Ich bin todtraurig. Ich wollte ins Fernsehen, ich wollte auswandern mit "Goodbye Deutschland", aber man hat mich abgelehnt. Unter Hervorbringung durchsichtigster Scheinargumente wurde mir der Zugang zum Medium verwehrt. Unter der Hand habe ich schließlich um drei Ecken herum herausbekommen, woran meine Fernsehkarriere bei Vox gescheitert ist. Aber dazu später.

Angekreidet wurde mir etwa, dass ich über rudimentäre Kenntnisse der englischen Sprache verfüge, dass ich also beispielsweise problemlos in der Lage wäre, einen englisch kommunizierenden Geldautomaten in Albanien zu bedienen. Das geht natürlich nicht bei "Goodbye Deutschland", denn dann könnte mir ja keine Kamera über die Schulter schauen, während die Off-Stimme dazu raunt, heute gehe aber auch alles schief.

In einem Vorgespräch war mir zudem vorgeschlagen worden, mit möglichst wenig Geld umzusiedeln. Mehr als 10 000 Euro dürfte ich nicht auf dem Konto haben für meinen Neustart in einem fremden Land. Weil ja sonst die Gefahr bestünde, dass ich im Verlauf der ersten Dreharbeiten noch nicht in finanzielle Schwierigkeiten geraten würde. Begrenzte Budgets sind aber das A und O bei "Goodbye Deutschland". Das Auswandererschiff muss unbedingt sehr rasch in Schieflage geraten. Sonst wird da nicht mit einem knackigen "Goodbye Deutschland"-Beitrag voller Katastrophen.

Gut, ich habe einen großen Fehler gemacht. Ich habe auf die Frage, ob ich in Albanien einer mir wildfremden Frau, deren Sprache ich nicht beherrsche, das Versprechen abnehmen würde, mir bei Ankunft eine verwilderte Wiese zum Betrieb eines Campingplatzes zu vermieten, die einzige mir vorstellbare Antwort gegeben: Bin ich bekloppt?

Das war natürlich falsch. So kann man nicht arbeiten beim Auswanderer-Fernsehen. Man muss als Kandidat schon ein bisschen mitarbeiten und zur Riesenportion Naivität eine gehörige Portion Menschenunkenntnis mitbringen. Sonst kann man halt nicht an der albanischen Küste vor einem verschlossenen Gelände stehen und sich fragen, wie man da rein kommt, um endlich mit den Vorbereitungen für den Campingplatzbetrieb zu beginnen.

Einmal habe ich auch richtig geantwortet. Als man von mir wissen wollte, ob ich jemals einen Campingplatz betrieben hätte, habe ich ehrlich mit "nein, niemals" geantwortet. Das zauberte ein Lächeln in die Gesichter meiner Befrager. Na, dann könnte ich es doch mal versuchen, meinten sie, woraufhin ich meinen nächsten Fehler machte und sagte: "Eher nicht."

Dass ich mich in Albanien nicht in der Landessprache zu verständigen weiß, haben sie mir dagegen hoch angerechnet. Das sei gut, sagte der Interviewer. Daraus würden schön viele Missverständnisse entstehen, die die Off-Sprecherin dann wie Perlen zu einer Katastrophenkette reihen könnte.

Ich lächelte, weil das ja bekanntermaßen der Standard-Gag bei "Goodbye Deutschland" ist. Deutsche wandern aus und wundern sich im fremden Land, dass niemand ihre Sprache spricht. So etwas kennen inzwischen sogar Kabarettisten, denen sonst nichts mehr einfällt. Sie sprechen dann vom USP von "Goodbye Deutschland".

Dabei sind die dort längst weiter. Das mit der nicht beherrschten Sprache dient da höchstens noch als Seitenerzählstrang. Inzwischen haben sie andere Möglichkeiten, ihre Protagonisten in die Enge zu treiben. Sie stellen beispielsweise ganz oft ein "Muss" in den Raum und erzeugen so Zwanghaftigkeit. "Sie müssen jetzt da rein", sagt die Off-Stimme und klingt dabei wie eine Mutter, die gerade erfahren hat, dass alle ihre Lieben todkrank sind. Ja, sie müssen. Müssen ist sehr wichtig bei "Goodbye Deutschland". Zudem muss das Müssen unbedingt in krassem Missverhältnis zum Können stehen. Man muss Meister im Illusionieren sein, damit die Off-Stimme besorgt fragen kann, ob man überhaupt wisse, in welcher Lage man sich befinde.

Ich habe das verkackt. Gebe ich ganz ehrlich zu. "Ich mache mich doch nicht vor der Kamera zum Affen, der ich nie sein wollte", habe ich dann noch gesagt. Damit war ich raus. Keine Fernsehkarriere. Kein Vox. Zu intelligent für "Goodbye Deutschland".

Ich hatte danach ein schlechtes Gewissen, ob ich denen von Vox jetzt nicht möglicherweise das Programm verhagelt hätte. Das hat mich eine Weile geplagt. Aber in der vergangenen Woche war ich dann beruhigt. Vox hat Ersatz für mich gefunden. Guten Ersatz.

Die Wollers haben meinen Job übernommen. Gabi und Konny Woller sind mit Sack und Pack und einem dicken LKW und 10 000 Euro nach Albanien gezogen und haben sich auf das mündliche Versprechen einer flüchtigen Bekannten verlassen, dass diese ihnen ein verwildertes Gelände für den Betrieb eines Campingplatzes überlassen werde. Natürlich klappte nichts. Hey, wir sind bei "Goodbye Deutschland". Wie soll da auch was klappen. In dieser Sendung ist das Nichtgelingen Programm.

"Kann diese Scheiß-Pechsträhne nicht endlich mal vorbei sein", fragt Gabi irgendwann verzweifelt. Dann schluchzt sie und schiebt noch eine sendungstypische Anklage hinterher. "Das ist unfair, einfach nur unfair", sagt sie, und man möchte ihr prompt eine Schulter zum Ausweinen anbieten. "Du machst das alles richtig", würde man ihr dann sagen und hinzufügen, dass sie intuitiv das Prinzip dieser Reihe verstanden haben. "Vox will dich genau so", würde man ihr sagen.

Ich bin auf jeden Fall raus. "Goodbye Deutschland" ist doch nicht so mein Ding. Das sollen die Wollers erledigen. Die können das tausendmal besser als ich. Die wissen, was Vox will. Und da kommt schon wieder diese Off-Stimme, die das nächste Gewitter ankündigt: "Glücklicherweise ahnen Gabi und Konny noch nicht, was für eine Katastrophe auf sie zurollt. Sie sind am Ende ihrer Kräfte." So geht Fernsehen.