Das analoge Fernsehen ist doof, das analoge Fernsehen ist oberflächlich, und alles, was gut ist, kommt zu spät. Hat noch jemand ein weiteres Vorurteil parat? Will noch wer etwas Populistisches in die Debatte werfen und sich mit seiner Abneigung zum Medium brüsten, weil man damit so fein seinen sozialen Status bei Gleichgesinnten aufwerten kann?

Ich halte dann dagegen und sage: Alles richtig und alles falsch. Alles richtig, weil es natürlich jede Menge Belege gibt für dummes Fernsehen, für oberflächliche Sendungen, für Effekthascherei. Das ist so, aber die Klagen darüber klingen mir gelegentlich eine Spur zu hohl und heischen zu sehr nach billiger Zustimmung. Es wird so getan, als würden die beklagten Mängel den Spaß am Medium komplett vermiesen.

Das ist so, als würde man auf „die Medien“ schimpfen, obwohl doch jeder sehen kann, dass es einen Unterschied gibt zwischen uebermedien.de und der Huffington Post. Wer das verkennt, nimmt meines Erachtens eine sehr einseitige Einschränkung der Sichtweise vor, die einer fahrlässigen Verengung der persönlichen Wahrnehmung gleicht. Warum in Dreiteufelsnamen vermiesen mir doofe Sender und schlechte Sendungen den Spaß am Guten? Ich stelle mich doch auch nicht in den Bahnhofskiosk und verdamme meine Lieblingszeitung, nur weil in Sichtweise davon auch die Praline und die Superillu angeboten werden. Was stören mich also „Die Wollnys“ oder „Schwiegertochter gesucht“, wenn ich doch „Scobel“ haben kann?

Ja „Scobel“. Jetzt kommt’s. Wer jetzt die Stirn runzelt, ist raus aus der Debatte. Wer „Scobel“ nicht kennt, darf strenggenommen nie wieder mitdiskutieren, wenn es um die Frage geht, ob Fernsehen klug oder doof ist. Man sollte „Scobel“ nicht nur kennen, man muss „Scobel“ kennen. Die Sendung gibt es seit fast neun Jahren einmal die Woche, und immer ist sie geprägt von einer ungeheuren Lust auf echten Erkenntnisgewinn.

Das liegt vor allem am Moderator, der der Sendung nicht nur seinen Namen gegeben hat, der sie vor allem nutzt, um seinen ganz persönlichen Wissenshunger zu stillen. Er sitzt nicht mit den anderen Diskutanten am Tisch, um sich zu profilieren, er sitzt da, um sich mit ihnen auszutauschen. Er redet mit Menschen, und die Menschen reden mit ihm, und am Ende sind alle ein Stück klüger.
„Scobel“ ist kluges Fernsehen – Punkt. Das haben schon nach knapp neun Jahren auch die Juroren beim Deutschen Fernsehpreis erkannt und die Sendung in diesem Jahr nominiert. Überfällige Entscheidung.

Man sieht Gert Scobel nicht gleich an, dass er auch mal in den Untiefen des deutschen Fernsehgeschäfts tätig war. Anfang des Jahrtausends war er tatsächlich mal Moderator des ARD-Morgenmagazins, hat sich dann aber verabschiedet, um sich seinen Leidenschaften zu widmen. Ganz oben auf der Liste des studierten Philosophen und Theologen steht dabei die Wissenschaft, die Suche nach Erkenntnis, das Forschen, das Bewahren von Wissen, das Kultivieren desselben.

Scobel sieht nicht aus wie einer der ins Fernsehen gehört. Die Haare sind einen Hauch zu lang und zu grau, und sein Sakko nicht immer auf dem Stand, der für Modezeitschriften taugt. Macht aber nichts, weil es darum nicht geht. Es geht um die Sache.

Scobel verhandelt Themen von Glück bis Rassismus, von Organhandel bis Rohstoffknappheit, von Journalismus bis Gentechnik. Im Prinzip veranstaltet er Radio im Fernsehen. Ansehnlich ist die Szenerie selten. Es ist ein ordentliches Studio, und die Kameraarbeit ist solide, aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass Scobel mit seinen Gästen stets einen Meinungsaustausch anstrebt.
Scobel lädt ernstzunehmende Wissenschaftler ein, die etwas zu sagen haben. Er will da keine Lautsprecher, die nur ihre Stanzen absondern. Ihm und seinen Diskutanten geht es immer um die Sache, nicht um die Selbstdarstellung. Optisch ist das wie gesagt selten aufregend, weil Menschen, die sich nicht so leicht künstlich erregen lassen, halt selten Hingucker sind.

Natürlich gelingen nicht alle Sendungen. Es gibt auch Ausgaben, bei denen sich die Diskutanten verhaspeln, bei denen das Gespräch thematisch nur um den heißen Brei herum fließt, bei denen die Einspieler allenfalls lau geraten. Das ist das Risiko, wenn man jede Woche ran muss, ran will. Aber so ist das nun mal in der Wissenschaft. Selbst das Scheitern hat eine Aussagekraft.

„Scobel“ ist übrigens das beste Argument gegen die These, dass alles Gute so spät kommt. Die Sendung läuft donnerstags bei 3sat um 21 Uhr. Noch Fragen?
Einen Glückwunsch deshalb an Gert Scobel und seine Mannschaft, und für alle Nörgler ein paar Merksätze zum Schluss. „Scobel“ ist ganz kleines ganz großes Fernsehen. „Scobel“ ist der Beleg für die Kraft, die das Fernsehen immer noch hat. Völker der Welt, schaut auf dieses Medium. Es kann, wenn es will.