Nein, ich schaue nicht das so genannte TV-Duell. Ich habe Sonntagabend was Besseres vor. Warum sollte ich mich vor den Fernseher hocken und mir ein komplett sinnentleertes Ritual anschauen? Ich gehe doch Heiligabend auch nicht mehr in die Kirche.

Ich muss mir nicht live anschauen, wie wieder einmal die Form den Inhalt erstickt. So viele Pflöcke haben Diskutanten und Sender vorab eingeschlagen, dass alle genug damit zu tun haben werden, Kollisionen mit den Begrenzungen zu vermeiden. Ausgewogene Redezeiten, ausgewählte Frager, klar verteilte Rollen, was soll da bitteschön passieren, das meine Anwesenheit vor der Glotze rechtfertigen würde?

Da müsste schon Martin Schulz Angela Merkel ins Bein beißen, damit ich mich am Montagmorgen zerknirscht gäbe: Mist, verpasst. Er wird das nicht tun, weil er weiß, dass derjenige verliert, der bei solch einem Ritual aus der Rolle fällt.

Was war das damals für eine Sensation, als Stefan Raab eine ungebührlich klingende Frage stellte und dann auch noch nachhakte. Potztausend! Wie konnte das geschehen?

Heute ist damit zu rechnen, dass der immer wieder auf Sendung irrlichternde Moderationsrechtsaußen Claus Strunz einen auf Raab machen wird. Er wird sicherlich laut bellen, dieser Talk-Dackel. Und mit dem Schwanz wedeln. Und seine Mitfrager werden sich extrem unwohl fühlen neben ihm, weil er es halt an Stil und Charisma mangeln lässt.

Dabei ist die Idee, das Kanzlerduell durch ein bisschen Aufmüpfigkeit zu sprengen nicht die allerschlechteste. Wie überhaupt die Idee, gängige Diskussionsformate durch ein bisschen Widerborstigkeit zu beleben, meine volle Sympathie findet.

Man muss sich nicht gleich mit dem Gegner im Schlamm wälzen und auf technischen K.O. ausgehen. Es würde reichen, wenn man das Gegenüber ein bisschen in die Zange nähme. Man ginge dann gut informiert in so ein Gespräch und ließe einfach nicht locker. Und dann wiederholte man eine Frage so oft und so lange, bis deutlich wird, dass der andere keine Antwort hat oder keine geben will. Wie das geht, beweist Armin Wolf im ORF immer wieder.

Stattdessen geben sich deutsche Interviewer viel zu oft zufrieden mit ihrer Rolle als Abfrager von Wahrscheinlichkeiten. Sie parlieren die Zeit weg in der sicheren Überzeugung, dass das Gegenüber schon etwas Exklusives in der Tasche haben wird, das es zu platzieren gedenkt. Und dann sind sie froh, wenn der Befragte den Satz raushaut, der nach Ansicht seiner Pressesprecher für eine Meldung an die Agenturen reicht.

Kein Politiker muss sich fürchten im deutschen Fernsehen. Es gibt niemanden, der ihm gefährlich werden kann. Alle treten sie zahnlos an im TV-Zoo. Und wenn es doch jemanden gibt, der noch Zähne hat zum Fletschen, dann hängt er garantiert an der Kette eines Formats, das ihn hindert, in die Tiefe zu gehen. In die Tiefe gehen ist keine Tugend für deutsche Interviewer. Sie mögen das nicht.

Vielleicht mochten das manche mal und sind angetreten mit dem Anspruch, Politiker zu grillen. Aber dann sind die Jahre gekommen und die Formate und die Zwänge der begrenzten Minuten und die Quoten und die bösen Brief der Zuschauer, die sich beschweren, wenn mal jemand unterbrochen wird. Das sei unhöflich, schreiben sie, die Tatsache ignorierend, dass in Wahrheit der unhöflich ist, der auf eine klare Frage keine Antwort geben will. Irgendwann wurde dann der Enthusiasmus der Gesprächsführer an der Garderobe abgegeben und das letzte Pflänzchen Mut mit Essig mundtot gemacht. Seitdem ist Wüste.

In einer komplett zur Ödnis gerodeten Talklandschaft fällt einer wie Strunz natürlich auf. Weil er sehr sicher ins nächstliegende Fettnäpfchen tritt, und das spritzt dann, hat aber mit Spritzigkeit nicht die Bohne zu tun. Leider tut Strunz das nicht aus Lust am Erkenntnisgewinn, sondern lediglich um bräsig seine eigene Bedeutung zu verdauen, um sich als Hecht im Karpfenteich zu inszenieren. Das Ergebnis: Blubb, Blubb.

Genau aus diesem Grund werde ich mir dieses Duell, das keines ist, nicht anschauen. Ich werde am Montag nachsehen, was die Kollegen da hineininterpretiert haben. Sie werden da mit ziemlicher Sicherheit etwas hineininterpretieren, denn würden sie da nichts hineininterpretieren, dann wäre ja die Zeit, die sie mit der Beobachtung des Duells verbracht haben, komplett nutzlos verronnen.

Und komme mir bitte niemand mit dem Argument, dass so etwas zur politischen Willensbildung beiträgt. Das stimmt nicht. Da kann ich ebenso gut 50 mal den Wahlomat durchklicken, bis er genau das Ergebnis auswirft, das ich erwarte.

Ich habe also heute etwas Besseres vor, und ich bin sicher, dass mich Angela Merkel und Martin Schulz beneiden.

Wäre allerdings auch schön, wenn sich am Montag herausstellt, dass ich mit meiner Prognose komplett danebengelegen habe. Diese Niederlage würde ich gerne in Kauf nehmen. Im Dienste eines besseren Fernsehens.