Als vor zehn Tagen die Vergabe des deutschen Fernsehpreises fast vorüber war, hat sich Senta Berger zu einem flammenden Plädoyer hinreißen lassen. "Räumen Sie bitte Zeit ein, um die Mitarbeiter unserer Filme den Zuschauern vorstellen zu können", bat sie die öffentlich-rechtlichen Anstalten, die sie ganz nebenbei als "die staatlichen Sender" titulierte, was ein interessantes Licht auf die Wahrnehmung der Grande Dame des deutschen Fernsehspiels warf. Aber das nur nebenbei.

Im Vordergrund stand Bergers Forderung nach einem ordentlichen Abspann. Der gehöre zu einem guten Film nun mal dazu. "Bitte, nehmen Sie die Menschen ernst, die mit Engagement, mit Hingabe in unserem Metier für das Fernsehen arbeiten. Der rasend durchgezogene Abspann auf der rechten Seite des Bildschirms, ein kleiner Streifen in rot mit kleingeschriebenen Buchstaben bei gleichzeitiger Ankündigung des nächsten Programmpunkts ist eine Missachtung unserer Arbeit", sagte sie und bekam dafür einen freundlichen Applaus.

Jawoll, Abspann muss sein. Da herrschte Konsens. Beim Abspann unterscheiden sich ja schon im Kino die Kundigen von den Knalltüten. Die Knalltüten rasen zum Klo, die Kundigen atmen den Abspann ein und registrieren sehr genau, wer der Filmfriseurin zur Hand ging, wie der Zimmermann hieß, der die ganzen Bauten vor der Kamera drapierte, und dann kommen noch die Rechtsanwälte und Chauffeure auf die Leinwand, zumindest dem Namen nach.

Das ist eine schöne Tradition, und sie hilft, einen Film nachklingen zu lassen. Wenn man weiß, dass man das am Ende genießen möchte, wählt man schon vorher die Plätze klug, auf das einem am Schluss nicht allzu viele Klogänger die Aussicht versperren.

Im Fernsehen ist diese Kultur arg geschrumpft, sind Abspänne mit Muße von Seltenheitswert. Allenfalls im Nachtprogramm oder bei Arte gibt es hier und da noch häufiger mal die Gelegenheit, in Ruhe nachzulesen, wie der Helfer des Hausmeisters hieß, der morgens immer das Studio aufgeschlossen hat und ohne den dieser Film quasi unmöglich gewesen wäre.

Ich erzählte einem Bekannten von Senta Bergers vehementem Appell, mehr Abspänne in größerer Ruhe zu präsentieren und sie nicht so abzuspulen, dass höchstens die Beteiligten jenen Sekundenbruchteil wahrnehmen können, in dem ihr Name kurz aufblitzt. Ich sagte, dass solch ein Appell mal dringend nötig war.

Ich blickte dann in ein fragendes Kulturbanausengesicht und sah mein Gewissheitsgerüst prompt durch eine in ein Wort gepresste Ignoranz erschüttert. "Warum?", fragte mein Bekannter, und ich war fassungslos.

"Darum", sagte ich trotzig und setzte ein "Das ist doch gute Tradition" nach. Ich beeilte mich dann noch, etwas vom Respekt für die Beteiligten zu murmeln, aber ich spürte, ich würde es schwer haben.

Mein Bekannter führte mich zu seinem Auto, präsentierte es mir von allen Seiten und setzte dann ein spöttisches Grinsen auf. "Und? Was siehst du?" Sein Einwurf ließ mich am Wert unserer Bekanntschaft zweifeln. Erst recht die nachfolgende Frage. "Siehst du irgendwo den Namen der Frau, die das Lenkrad eingebaut hat?" Ich verneinte. "Und wer hat die Konstruktion überwacht?" Ich zuckte mit den Schultern und bekam eine weitere Frage um die Ohren. "Was ist mit dem Respekt für die großartige Ingenieursleistung?"

Ich versuchte mich rauszureden mit dem Argument, dass es beim Film doch schließlich um Kunst gehe, und wer an Kunst beteiligt sei, der habe doch sicherlich eine Erwähnung verdient. So ein Auto, das sei ja Massenware.

Mein Bekannter führte mich dann zurück ins Haus und legte mir einen opulenten Bildband vor. "Und?", fragte er, nachdem ich das Buch durchgeblättert hatte. "Wie heißt der Assistent des Fotografen, wie der Beleuchter, und warum erfahre ich nichts von der Frau, die das Catering übernommen hat? Was ist da mit Respekt? Ist doch Kunst, oder?"

Ich sagte, dass das auch eine Schande sei, dass da Leistungen so komplett selbstverständlich hingenommen würden. Man sollte viel mehr Namen auf Produkten finden, sagte ich. Gewerke seien wichtig. Da stünden ja immer Menschen dahinter, und es sei ja nicht richtig, dass immer nur jene an vorderster Front genannt würden.

Die Antwort fiel so spöttisch wie grausam einleuchtend aus. "Ich freue mich schon, wenn ich demnächst einen Cheeseburger bestelle, und der freundliche McDonald's-Mitarbeiter reicht mir den Abspannzettel dazu: Am Grill: Heinz Piontke, Gurkenscheibchenaufleger: Petra Ludwig, Senfeinspritzer: Herbert Kasulske, Küchenreinigung: Ovo Malandrino." Mein Bekannter lachte sehr laut.

Ich gab auf. Ich muss jetzt erstmal dringend mit Senta Berger sprechen. Ich brauche einfach mehr Argumente für mein Abspannplädoyer. Sonst bin ich den knalltütigen Klogängern bald schon unterlegen.