Als am Donnerstag die Bambis vergeben wurden, war wie üblich das Bühnengeschehen von zweitrangiger Natur. Interessant sind bei solchen Events inzwischen eher die Zwischenschnitte auf mehr oder minder prominente Gesichter, weil die oft einen besseren Kommentar zum Gebotenen liefern als es Kritiker je könnten. Auf Twitter kursierte rasch ein Bild von Thomas Anders, das gut als Vorlage für ein Denkmal mit dem Titel "Der gelangweilte Mann" herhalten könnte. Mehr muss man zum Bambi nicht wissen, man muss nur dieses Anders-Gesicht gesehen haben.

Nun ist Anders ein Medienprofi, und wer als solcher zum Bambi geht, weiß, dass er als Schnittfutter herhalten muss. Das gehört zum Job, und im Fall von Thomas Anders dürfte es ihm noch nicht einmal geschadet haben.

Anders verhält sich das aber möglicherweise bei nicht so prominenten Menschen, die ins Studio gesetzt und dann gnadenlos als Kulisse abgefilmt werden. Da entstehen häufiger mal Eindrücke, die so von den Abgefilmten kaum gewollt sein dürften. Ein schönes Beispiel sah man am Dienstag bei "3nach9". Dort war der Gelegenheitsdenker Richard David Precht zu Gast, erzählte vom Wandern, von seiner Art zu schreiben und sagte: "Man fängt doch an zu verblöden, wenn man immer nur gute Laune hat."

Währenddessen saß hinter ihm eine blonde Frau und grinste in einem fort. Machte Precht einen Witz, lachte sie übers ganze Gesicht, und dann verfiel sie wieder zurück in ihr Grinsen. Das wirkte einerseits sehr sympathisch, vermittelte aber auch ein wenig den Eindruck, dass da ein unbedingtes Precht-Fangirl sitzt. Möglicherweise tue ich der Frau gerade schwer unrecht, aber es ist nun einmal der Eindruck, der an diesem Dienstagabend entstand. Da sitzt ein Fangirl und himmelt den Philosophen an.

Menschen, die sich als Zuschauer ins Fernsehen begeben, müssen mit so etwas rechnen. Nicht allen scheint das bewusst zu sein, nicht alle scheinen zu wissen, was es für Auswirkungen im Alltag haben kann, wenn man sich etwa im „heute show“-Publikum gerade über einen allenfalls mittelguten Witz komplett abrollt oder gerade so heftig in die Patschehändchen klatscht, dass es eigentlich wehtun müsste.

Mich interessiert, wie es solchen Menschen am Tag nach der Ausstrahlung ergeht. Bereichern die Reaktionen jener, die das auf dem Schirm gesehen haben, ihren Alltag, oder können sie eine Weile nur noch mit in die Stirn gezogener Kappe aus dem Haus gehen?

Was hat es für Auswirkungen, wenn ich bei einer Florian-Silbereisen-Show selig schunkelnd in der ersten Reihe abgefilmt werde und alle in meiner Umgebung erfahren, dass ich blöde Schlager toll finde?

Was passiert mit Menschen, die eine der handelsüblichen Talkshows aufsuchen und dort beim Kopfschütteln oder Nicken erwischt werden? Ich fürchte, nicht allen wird recht sein, wie ihr televisionäres Tun in den Folgetagen reflektiert wird.

Natürlich haben alle vor der Aufzeichnung oder Ausstrahlung unterschrieben, dass sie einverstanden sind mit der Aussendungen ihres Konterfeis, in welcher Position auch immer. Ob es alle verstanden haben, was so eine Sekundenprominenz anrichten kann, bleibt fraglich.

Man sieht sich halt anders, wenn man sich nicht im Spiegel sieht, wenn die Kamera einen aus ungünstiger Perspektive erwischt. Ich weiß, wovon ich rede. Ich saß mal während einer Live-Sendung auf der Zuschauertribüne und die ganz hinten oben stehende Kamera filmte über alle Köpfe hinweg, auch über meinen, der damals erste Anzeichen kreisrunden Haarausfalls präsentierte. Als ich aus dem Studio kam, quoll meine Mailbox über. "Ihhhhh, du kriegst ja eine Glatze", war da noch eine der freundlicheren Hänseleien.

Seitdem meide ich in Studios jene Plätze, die im Schwenkbereich der Kameras liegen. Dort ist man geschützt und muss sich auch nicht zu jenem willenlosen Klatschvieh machen lassen, zu dem das Restpublikum so oft degradiert wird. Und wenn ich heim komme, habe ich meine Ruhe. Ich bin halt nicht Thomas Anders. Was für ein Glück.

 

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