Für den kommenden Freitag steht die Wiederwahl von Intendant Tom Buhrow auf dem Terminplan des WDR-Rundfunkrates. Man kann ziemlich sicher davon ausgehen, dass er gewählt wird, denn er ist der einzige Kandidat, und den Unwillen des Gremiums hat er in der laufenden Amtszeit auch höchst selten auf sich gezogen. Mit seinem gewinnenden Lächeln hat er den 60 Aufsichtspersonen vieles als vorteilhaft verkauft, vor allem aber sich selbst.

Da verwundert es kaum noch, dass der Rundfunkrat in eine Art unterwürfige Charmestarre gefallen ist. Daraufhin deutet zumindest der Ton hin, der aus TOP 4 der Tagesordnung spricht. Dort heißt es: „In der Januar-Sitzung hatte Intendant Tom Buhrow gegenüber dem Rundfunkrat seine Bereitschaft erklärt, sich für eine zweite Amtsperiode zur Verfügung zu stellen.“ So, so. Er hatte seine Bereitschaft erklärt. Er will sich zur Verfügung stellen. Ich kann mir nicht helfen, aber da klingt mir ein bisschen zu viel Demut durch. Auch im Folgesatz findet sich diese Haltung wieder. „Als Herr des Verfahrens hat das Gremium daraufhin einstimmig beschlossen, den amtierenden Intendanten in der März-Sitzung zur Wiederwahl zu stellen.“

So, so. Der Rundfunkrat stellt den Intendanten zur Wiederwahl. Niemanden sonst. Es wird am Freitag also eine One-Man-Show stattfinden, der man eine gewisse Peinlichkeit nicht absprechen kann. Man muss nicht gleich von nordkoreanischen Verhältnissen sprechen, wie es manche Beobachter tun, aber man fragt sich doch, ob es nicht wenigstens ein kleines bisschen Wahlkampf hätte geben können und nicht nur diese penetranten Ergebenheitsgesten.

Doch, doch, der Kandidat wirbt noch für sich, wird mancher einwenden, denn in TOP 4 steht auch noch über den Intendanten: „Dieser wird dem Gremium u.a. seine Ziele für die kommenden Jahre als Chef des größten ARD-Senders vorstellen, bevor die Mitglieder des Rundfunkrats entscheiden, ob der Vertrag um eine weitere gesetzliche Amtszeit von sechs Jahren verlängert wird.“ So, so. Er wird seine Ziele vorstellen.

Wenn man Buhrow ein bisschen kennt, weiß man, wie dieses „Ziele vorstellen“ aussehen wird. Er wird von schwierigen Zeiten sprechen, in denen der Sender, ja das ganze öffentlich-rechtliche System, vor großen Herausforderungen steht, in denen es einerseits zu sparen gilt, andererseits sich aber den öffentlich-rechtlichen Auftrag ständig bewusst zu machen. Es wird nicht inhaltsleer werden, aber doch schwammig genug, dass dem Intendanten hinterher genügend Spielraum bleibt.

Da werden dann die Damen und Herren Rundfunkräte wissend lächeln und sich als Damen und Herren des Verfahrens rühmen. Was sie nicht sind. Sie haben eine große Chance vertan. Sie hätten Buhrow vorab mal in die Zange nehmen können und ihm Konkreteres als die übliche Verantwortungs-und-schwierige-Zeiten-Folklore abverlangen müssen. Haben sie aber nicht getan.

Stattdessen wird er nun direkt vor der Wahl seine Ziele vorstellen. Danach braucht er 31 der 60 Stimmen, und dann ist er durch. Da müsste er schon einen ziemlichen Hammer in seiner Zielvorstellung verstecken, um hernach nicht gewählt zu werden. Er müsste schon die Verlagerung des Dschungelcamps ins WDR-Programm verkünden, damit die vornehmlich älteren Herrschaften Rundfunkräte in ernsthafte Wallung kämen. Oder er müsste die Abschaffung der so genannten Klangkörper ankündigen. Genau das wird er nicht tun. Er weiß ja, wo die Toleranz des durchschnittlichen Rundfunkrates endet, nämlich dort, wo dieser meint, sich auszukennen. Und bei den Themen Dschungelcamp und Klangkörper, da kennen sie sich aus, die Rundfunkräte. Das eine ist „Iiiiih“, das andere eher „Aaaaah“. Glauben sie zumindest.

Buhrow ist klug genug, solche Klippen elegant zu umschiffen. Er wird vorzugsweise im Ungefähren dümpeln und mit großen Worten kleinen Inhalt kaschieren. So macht man das als Intendant. Nicht weil man es für sinnvoll erachtet, sondern weil man es kann, weil man weiß, dass diese 60 Aufsichtstiger mental mehrheitlich Gebiss tragen und nicht weiter springen können als ein Bettvorleger. Und wirkliche Befugnisse haben sie auch nur in sehr übersichtlichem Rahmen. So bekommen sie beispielsweise den Wortlaut des Vertrags, den Buhrow später mit dem Verwaltungsrat abschließt, nicht einmal zu sehen.

Anstrengung gehört zum Job

Man hat ja sehr zu recht herumgemäkelt an dem eigentümlich undurchsichtigen Verfahren, in dem die rheinland-pfälzische Medienaufsicht Marc Jan Eumann zu ihrem neuen Chef geklüngelt hat. Mann, was war da die Aufregung groß! Kein Gegenkandidat! Was für ein Skandal!

Im Falle von Buhrow ist das kein Thema. Man hätte sich natürlich die Mühe machen können, einen Gegenkandidaten aufzustellen, um es wenigstens ansatzweise nach Wahl aussehen zu lassen und nicht nach purem Abnicken. Ach komm, geh weg! Das wäre ja Anstrengung gewesen.

Aber Anstrengung gehört nun mal zum Job. Wer sich nicht anstrengen will, sollte sich nicht in den Rundfunkrat entsenden lassen. Anstrengung muss sein. Vor allem beim Kandidaten. Selbst Angela Merkel, die mit Buhrow diese selbstsichere „Sie kennen mich“-Attitüde teilt, hat sich im Groko-Anbahnungsprozess mehr angestrengt als man es im WDR auch nur zu denken wagt.

Nur mal eine ganz verwegene Phantasie. Demnächst laufen die Verträge des WDR-Fernsehdirektors Jörg Schönenborn und der WDR-Hörfunkdirektorin Valerie Weber aus. Also wäre es doch allzu verständlich, wenn ein Rundfunkrat vor der Wiederwahl von Buhrow darauf dringen würde, zu erfahren, was mit diesen beiden Verträgen wird. Bekommen sie einfach so eine Verlängerung, obwohl sie beide weit unter den Möglichkeiten geblieben sind, die solch ein Amt bietet? Oder wird gar die Hierarchiestruktur umgebaut? Verabschiedet man sich endlich von der in digitalen Zeiten arg verstaubt wirkenden Aufteilung in Fernsehen und Hörfunk? Wird Schönenborn Informationsdirektor und Weber Unterhaltungschefin? Kommen gar fähigere Leute?

Man weiß das alles nicht. Zwar hat der Rundfunkrat hier und da mal interessiert nachgefragt, sich dann aber mit schwammigen Antworten zufriedengegeben. Nachhaken? Ach komm, geh weg!

Nein, es interessiert niemanden. Buhrow wird am Freitag nach netter Ansprache mindestens 31 von 60 Stimmen bekommen, und dann hat er sein üppiges Salär für die nächsten sechs Jahre im Sack. Und der Rundfunkrat? Der wird Buhrows Amtsführung ab und an mit superkritischen Fragen der Marke „Ist das denn auch richtig so?“ begleiten, sich sehr wichtig vorkommen und so tun, als sei er nicht der Abnickverein, der er ist. Vielleicht wird er demnächst mal wieder die Talkshows kritisieren, wonach sich dann am Zustand der Talkshows exakt nichts ändert.

Und Buhrow? Der wird sich Freitagabend ins Fäustchen lachen. Wer könnte es ihm verdenken?