Wann hat das eigentlich angefangen, dass auf dem Bildschirm immer alle gehen und dabei Wichtigkeit transpirieren müssen? Wo und wann setzte die Erkenntnis ein, dass noch der kürzeste Satz nur dann gut kommt, wenn er in mindestens zwei Kameras gesprochen wird? Man ahnt, dass es dynamisch wirken soll, wenn sich jemand sprechend in Bewegung setzt. Leider wirkt es nicht immer automatisch dynamisch, sondern sehr oft sehr dämlich.

Man nehme nur mal die Moderatoren des Wetterberichts im ZDF und diese seltsame Art, zum Start der Ansagen nicht einfach dort zu stehen, wo sie zu tun haben, sondern immer erst einmal ein paar Schritte auf die Kamera zu gehen zu müssen. So als kämen sie gerade von draußen und hätten noch schnell mal das Näschen in den Wind gehalten und mit der Hand die Regenintensität geprüft. Schaut her, ich komm von draußen rein, wollen sie signalisieren, was dann übersetzt bedeuten soll: Ich kenn mich aus.

Schön ist auch regelmäßig das Wetter-Yoga im ARD-Morgenmagazin anzusehen, wo die Moderatoren vor einem riesigen Touchscreen stehen und mit der Hand zeigen, wo gerade Wetter stattfindet. Danach vollführen sie dann eine halbe Drehung, um hinter sich auf den Touchscreen zu tippen und die nächste Karte anzeigen zu lassen und dort dann wieder mit der Hand zu zeigen, wo gerade welches Wetter stattfindet. Die Offensichtlichmachung der Abläufe kann man als Transparenzinitiative bezeichnen, man könnte aber ebenso gut vermuten, dass man da denjenigen eingespart hat, der sonst aus dem Off zwischen den Karten hin und her schaltet. Es ist ein dolles Dreh- und Zeigetraining, das in der steten Wiederholung beinahe schon etwas Meditatives hat und beim Zuschauen rasch die Idee gebiert, wie es denn wäre, würde man das Moma-Wetter mit den Übungen von Tele-Gym zum Wetter-Ballett verschmelzen, von wegen optischer Synergie und so.

Ähnlich toll sind regelmäßig auch die Außenreporter im Regionalfernsehen anzusehen. Die werden aus dem Studio anmoderiert und mit einer hörbar abgesprochenen Frage ins Spiel gebracht. Dann reden sie einen Moment konzentriert in die Kamera, und plötzlich setzen sie sich in Bewegung. Sie marschieren los, was einen Sinn ergibt, wenn sie verschiedene Stationen oder Gesprächspartner abklappern wollen. Oft aber gibt es weder zusätzliche Bilder noch zusätzliche Gesprächspartner. Dann wackelt da einfach ein Reporter durch die Landschaft und redet vor sich hin. Manche Reporter schauen dabei derart ernst in die Kamera, als würden sie gerade von den Abwicklungsverhandlungen zum Weltuntergang berichten.

Sie halten ihr Gesicht dabei sehr konzentriert in Richtung Kamera, denn sie wissen, dass dies nun ihre Minuten sind, in denen sie möglicherweise Weltruhm erlangen können oder wenigstens ein bisschen Bekanntheit beim Bäcker von nebenan. Das wirkt nicht selten so steif, dass dagegen alle Loriot- oder Olli-Dittrich-Parodien ambitionierter Reporter wie ausgelassene Hippie-Festivals wirken.

Dass Bewegung angeblich sein muss, hat man lange schon auch im Studio kapiert, weshalb offenbar nach wie vor die ungeschriebene Regel gilt, dass eine einzige Kamera nicht ausreicht für eine Fünfsätzemoderation. Spätestens nach drei Sätzen muss in die zweite Kamera moderiert werden, muss der Moderator woanders hinschauen, denn ganz offensichtlich ermüdet der Zuschauer bei nur einem Blickwinkel und muss mit einer zweiten Perspektive vom Fall ins Koma abgehalten werden.

Das Doofe ist nur, dass ungefähr 30 Prozent dieser Kamerawechsel in die Hose gehen. Entweder dreht sich dann der Moderator zu früh in die zweite Kamera oder er verharrt zu lange bei der ersten. Beides wirkt sehr oft sehr komisch, was natürlich nicht beabsichtigt ist und das Grundanliegen des Einstellungswechsels komplett konterkariert.
Eigentlich soll damit ja die Aufmerksamkeit des Zuschauers beim Gesagten gehalten werden. Wird indes der Perspektivenwechsel versemmelt, nimmt die Konzentration ganz andere Wege. Plötzlich ist dann nicht mehr wichtig, was gesagt wird, sondern wie etwas gesagt wird. Im schlimmsten Fall bekommt der Zuschauer gar nicht mehr mit, worum es geht, weil er sich noch eine ganze Weile wundert, warum dieser komische Schnitt nun sein musste.

Auch diese Kolumne ist im Gehen geschrieben worden. Außerdem wurde mehrfach während der Vertextung der Scheibort gewechselt. Leider spiegelt sich dieser dynamische Schaffensprozess in keiner Weise im fertigen Produkt, weshalb wieder nur der Inhalt als Maßstab jeglicher Bewertung in Frage kommt. Da haben es die beim Fernsehen doch besser. Neid.