernsehen nicht gleich in die Tonne kloppen sollte. Aber nein, das ist kein schöner Gedanke, und ehrlich gesagt würde mir etwas fehlen. Viel sogar. Ich liebe halt dieses Fernsehen in seiner unvollkommenen Art immer noch, und das übliche Trennungsangebot der Marke „Wir können ja Freunde bleiben“ schlage ich glatt aus. Ich finde, wir sollten es noch einmal miteinander versuchen. In 2014 geht alles noch mal von vorne los, und ich will auch ganz lieb sein.