Ganz ehrlich, ich möchte nicht der WDR sein. Noch ehrlicher? Der WDR tut mir leid. Wie er dasteht in der Öffentlichkeit. So möchte niemand gern gesehen werden. Ein fetter, überfressener Koloss, der sich nicht mehr bewegen kann und dessen Bemühungen, mal 100 Gramm abzunehmen, gleich den Angstschweiß aus allen Poren treibt. Dazu bekommt er wie diese armen französischen Gänse von oben immer weiter das Gebührengeld eingetrichert, auf dass die Leber schön fett werde. Am Ende wollen ihn alle gern schlachten, aber es tut niemand, weil ein jeder sieht, dass das Ergebnis wohl eher zäh und wenig schmackhaft ausfiele. Lieber warten alle ab und hoffen, dass das malade Tier irgendwann von selbst tot umfällt.

Igitt, das ist ein böses Bild. Ich mag mir das gar nicht länger anschauen. Aber solche Metaphern hageln in mein Hirn, wenn ich dieser Tage lese, wie der Sender, mein Sender angefeindet wird. Von überall kommt die Kritik. Da protestieren die Wissenschaftsjournalisten und die Dokumentarfilmer und die Feuilletonisten sowieso. Ganz zu schweigen, von jenen, die reflexartig losbellen, wenn sie WDR hören und die Anstalt schon aus Tradition zu den eher kriminellen Dreibuchstabenbanden zählen: RAF, GEZ, PUR, BAP, WDR.

Da wagt es der WDR doch glatt, jene Kunstwerke, die er über die Jahre zur Verschönerung der Flure angeschafft hat, veräußern zu wollen. Prompt finden sich sogenannte Kulturschützer auf den Barrikaden ein und beklagen den Frevel. Ja, man darf als öffentlich-rechtliche Einrichtung Kunst kaufen, sollte aber wissen, dass man sie nie wieder loswird. Zumindest nicht ohne öffentlichen Aufschrei. Ich persönlich würde in Zukunft komplett vom Kunstkauf absehen, weil man hinterher nicht mehr weiß, wohin mit dem Kram.

Dann kommen noch jene Journalisten, die den Wegfall von Sendungen beklagen. „Hier und Heute“ soll verschwinden. Also erst einmal von seinem Sendeplatz um 18.05 Uhr im WDR Fernsehen. Gerade erst ist dort die 5000. Dokumentation gelaufen und gefeiert worden. Nun sollen die Dokus irgendwo anders hin. Sagt man im Sender. Wohin genau, weiß man nicht. Irgendwohin. In der Sprache der Senderstrategen heißt das: Nirgendwohin. Dass so etwas Protest evoziert, ist klar. Kürzlich erreichte der sogar den Rundfunkrat. Aber als ein Besucher in der öffentlichen Rundfunkratssitzung ein entsprechendes Plakat hochhielt, kassierte er eine Rüge von der Vorsitzenden. Ordnung muss sein. Wäre ja noch schöner, wenn so ein paar hergelaufene...

Wissenschaftsjournalisten beklagen mangelnde Arbeitsmöglichkeiten, schlechtere Vernetzung und warnen vor intellektuellem Verfall. Dahinter steckt natürlich Angst, getrieben von Unsicherheit. „Kopfball“ ist schon weg, „Nano“ könnte folgen.

Sobald der WDR was im Internet veranstalten will, jammern die Verleger. Der Streit um die „Tagesschau“-App schwelt immer noch. Das schüchtert auch die Planer in Köln ein. Alles muss darauf abgeklopft werden, ob es diesen dusseligen Dreistufentest besteht.

Im Radio drohen Umwälzungen. Bei WDR 5 geht die Angst um. „Politikum“, das freche Meinungsmagazin, für das ich früher auch mal arbeiten durfte, steht vor der Verlegung ins Nirwana, und auch auf anderen Sendeplätzen herrscht Unruhe und Angst um den Bestand.

Hunderte von freien Mitarbeitern bangen um ihre Jobs, Arbeitsverdichtung droht, journalistische Standards sollen offenbar geopfert werden auf dem Altar der Crossmedialität. Was drin ist – wurscht. Hauptsache, auf allen Kanälen präsent. Man kann die Angst der Mitarbeiter besser verstehen, wenn man sich einen Bauern vorstellt, der vor einer Sau steht und sagt: „Ab morgen trägst du Fell, gibst Milch und legst Eier. Wie du das machst, ist mir egal. Streng dich an, du Sau.“

Möchte nach dieser Aufzählung noch irgendwer WDR sein? Also ich nicht. Mir tut der WDR leid. Als Ganzes.

Ich sehe indes auch, dass in der Anstalt Fehler gemacht werden. Der Fisch stinkt ja bekanntlich vom Kopf her. Das Problem ist, dass der Kopf zu wenig mit seinen Gliedern redet. Anstatt klar zu kommunizieren, was die Pläne sind, lässt man zu, dass hier und dort etwas durchsickert, dass Gerüchte die Debatte mehr bestimmen als Fakten, dass Furcht die Oberhand gewinnt. So sorgt man dafür, dass der Laden langsam aber sicher zerfällt.

Wo ist der Hierarch, der mal die Mannschaft mit einer Brandrede eint, der allen klar macht, dass man an einem Strang ziehen muss oder zerfasert? Warum dominiert in Sachen Tom Buhrow immer noch dieses alberne „Ich bring die Liebe mit“-Zitat die Beschreibungen? Warum hat er das nicht längst ersetzt durch ein klares „Wir sind WDR“ oder so etwas Ähnliches? Es gibt eine Aufbruchsstimmung im Sender. Alle sind eingerichtet auf Veränderungen, die meisten würden mitziehen, wenn sie denn den Sinn begriffen und kapierten, was man mit ihnen vorhat, wenn sie bestenfalls noch mitbestimmen dürften, wohin es geht.

Es kann zudem nicht sein, dass sich ein ganzer Sender einrichtet in der Defensive. Stets wird nur reagiert auf Vorwürfe. Ich kann mich nicht erinnern, dass der WDR mal nach vorne geprescht ist mit einem Thema, das nicht nach sparen klang. Man kann Kreativität auch behindern, wenn man immer nur schwarze Wolken an den Himmel malt.

Ich erkenne indes an, dass ein Laden wie der WDR nicht ganz so leicht zu führen ist. Man wird immer welche finden, denen das, was kommt, nicht passt. Man wird nie alle ins Boot bekommen. Aber ich wette, etliche der jetzt über den „Hier und Heute“-Wegfall klagenden Journalisten wären zu beruhigen, wenn sie denn wüssten, wofür sie ihren Bestand aufgeben müssten. Aber das sagt ihnen natürlich niemand in der Klarheit, die es benötigt. Oder es sagt ihnen jemand, dem man nicht glaubt.

Misstrauen ist leider die gültige Währung im Mediengeschäft. Nirgendwo wird so viel gelogen und geflunkert. Da bräuchte es schon ein paar Charismatiker, die in der Lage wären, den Laden aufzurütteln und ihm klarzumachen, wohin die Reise geht. Es muss ja keine „I have a dream“-Rede sein, aber ein bisschen handfeste Vision wäre schon ganz hilfreich. Auf dass ich meinen Sender irgendwann wiedererkenne.