Ich schau Arte. Ich schaue Arte wirklich gerne. Ich schaue wirklich hin, ganz im Gegensatz zu vielen, die steif und fest behaupten, sie schauten nur noch Arte, die dann aber im Verlauf der Konversation zugeben müssen, dass sie in Wahrheit gar nicht mehr fernsehen, ja gar keinen Fernseher mehr haben und auch nicht wissen, wie man ein Notebook bedient. Ich steuere Arte nicht bewusst an, aber ich lande immer wieder dort, und ich bleibe.

Das hat einiges mit Artes Platzierung auf meiner Fernbedienung zu tun. Arte liegt unter der Acht. Ich glaube, Arte ist dort gelandet, weil irgendwann mal jemand die Devise „Arte auf acht“ ausgegeben hat, und ich bin bei der nächsten Sendersortierung diesem Beispiel gefolgt. Von eins bis 13 sind die Sender bei mir immer gleich sortiert, danach folgt ein großes Durcheinander, erst die nicht zu meinem Bundesland gehörenden Dritten, dann in den Zwanzigern die Nachrichtenkanäle und die privaten Spartenstationen, und jenseits der 30 wird es dann sehr beliebig, eher egal.

Arte aber liegt unter der Acht, und ich atme beim Durchzappen jedes Mal auf, wenn ich bei Arte lande. Man muss dazu wissen, dass sich vorher zwischen vier und sieben RTL, Sat.1, Pro Sieben und Vox reihen. Da ist viel Unruhe, jede Menge Geschrei und sinnloses Gelächter und oft Werbung. Da bleibt mir nur die Flucht nach ganz vorne zu ARD und ZDF und dem leider immer weiter verflachenden WDR Fernsehen oder eben nach hinten zu Arte. Wenn also wieder mal Werbung kommt, fliehe ich zu Arte und finde offene Grenzen vor.

Es ist die Ruhe, die ich an dem Sender mag und die offenbare Verpflichtung zu einem gewissen Grundniveau. Gelegentlich wird es ein bisschen langweilig und manchmal ein wenig schulmeisterlich, aber nie sinkt das Niveau. Arte beleidigt niemals meinen Intellekt.

Ich entdecke tolle Dokus, die mir mit wunderbaren Bildern und klugen Off-Texten die Welt erklären, ich sehe viele alte Filme und ab und an mal was Neues, das vorab bei Arte ausgestrahlt wird und erst später in den großen Häusern landet. Ein bisschen exklusiv fühlt sich das an, weil ich dann ja früher weiß, was die Masse erst später kriegt. Kurzum, ich bin ein regelrechter Arte-Fan.

Trotzdem kam ich kürzlich ins Schleudern, als mich jemand fragte, was denn Arte im Kern ausmache. Ich brubbelte was von deutsch-französischem Kulturkanal, von tollen Dokus, die mir die Welt und die Musik erklären, von alten tollen Filmen. Aber schon beim Reden merkte ich, dass meinem Gegenüber diese eher schwammige Antwort nicht ausreichte, dass ich in Wahrheit auf die Frage, was Arte ausmacht, keine kompetente Replik zu bieten habe.

Nun wusste und weiß ich, dass es ein Leichtes ist, auf die Arte-Homepage zu gehen und mir dort alle Erklärungen zusammenzusuchen. Aber mein Ehrgeiz war ob der Frage geweckt, und ich wollte auch ohne Hintergrundrecherche sagen können, wofür Arte eigentlich steht. Ich schaue das doch immer, da muss ich doch spontan aufsagen sagen können, was das ist.

Ich kann es bis heute nicht sagen, was ein bisschen an mir liegen mag, aber eben auch an Arte selbst. Der Sender verfügt über kein klares Profil, über nichts, was sich jenseits der Intuition sauber erfassen ließe, er gleicht einer wabernden Gesamtanmutung, deren Unbestimmtheit sich mit einem höchst überschaubaren Budget nicht umfassend erklären lässt. Will ich den USP von Arte benennen, fällt mir nichts Präzises ein.

Das mag mit dem fehlenden On-Air-Personal zusammenhängen. Mir fallen spontan keine Arte-Gesichter ein. Das hängt natürlich mit dem bilingualen Wesen des Kanals zusammen. Weil Sendungen sowohl hierzulande wie auch in Frankreich funktionieren müssen und die Vorlieben, was Moderatoren betrifft, in beiden Ländern unterschiedlich sind, fällt es schwer, Persönlichkeiten zu etablieren, die in beiden Ausstrahlungsgebieten wirken. Also setzt der Sender ganz offensichtlich auf eine gewisse Neutralität, verfehlt damit aber meines Erachtens seinen Auftrag, die unterschiedlichen Nationen wirklich zu verbinden.

Natürlich laufen auf Arte viele französische Filme, und in Dokumentationen kommen hiesige Experten genauso oft zu Wort wie französische. Daran erkennt man Arte-Dokus. Aber wo bleibt darüber hinaus das Verbindende? Wenn es das geben sollte, dann hat es mich bislang nicht erreicht. Ehrlich gesagt erfahre ich via Arte nicht mehr über Frankreich als über ARD und ZDF.

Selbst 3sat leistet mehr, was das Verständnis für die angeschlossenen Länder angeht. 3sat bietet Programmmarken, die offenbar über Staatsgrenzen hinweg wirken. Ich wette, Gert Scobel ist inzwischen ein Begriff in der Schweiz, und ich schaue halt gerne Armin Wolf in der ZIB 2, obwohl ich ansonsten mit Österreich nicht viel am Hut habe.

Bei Arte dagegen weiß ich niemanden zu benennen, dem ich mein Vertrauen schenken könnte. Keine Person weit und breit. Ich weiß, dass solch eine Einschätzung ungerecht ist, dass sich bestimmt ein paar Senderverantwortliche finden lassen, die das besser erklären können als ich. Ich weiß aber auch, dass es besser wäre, der Sender lieferte mir die Argumente frei Haus und überließe mich nicht zunehmend dem Einfluss jener, die mir jeden Film und jede Doku auf Wunsch direkt an die heimische Couch transportieren.

So wie Arte sich aktuell präsentiert, ist es eine Insel. Eine sehr schöne Insel. Aber vielleicht sollte man sich dort in Zukunft ein bisschen deutlicher klarmachen, dass auch schöne Inseln von einem steigenden Meeresspiegel bedroht werden, wenn sie keine Berge, also kein wirkliches Profil zu bieten haben. Auch Gutes kann besser werden.