Es gibt im Fernsehen ab und zu Loriot-Momente. Das sind Szenen, die der größte deutsche Humorist genau so drehen würde, wenn er denn noch könnte. Am Mittwoch gab es mal wieder solch einen Loriot-Moment. Da fuhr die "Tagesschau"-Sprecherin Judith Rakers für das Dritte des NDR aufs Land und wollte eintauchen in eine Pferdewelt. Der Deal war schnell klar. Die Menschen da draußen zeigen ihr, wie das geht mit den Pferden, und sie absolviert im Gegenzug eine Mutprobe. "Die darf rrrichtig schwer sein, und ich muss versuchen, diese zu meistern, auch wenn es vielleicht wehtut", sagt sie, und als sie das angepeilte Gestüt erreicht, summiert sie noch einmal mit bebendem Timbre: "Ich hatte keine Ahnung, was mich hier erwartet."

Der Zuschauer auch nicht, denn als sie klingelt, macht ein Mann macht auf, und sie zeigt, dass sie sich vorbereitet hat: "Freiherr von Holm", sagt sie, und nun kommt der Loriot-Moment, denn der Freiherr von Holm winkt lässig ab. "Es reicht aber, wenn Sie Herr von Holm sagen." Wow, er hat ihr eine Silbe erlassen. Loriot hätte das sehr gefallen. Da bin ich mir sicher.

Aber an so etwas kann die Freifrau von Wichtig schon gar nicht mehr denken, denn sie muss als nächstes den Hund knuddeln, den Hofhund Emil, der kein Freiherr ist, weshalb Judith Rakers weiter Emil sagen darf.

Es ist ja immer etwas zwiespältig, wenn Sender prominente Nasen auf Recherchereise schicken. Man merkt diesen Touren zu oft an, dass da eifrige Redakteure viel im Vorfeld recherchiert und, um im Bild zu bleiben, das Pferd bereits gesattelt haben, auf das sich der Promi dann setzt, um zu erzählen, wie schwer das für ihn alles ist.

Das funktioniert auch bei La Rakers so, die am Mittwoch das Westernreiten lernen musste und am kommenden Mittwoch eine Kutsche lenken lernt. Um es dem Kundigen mal vorweg zu spoilern. Sie macht das natürlich alles ganz ganz toll. Sie liefert sich der Promi-lernt-was-Dramaturgie voll und ganz aus. Erst sagt sie, wie viel Bammel sie hat, und hinterher teilt sie mit, dass sie nicht gedacht hätte, dass sie das jemals schaffen würde.

Im Prinzip entstehen so ganz ordentliche Dokusoaps, für die sich allerdings keine Sau interessierte, säße da nicht die Frau von der "Tagesschau" im Sattel oder auf dem Kutschbock. Die weiß wohl um ihre Rolle und gibt sich so patent, dass man sie eigentlich beim zuständigen Amt anmelden müsste. Schnell lässt sie beim Freiherr von Holm nicht nur das "Frei" weg, sie ruft den adligen Gestütsbesitzer gar beim Vornamen. Macht man wohl so unter Reitkumpels.

Interessant sind diese passablen Dokuschmonzetten aus der 08/15-Produktion aber vor allem, weil sie so einige Momente enthalten, in denen man Loriot wenigstens zum Gucken einladen möchte. "Hinten links, da steht mein Hengst", sagt irgendwann der Freiherr von Holm, und die Freifrau von Wichtig sagt "Ach". Das muss man im Ohr zergehen lassen. Dieses lapidare Ach. Das hat was.

In der Folge nennt Rakers ihren Hengst übrigens "mein Schicksalspferd", und da merkt man gleich, dass hier gelbe Soße sehr heiß gekocht wird. Dazu passt, dass man so einiges aus der privaten Rakerswelt erfährt, was man eigentlich nie wissen wollte. Man weiß nun, dass ihre Oma mal eine Rinderzunge auf der Spüle liegen hatte und dass der Anblick ebendieser die kleine Judith nachhaltig traumatisierte. „Man kommt zu dem zurück, was man als Kind kennengelernt hat“, sinniert sie, und spätestens in dem Moment wird deutlich, dass hier nebenbei die Dialoge zu einem Pilcherfilm entworfen werden. Mehr noch. Im Prinzip sind diese Beiträge reine Bewerbungsfilme für die nächste Pilcher-Verfilmung.

Mal kurz einen Drehbuchentwurf hingeknallt. Die kaltherzige Hamburger Businessfrau kommt zurück nach MeckPom, um dort nach dem Tod der Mutter das elterliche Gestüt zu verscherbeln und dann schnell wieder abzureisen. Aber dann verliebt sie sich in die Pferde und den Dorfdoktor und beschließt in der Einöde zu bleiben und vor allem auf dem Rücken der Pferde gut auszusehen. Ich suche einen Sender für das Konzept. Hallo, ZDF?

In der zweiten Rakers-Folge, die im mecklenburgischen Ganschow spielt, gibt es dazu auch schon das Intro. Kann man eins zu eins so übernehmen für die erzählende Off-Stimme. Originalton: "Mein erster Morgen auf dem Gestüt. Aufwachen auf dem Land. Es herrschte eine atemberaubende Stille. Was für ein Unterschied zum Lärm in der Stadt. Und überall Pferde. Für mich war Ganschow in diesem Moment das Paradies auf Erden." Dann streichelt die Freifrau von Wichtig noch mit Inbrunst Pferde. Das kommt immer gut. Blonde Frau mit strengem Zopf streichelt Pferd. Da sieht man gleich, dass sie kein schlechter Mensch sein kann. Ein bisschen eitel vielleicht, aber schlecht? Nimmer.

Streichen müsste man allerdings die Szene, in der Rakers bei einem Natursprung zusehen darf/muss. Hengst auf Stute, astreiner Pferdeporno, damit kann die Freifrau von Wichtig nur schlecht umgehen. Aber das ist rasch vergessen, als sie auf den Kutschbock und bei der örtlichen Parade in Formation fahren muss. "Judith Rakers – eine tolle Leistung", ruft da jemand wie zufällig ins Mikrofon.

Ja, sie ist eine Wucht, diese Judith Rakers, und sie gibt den Menschen, die sich um sie kümmern so viel zurück. "Was für eine wunderbare Woche mit so wunderbaren Menschen", sagt sie abschließend, und da ist er schon wieder, dieser dringende Wunsch, bei Rosamunde Pilcher anzurufen.