Man kann mir nicht vertrauen. Selbst wenn ich verspreche, dass ich etwas tue, kann man sich nicht darauf verlassen. Mancher Leser wird jetzt sicherlich aufstehen und sagen: „Jawoll, das wusste ich schon immer.“ Der Triumph sei ihm gegönnt, denn er war offensichtlich klüger als ich, der ich nicht ahnte, was für ein Abgrund sich in mir auftaut.

Aber nun weiß ich es. Ich habe es quasi amtlich. Der Norddeutsche Rundfunk hat es mir bescheinigt. Nein, der NDR hat nicht geschrieben: „Herr Hoff, Sie sind ein schlechter Mensch, Ihnen kann man nicht vertrauen.“ Die Anstalt öffentlichen Rechts verweigert mir lediglich die Arbeitsgrundlage. Ich darf den zweiten Teil des im Januar anstehenden Til-Schweiger-„Tatorts“ nicht vorab anschauen und drüber schreiben, denn der NDR hat mir mitgeteilt, dass die Gefahr bestehe, dass Details der Geschichte vorab verraten werden.

Diese weinerliche Darstellung mag manchem Leser etwas aufgedunsen vorkommen. Er mag mir, möglicherweise zu Recht, vorwerfen, ich verhalte mich wie eine beleidigte Leberwurst. Mag sein, und ich eröffne diesen Lesern an dieser Stelle, die Chance, auszusteigen. Tschüss dann. Auf ein andermal. Für die Zurückgebliebenen: Das alles ändert indes nichts an der Tatsache, dass ich mich als Person, die seit über 25 Jahren einem nach meiner Auffassung ordentlichen Beruf nachgehe, diskreditiert fühle.

Früher haben die Sender jede Menge Papier verschickt, um Journalisten auf ihr Programm aufmerksam zu machen. Dazu eine Menge Päckchen. In denen steckten erst VHS-Kassetten, später DVDs mit den Filmen, die sie für eine Vorabberichterstattung empfahlen.

Seit einigen Jahren schon haben die meisten Sender ihre Pressearbeit digitalisiert. Sie haben so genannte Presselounges eingerichtet. In die kommt man hinein, wenn man nachweist, dass man übers Fernsehen schreibt. Man kann dann Pressemitteilungen abrufen, die Programmvorschau einsehen und Fotos herunterladen. Hat man als Schreiber diese Stufe der Sonderbehandlung erreicht, gilt es, einen weiteren Türsteher zu überwinden. Der steht nämlich vor dem sogenannten Vorführraum. In dem steht all das zur Verfügung, was früher auf DVD versandt wurde.

Es ist nicht die Pflicht der Sender, solche Presselounges und Vorführräume einzurichten. Sie machen das freiwillig, und von nicht wenigen Pressemenschen habe ich schon den Spruch gehört, so etwas gehöre eben zu jener Transparenz, die immer wieder gerne beschworen wird. Über die Jahre hat sich das mit den Vorführräumen quasi als Geschäftsgrundlage zwischen Sendern und Schreibern etabliert. Manche Kollegen haben auf diesem über die Jahre sehr konstanten Verhalten sogar eine Art Geschäftsmodell aufgebaut. Sie schauen den „Tatort“ vorab und veröffentlichen dann ihre Kritik am Freitag oder Samstag vor der Ausstrahlung. Ich gehöre dazu.

Nun kommt der zweiteilige Til-Schweiger-„Tatort“ ins Spiel, der am 1. und am 3. Januar läuft. Den ersten Teil durfte ich schon sehen. Nicht im Vorführraum. Nein, es gibt noch eine Sicherheitsstufe darüber. Ich bekam von der NDR-Pressestelle einen Link und ein Passwort, und dann durfte ich den mit einem Wasserzeichen versehenen Film sehen. Das mit dem Wasserzeichen ist etwas irritierend, weil ständig in der Mitte der Name des Zuschauers prangt. Stellenweise macht es das Zuschauen etwas schwierig, aber einen Film mit Til Schweiger und Helene Fischer kann man tatsächlich trotzdem noch verstehen.

Ich habe mir sagen lassen, dass so etwas in Hollywood lange schon üblich ist. Aus Sicherheitsgründen. Hätte ich also den ersten Teil vom Bildschirm abgefilmt und im Netz hochgeladen, könnte man sehr schnell feststellen, dass ich der Übeltäter war, weil ja in der Bildmitte „Hans Hoff“ steht. Ich habe deshalb aus Vorsichtsgründen die Mail mit dem Passwort ausgedruckt, verbrannt und die Asche durch die Nase geschnupft. Nein, war nur ein Scherz.

Kein Scherz ist übrigens, dass ich diesen Film spoilern werde. Ganz am Schluss. Bleiben sie dran. Die übelsten Befürchtungen des NDR werden wahr werden. Ich bin das Grauen, lieber Sender. Du wirst mich so kennenlernen, wie du schon immer dachtest, dass ich bin. Böse.

Nun ist es nicht so, dass ich spontan sagen könnte, wann denn irgendein Kollege schon mal die Pointe einer „Tatort“-Episode verraten hätte. Es ist guter Brauch, dass man dem Zuschauer die Spannung lässt, dass man den Mörder für sich behält. Ohnehin bauen ja die meisten „Tatort“-Filme eher auf die Entwicklung des Plots und nicht so sehr auf irgendein Finale. Es ist ohnehin in den meisten Fällen relativ wurscht, wer der Mörder ist, wichtig ist der Weg zur Entlarvung desselben.
Ich habe noch aus keinem Sender Klagen über vorab verratene Wendungen gehört. Meist waren die Verantwortlichen zufrieden, dass berichtet wurde. Nun sitzen beim NDR natürlich bessere Verantwortliche. Hey, sie haben Xavier Naidoo als ESC-Kandidaten verpflichtet und dann wieder gefeuert. Die wissen, was sie tun.

Und sie haben Til Schweiger. Natürlich hatte ich gleich den Verdacht, die Verweigerung der Vorabsichtung gehe auf Schweigers Betreiben zurück. Hätte ich verstanden. Aber nein, man versicherte mir, die Entscheidung sei im Sender gefallen.

Geht man also davon aus, dass Schweiger in dieser Angelegenheit nicht initiativ geworden ist, dann muss man sagen: Hut ab, NDR. Das hast du sauber hingekriegt. Du stellst deine Produkte über die der anderen Sender. Du wirbst für deinen „Tatort“ durch Verweigerung. Clevere Reklamestrategie. Oder einfach nur Überheblichkeit? Oder gar Dummheit?

Die wahren Motive mögen dahingestellt sein. Man weiß ja, dass das mit der Transparenz bei den Sendern vor allem ein Lippenbekenntnis ist. Beim NDR fühlt man sich nach wie vor der nordischen Gutsherrenart verpflichtet. Es entscheidet der jeweilige Chef, und das dusselige Volk hat sich zu fügen.

Ich will mein Beleidigtsein hier nicht allzu hoch hängen. Gegen die anderen Skandale im Sender Nord ist das mit der „Tatort“-Verweigerung ein Pipifax. Aber ich finde, es wirft ein zusätzliches Licht auf den Umstand, dass man in der Hamburger Anstalt die Signale der Zeit nicht mal erkennt, wenn man sie ihnen als Wasserzeichen auf die Brille brennt. Der NDR ist ein öffentlich-rechtlicher Sender. Er ist nicht Eigentum irgendwelcher Abteilungsleiter.

So, nun ist Zeit, den wesentlichen Teil des Til-Schweiger-„Tatorts“ zu spoilern. Ich verrate noch nicht zuviel, wenn ich schreibe, dass im ersten Teil des Til-Schweiger-„Tatorts“ viele Menschen ihr Leben lassen müssen. Man ist da nicht sparsam mit Blei. Gleichfalls ist es kein Geheimnis, dass Helene Fischer mitspielt. Sie trägt eine schwarze Perücke, spricht wenig und heißt in ihrer Rolle Leyla. Sie hat Schlimmes durchgemacht. Das kann man ihrem starren Blick entnehmen. Ob sie dafür viel üben musste, weiß man nicht. Sie lebt ja angeblich mit Florian Silbereisen zusammen. Da ist man einiges gewöhnt.

Aber jetzt zum Spoiler, zum zentralen Verrat, den der NDR mir zutraut und den ich deshalb hier erledigen möchte. Ich sage nur: Der Flori muss jetzt ganz tapfer sein, denn was Helene Fischer in ihrer Rolle als Leyla da von sich gibt, charakterisiert nicht nur die Wucht, mit der dieser Actionfilm daherkommt, es wird auf Jahre den Lebensabschnittspartner und ihre Fans als verbales Trauma begleiten, wenn sie künftig „Atemlos“ singt und sich als Saubergirl des deutschen Schlager geriert. In einem kurzen Monolog sagt sie nämlich Worte, von denen man niemals erwartet hätte, dass sie diese reinen Lippen jemals passieren könnten. Um es kurz und schmerzlos zu machen: Helene Fischer sagt ficken.