Wenn ein Zauberer zaubert, dann erledigt er dieses meist in aller Öffentlichkeit, weil zaubern ohne Zuschauer ungefähr so sinnvoll ist wie Pantomime im Radio. Nun darf man die Öffentlichkeit, die ein Zauberer zulässt, keineswegs mit Transparenz verwechseln, denn der Magier zeigt zwar, was er kann, in die Karten schauen lässt er sich aber keineswegs. Will der faszinierte Augenzeuge also wissen, wie der Meister das so macht, was er da macht, findet sich im Konter das Berufsgeheimnis. Kein guter Zauberer verrät seine Tricks.

Ein bisschen erinnert das an die Offenheit jener Gremien, die in Deutschland das öffentlich-rechtliche Fernsehen beaufsichtigen. Auch die kommen jenen, für die sie die Beaufsichtigung von ARD und ZDF erledigen, immer näher. Denken sie.

Sie preisen sich für Offenheit, wenn sie Zuschauer in ihre Sitzungen lassen und diesen versprechen, ihnen hinterher zu erklären, was sie nicht verstanden haben. Am vergangenen Montag hat der Rundfunkrat des MDR erstmals öffentlich getagt und Gäste zugelassen.

„Öffentliche Sitzungen sind für den MDR-Rundfunkrat ein wertvolles Instrument, um seine Arbeit im Interesse der Allgemeinheit noch transparenter zu gestalten“ heißt es in den zugehörigen Informationen. „Noch transparenter“ ist ein starkes Argument, und es impliziert, dass es auch schon vorher irgendwie transparent zuging. Das aber ist natürlich Quatsch. Wer wissen wollte, wie das Gremium tagt, stand vor verschlossenen Türen und bekam allenfalls Pressemitteilungen zugesteckt. Da von Transparenz zu reden, zeugt schon von einer gewissen Fehlsichtigkeit.

Ausgehend vom Grundirrtum kann man natürlich verstehen, wenn jene, die bisher schon dachten, sie agierten transparent, nun die Steigerungsform benutzen: noch transparenter. Ich fürchte, sie glauben das tatsächlich, die Damen und Herren Rundfunkräte.

Natürlich ist das Gegenteil wahr. Nichts ist mit Transparenz, denn im Kleingedruckten steht natürlich auch, dass alle, die kommen, um zu sehen, wie die Anstalt beaufsichtigt wird, schön still zu sein haben. „Allerdings können sich externe Gäste oder Zuhörer/Innen aus der Belegschaft des MDR, wie auch in Parlamenten und Stadträten, während der Sitzung nicht zu Wort melden oder sich auf andere Art an den Beratungen beteiligen“, steht da.

Das wäre hinnehmbar. Man will ja nicht, dass irgendwer mit Gequatsche den Ablauf stört, und im Bundestag darf man auf den Zuschauerrängen schließlich auch nicht das Wort ergreifen.

Viel schlimmer wirkt sich indes ein Hinweis aus, der dann noch folgt. „Die Vorlagen des Rundfunkrates stehen ausschließlich den Teilnehmer/innen der Sitzung zur Verfügung. Das Gremium bittet Gäste deshalb um Verständnis dafür, dass keine Dokumente verteilt werden können.“ So steht das da.

So wird auch bei anderen Gremien verfahren, etwa beim WDR-Rundfunkrat oder beim ZDF-Fernsehrat. Da darf der Zuschauer gucken und hören und staunen. Verstehen ist allerdings nicht garantiert, denn ohne Einsicht in die Unterlagen, die den Rundfunkräten zur Verfügung stehen, ist man als Zeuge quasi blind. Man hört dann vom Vorsitzenden Sätze wie „Wer stimmt der Vorlage XY in der vorliegenden Form zu?“, und dann gehen einige Hände hoch und andere nicht. Was da verhandelt wird, bleibt in wichtigen Teilen im Dunkeln. Mit viel Glück bekommt man später von freundlichen Rundfunkrats-Mitarbeitern ein bisschen Aufklärung.

Wie aber soll Transparenz funktionieren, wenn man die Scheibe, durch die zu blicken ist, milchig macht? Was ist da so wichtig, dass man es den Gästen nicht komplett zugänglich machen kann? Warum bekommt man nicht genau die Unterlagen, die für die Gremienmitglieder vorgehalten werden, in die Hand? Das kann doch so schwer nicht sein. Schließlich sind selten mehr als ein oder zwei Dutzend Gäste anwesend.

Und dann gibt es noch eine Einschränkung. „Wir weisen unsere Gäste höflich darauf hin, dass Bild- und Tonaufnahmen während der Sitzung nicht zugelassen sind.“ Auch dies eine völlig unverständliche Regelung, die nicht einleuchtet, wenn man im selben Text von Transparenz redet.

Es ist ja nicht so, als wenn da in Anwesenheit von Zuschauern Zaubertricks verraten würden. Nicht ohne Grund gibt es einen öffentlichen und einen nichtöffentlichen Teil. Gerne darf man heikle Verträge und intime Beratungen über Personal auch mal nichtöffentlich debattieren. Dagegen ist nichts zu sagen. Aber warum werden die Erkenntnismöglichkeiten der Zuschauer im öffentlichen Teil derart kastriert?

Warum gibt es keinen Livestream von einer Rundfunkratssitzung? Was gibt es da zu verheimlichen? Da wird doch im öffentlichen Interesse beraten. Warum dann nicht wirkliche Transparenz, sondern nur die Behauptung derselben?

Natürlich kommt dann gerne das Argument, dass die Rundfunkratsmitglieder nicht mehr frei reden würden, wenn sie Kameras fürchten müssten. Im Ernst? Natürlich ist dieses Argument Komplettquatsch, denn selbstredend werden die Entscheidungen in Hintergrundzirkeln, die man euphemistisch auch schon mal als Freundeskreise tituliert, vorbereitet. Diese Kreise tagen ohnehin hinter verschlossenen Türen und sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Auch das ein Unding.

Wenn man aber schon behauptet, man öffne sich, warum macht man dann alles falsch, was man falsch machen kann? Und wenn man es falsch macht, warum muss man dann trotzdem noch mit dem großen Wort Transparenz hantieren, wenn doch nichts falscher ist als die Behauptung, eine Gremiensitzung sei nun öffentlich.

Beim ZDF-Fernsehrat haben sie es gleich ganz auf die Spitze getrieben. Sie haben zwar zur öffentlichen Sitzung Zuschauer zugelassen, diese aber auch im Unwissenden gelassen, was wirklich passiert. Irgendwann ist dann die Schar jener, die sich noch zu einer solchen Farce hinbewegen wollte, so gering geworden, dass das ZDF gleich die sonst immer anschließende Pressekonferenz abgeschafft hat. So etwas beherrschen sie ja in Mainz. Erst oft und unverständlich den Sendeplatz wechseln, sich dann wundern, dass keiner mehr guckt, und dann absetzen. Das haben sie nun prima auch für die Fernsehratsöffentlichkeit durchpraktiziert.

Irgendjemand hat noch als Hilfsargument gejammert, man habe den Aufwand für ein Streaming nicht mehr rechtfertigen können. Was für ein Armutszeugnis für das Aufsichtsgremium eines öffentlich-rechtlichen Senders.

Das passt natürlich perfekt zur Kritik an der Qualifikation von Rundfunk- und Fernsehräten, die in der Regel nur ihrer Partei oder ihrem Verband verpflichtet sind und vom Programm und seinen Strukturen ungefähr so viel Ahnung haben wie die CDU von schlagkräftigen Youtube-Videos.

Es wäre daher dringend einzuführen: ein Buzzer samt Rotblinklicht, den Zuschauer in Rundfunkratssitzungen immer dann drücken können, wenn nicht zu verstehen ist, worum es geht. Heissa, was das eine Party gäbe. Und erst wenn das Rotlicht mal eine ganze Sitzung lang nicht aufgeleuchtet ist, darf wieder irgendwer von Transparenz reden.