Zum Fest gibt es Geschenke. Da steckt viel Neues im Paket, meist etwas, das man bislang noch nicht sein eigen nennen konnte. Die Frage, ob man all diese Gaben wirklich braucht, steht dabei oft unbeantwortet im Raum. Viel wichtiger finde ich ohnehin, dass man sich in diesen Tagen besinnt auf das, was man schon hat, was einem schon lange Freude bereitet, was man innerhalb des ganzen Weihnachtsrummels aber gerne mal übersieht. Zum Beispiel Bjarne Mädel.

Der läuft nun schon seit Jahren durch die Gegend und liefert sehr zuverlässig großartige Leistungen ab. Nicht nur im „Tatortreiniger“, auch in anderen Produktionen ist er das Highlight. Selten laut und aufdringlich, eher fein und leise. Zum Beispiel in „Ein Mord mit Aussicht“, dem Film, der die in den letzten Folgen reichlich ausgelutscht wirkende ARD-Serie am Montag nach Weihnachten (27.12., 20:15 Uhr) zu einem Ende führen soll. Leider ist dieser Film komplett vermurkst und liefert damit im Nachhinein nochmal das beste Argument, die Serie einzustellen.

Es geht um einen Mord, bei dem Sophie Haas, die Hengascher Polizeichefin, in Verdacht gerät, einen hochrangigen Kriminalisten gemeuchelt zu haben. In der Folge wird das Geschehen einer Nacht aufgerollt und aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Die Reminiszenz an Akira Kurosawas Film „Rashomon“ ist überdeutlich. Wahrheit ist halt das, was man sehen will, lautet die Botschaft.
Das Ganze ist höchst ärgerlich, weil es dem Film an eben jener Sorgfalt mangelt, die einst den Start der Serie auszeichnete. Im Prinzip wirkt das ganze Machwerk, als sei es unter dem Eindruck bewusstseinserweiternder Substanzen entstanden, als habe jemand die Devise ausgegeben: Je bekiffter, desto besser.

Mittendrin allerdings kann man Bjarne Mädel entdecken. Er spielt den trotteligen Dorfpolizisten Dietmar, der auf seiner Geburtstagsfeier ordentlich einen gekippt hat und nun sturzbetrunken Auskunft geben soll über das, was in der Nacht geschah. So etwas wäre anderen Schauspielern ein willkommener Anlass, mal die Sau rauszulassen. Wenn schon besoffen, dann aber richtig. Es ehrt Bjarne Mädel, dass er genau das nicht tut. Er schlägt nicht über die Stränge, er bleibt dem Geist seiner Figur treu, er denunziert sie nicht zum Preis einer wilden Sause, er macht sich nicht lustig auf Kosten dieses übersichtlich strukturierten Dietmars. 

Genau das zeichnet einen wie Mädel aus. Dass er loyal bleibt zu seinen Figuren. Selbst wenn rundherum alle irre werden und dem Affen hemmungslos Zucker geben (komplett unerträglich: Caroline Peters), saugt Mädel Kraft aus seiner vermeintlichen Normalität. Da Normalität in diesen etwas sehr aufgeregten Tagen aber fast schon etwas Besonderes ist, fällt er heraus aus eben dieser Norm.

Man kann das sehr schön auch betrachten an den formidablen neuen „Tatortreiniger“-Folgen. Zwei aus der sechsten Staffel sind schon gelaufen und haben einmal mehr gezeigt, wie große Fernsehkunst geht und dass sie am Ende sogar mit Quote belohnt werden kann. Andere Episoden folgen jeweils im Doppelpack (Montag 21.12. und Donnerstag 7.1. jeweils um 22 Uhr), und es wird nicht zuviel verraten, wenn ich hier sage, dass auch das noch Kommende durchweg großartig ausfällt. Der einzige Grund, Mädel dafür nicht mit allen verfügbaren Fernsehpreisen auszustatten, ist die Tatsache, dass er schon alle wichtigen hat. Teilweise mehrfach.

Mädel hat etwas zu sagen mit seiner Figur des Tatortreinigers. Sein Schotty ist ein Mensch, der viel durchgemacht hat, der nicht mehr viel erwartet, der sich aber trotzdem den Glauben an das Gute, vor allem an das Gute des Zweifelns bewahrt hat. Er ist immer bereit, alles in Frage zu stellen, Gewissheiten abzuschütteln, weiter nach dem Wahren, dem Echten zu forschen, ein Kreuzritter der Werte zu sein.

Es ist nicht nur Mädels Mimik zu verdanken, die so schön Fragezeichen in Schottys Gesicht schnitzen kann, es hat auch viel zu tun mit Mädels Entschlossenheit, den „Tatortreiniger“ mit seinem Team zu fertigen. Der „Tatortreiniger“ ist immer ein Werk von ihm und Regisseur Arne Feldhusen und der Autorin Mizzi Meyer. Fiele eine dieser Komponenten aus, wäre der „Tatortreiniger“ nicht mehr dasselbe. Weil aber alle an Bord bleiben und etwas wirklich wollen, bleibt diese feine Serie das Goldstück, das sie ist.

Längst könnte Mädel mehr machen, mehr Geld verdienen. Mehr Kohle für weniger Aufwand. Es zeichnet ihn aus, dass er dieser Versuchung nicht erliegt, dass er das Reichwerden hintenan stellt, dass er sich seiner Sache verpflichtet.

Er ist halt bescheiden. So könnte man das sagen, weil sich seine Figuren so zurücknehmen. Es ist aber ein Irrtum. Mädel ist nicht bescheiden. In Wahrheit dürfte er der anspruchsvollste Schauspieler im Lande sein, weil er eben nur das spielt, was er meint.

Seine Figuren sind immer auch Botschafter. Sie haben etwas zu sagen. Sie transportieren etwas. Die frohe Botschaft, dass der Mensch, selbst wenn er noch so einfach gestrickt sein mag, immer Mensch bleibt und Gutes tun kann. Mädel spielt stets reine Seelen, Menschen, die mit sich im Einklang sind. Er setzt damit einen Kontrapunkt zur ewigen Gier nach Wachstum, zum Immermehrwollen.

Insofern kann und muss man ihn als Überbringer einer Weisheit preisen, die weit über das mediale Geschäft hinausreicht. Das, was Mädel zu sagen hat, tut der ganzen Gesellschaft gut. Ich hätte daher nichts dagegen, wenn irgendwer eine Schotty-Figur schnitzte. Die würde ich dann in meine Weihnachtskrippe stellen. Direkt neben Maria und Joseph.