Es war ja nicht alles schlecht an Corona. So werden wir das eines Tages sagen und darauf verweisen, dass die Seuche nicht nur Balkonkonzerte und einen angenehm angemessenen Abstand zum Mitmenschen neu etablierte, sondern auch die tägliche Dosis Sebastian Pufpaff mit sich brachte, die in vielerlei Art als Lichtblick in düsteren Zeiten zu werten ist.

Seit 25. März verkündet der Rheinländer jeden Werktag um 19.50 Uhr bei 3sat, dass "Noch nicht Schicht" ist. Entnommen hat er die Phrase einem Song der fabulösen Hammer Kapelle Petra, die mit ihrem Hit "An irgendeinem Tag wird die Welt untergehen" den Vortrag jenes Mannes einrahmt, der schon bei seinen frühen Bühnenshows dadurch auffiel, dass er stets besser gekleidet war als sein Publikum.

Auch bei "Noch nicht Schicht", wo er über die drängenden Dinge des Lebens in Zeiten von Corona parliert, achtet Pufpaff penibel auf Kleidung (außer in der bekifften Ausgabe am vergangenen Freitag). Er sitzt an seinem absichtlich unaufgeräumten Schreibtisch in akkurat geschniegeltem Trauerredner-Outfit. Schwarze Krawatte, schwarzes Jackett, weißes Hemd und sauber nach hinten gegeltes Haar. Man könnte ihn in dieser Maskerade notfalls auch für einen karrieregeilen Börsenheini halten oder für einen überambitionierten Mobilfunkvertragsverkäufer. Egal.

Pufpaff redet viel, manches setzt er ohne Punkt und Komma hintereinander. Meint man zumindest, wenn man ihn nur oberflächlich wahrnimmt. In Wahrheit beherrscht da jemand einfach mal die Sache mit dem Timing. Und die Sache mit der Kamera. Die liebt ihn, weil er sie auch liebt. Er lässt sie keine Sekunde aus den Augen, er ist durchgehend präsent. Er weiß ganz offensichtlich, was er tut und hat richtig Lust auf das, was er da als wunderbar ondulierte Onemanshow veranstaltet. Stilistisch könnte man die Angelegenheit als klassische Stand-up-Nummer klassifizieren, säße der Protagonist nicht durchgehend. Man müsste also eher die Rubrik Sit-Down-Comedy dafür bemühen.

Klugen Menschen ist Pufpaff schon aufgefallen, weil er in der "heute-show" oft sehr prägnante Auftritte hatte, weil er bei 3sat häufig das Sonntagabendprogramm mit "Pufpaffs Happy Hour" bestreitet. Oft macht er sich bei solchen Gelegenheiten die Verwirrung zunutze, die entsteht, wenn jemand aalglatt aussieht und auch so spricht, in der Regel aber das Gegenteil dessen meint, was er sagt.

Pufpaff kann gut das Arschloch geben. In einem Bühnenprogramm sprach der Familienvater mal von der Idee, Kinder zu vergiften. Das brachte ihm natürlich spontane Empörung ein, die indes nur genau so lange währte, bis Pufpaff das hinter seiner Provokation liegende Denkmodell erläuterte. Wenn man schon seinen Nachkommen all den Plastikmüll hinterlasse, an dem diese Welt irgendwann jämmerlich zugrunde gehen werde, sei es doch konsequenter, die Kinder gleich zu vergiften, meinte er, und es war ihm nur schwer zu widersprechen.

Die Idee fanden nicht alle lustig, was einen wie Pufpaff indes kaum irritiert. Er nennt solche Umweggedanken Glatteisnummern, weil er die Menschen an sicher geglaubten Positionen zweifeln lassen will, weil er auf gefrorenem Grund auch schon mal so kräftig mit dem Fuß aufstampft, dass gleich jeder fürchtet, er werde den da vorne in Kürze einbrechen, mindestens aber ausrutschen sehen.

"Noch nicht Schicht" sendet Pufpaff von daheim, aber es sieht in keiner Sekunde aus wie eine dieser elenden Skype-Schalten, die das Auge jedes anspruchsvollen Fernsehzuschauers auf Jahre beleidigen. Bei Pufpaff ist alles akkurat, außer vielleicht der bewusst vermüllte Schreibtisch und die täglich wechselnden Sinnsprüche und Einkaufszettel, die er an die Pinnwand hinter sich drapiert hat. "Suche Stecher! Keine Erotik! #SparGel" steht da, und natürlich ist das eine Albernheit, die sich nahtlos fügt an den todsicheren Anlagetipp: "Die Kartoffel wird das nächste Klopapier." Sätze, die nur in der Krise funktionieren, weil sie nur in der Krise direkt verstanden werden.

Pufpaffs Stärke ist dabei der überraschende Twist. Er springt vom Thema Erntehelfer über die Scooter-Parodie "How much is the Klopaier?" direkt zur Triage, und er wirft sich mit Elan für die gerade schwer bedrohten Kulturschaffenden in die Bresche. "Die Scharlatane und Witzeerzähler da draußen bringen uns als Gemeinschaft erst zusammen. Wir müssen etwas tun", sagt er, fordert Hilfsfonds, zeigt im Hintergrund das Logo von #handforahand, und auf einmal steht der Mann, der 21 Semester mit dem Studium von Politik, Soziologie, Staats- und Verfassungsrecht verbracht hat, als genau der grundsympathische Moralist da, der er letztlich auch ist.

Da zeigt sich, dass er den Bösen nur spielt, dass er halt den Spagat zwischen Männchen und Mephisto glänzend beherrscht, dass er in den sieben bis zehn Minuten, die er auf Sendung ist, gerne mal in die Breite geht und sich auch als professioneller Witzbold stets verantwortlich fühlt fürs Große und Ganze. Man merkt das, wenn er dem medienmüden Virologen Christian Drosten eine Ermunterung schickt. "Machen Sie weiter. Lassen Sie sich nicht von einer dummen Minderheit da draußen aus dem Konzept bringen, selbst wenn es ein Journalist ist."

Zu loben ist aber nicht nur Pufpaff, der seine Sendezeit so formidabel füllt. Zu loben ist auch 3sat, der Dreiländerkanal, der ihm jeden Tag zehn Minuten freiräumt. Zehn Minuten im deutschen Fernsehen, In Rekordzeit erdacht und realisiert? Eigentlich ein komplett unmögliches Format. Wo gibt es das sonst noch?

Leider wird der Mut noch nicht angemessen honoriert. Zwischen 230.000 und 310.000 Zuschauer sind dabei, was noch unter Senderschnitt liegt. Aber das ist oft das Schicksal von Pionieren. Es braucht halt ein bisschen Zeit. Die hatte Pufpaff eigentlich nicht. Nur bis Gründonnerstag war diese werktägliche Show programmiert, Fortsetzung ungewiss. Aber dann kam am Freitag aus Mainz die Meldung, dass es auch nach Ostern weitergeht. Bis zum 24. April ist weiter "Noch nicht Schicht". Sage also niemand, es gebe keine guten Nachrichten in diesen Zeiten.