Frau Salesch, Sie sind bei RTL erstmals in der Primetime zu sehen. "Der größte Prozess ihres Lebens", heißt es im Titel. Klingt nicht nach Tiefstapeln.

Tiefstapeln geht anders, stimmt, aber es ist wirklich ein fantastischer Fall, den wir erzählen. Ganz anders gedreht, als die Sendungen des Nachmittags. Wobei, fantastisch ist relativ, denn es geht um eine sehr brutale Tat: Die Leiche einer verschwundenen Frau wird nach acht Jahren am Rheinufer angeschwemmt, sie wurde in einem Bunker gefangen gehalten und getötet. Schon die Ermittlungen fangen mit Schwierigkeiten an. Am Ende wird ein Schädlingsbekämpfer angeklagt, den das Opfer über eine Dating Plattform kennengelernt hatte. Und dann beginnt die Hauptverhandlung. Der Ehemann der Ermordeten, der als Nebenkläger am Verfahren teilnimmt, gerät mehr und mehr unter Verdacht. Es zeichnet sich langsam ab, dass das Leben dieser Frau ganz anders verlief als man zunächst vermutet. Die Gerichtsverhandlung zieht sich über sechs Tage hin. Das ermöglicht uns anders als in der Daytime, sehr tief einzusteigen, auch zu zeigen, wie zwischen den Verhandlungstagen zum Beispiel manipuliert wird, und den Spannungsbogen bis zum Schluss aufrechtzuhalten.

Sie haben gerade schon einen Vergleich zu Ihrer normalen Gerichtsshow gezogen. Was war diesmal konkret anders? 

Für die RTL-Primetime haben wir einen 90-minütigen Film gedreht. Also eine hochwertige Fiction-Produktion mit einer ganzen Reihe von Drehtagen. Jede Einstellung, jede Szene wurde mehrmals wiederholt. Von vorne, von der Seite, von hinten, Schuss und Gegenschuss und wie das alles heißt. Allein für meine kurzen Taxifahrten haben wir acht Stunden gedreht und der Kameramann hat sich überall in den Wagen hineingefaltet. Wenn wir unsere nachmittägliche Gerichtssendung drehen, produzieren wir drei Sendungen am Tag. Mindestens sechs Kameras nehmen die Verhandlung mehr oder weniger gleichzeitig auf. Da muss wenig wiederholt werden. Das funktioniert mit entsprechender Vorbereitung gut. Ich habe früher auch mehrere Verhandlungen am Tag gehabt, je nach Umfang der Verfahren. 

Fiel es Ihnen in dem neuen filmischen Umfeld schwerer, Sie selbst zu sein? 

Nein. Ich konkurriere ja nicht mit den Schauspielern, die die darzustellenden Personen wirklich überzeugend verkörpert haben und die ich dafür bewundert habe, sondern ich bin ich. Es ist meine Hauptverhandlung, Es käme mir deshalb gar nicht in den Sinn, irgendeine andere Person zu spielen. Das gilt auch für meine Juristinnen und Juristen, die mitwirken. Sie sind allesamt Profis in ihrem Bereich und haben erfolgreiche Praxen. Man muss nicht immer furchtbar ernsthaft sein, aber man muss seriös agieren. Spannend, unterhaltsam und zugleich fachlich perfekt. Ich sage immer, ich bin Deutschland am besten beobachtete Richterin. Deshalb überarbeite ich auch jedes Drehbuch. "Die Tote im Rhein" hat mich meinen Weihnachtsurlaub gekostet. 

Sind Sie anders in das Projekt gegangen als in Ihrer täglichen Show?

Anders nicht, aber mit großem Respekt. Ich bin wirklich glücklich und auch dankbar, dass wir – die Produzentin Filmpool und ich - die Chance bekommen haben, neben dem Nachmittag zu zeigen, was wir noch alles können, wenn wir die Möglichkeiten und Mittel bekommen. Das sind ganz andere Kosten, die für eine solch aufwändig gedrehte Filmproduktion anfallen, ganz zu schweigen vom personellen Einsatz und den Buchbesprechungen. Wir haben einen echt spannenden 90-minütigen Gerichtskrimi gedreht.

Die Sender drücken gerade an vielen Stellen auf die Kostenbremse. Bekommen Sie das in Ihrer täglichen Arbeit zu spüren?

Früher haben wir 200 neue Folgen pro Jahr produziert und mindestens 180 davon wurden gesendet. Inzwischen werden immer mehr Wiederholungen zwischen die Erstausstrahlungen gemischt. Die Sendungen selbst produzieren wir dagegen im gleichen Rhythmus wie früher, weil das aus Kostengründen gar nicht anders geht. Was bedeutet, dass wir immer wieder längere Unterbrechung haben. 

Sie sind vor wenigen Wochen 75 geworden. Das klingt jetzt nicht gerade nach Altersteilzeit, oder?

Die Altersteilzeit muss ich ein bisschen schieben. Eine tägliche Sendung hat mit Teilzeit so gar nichts zu tun. Aber so lange ich mich fit fühle und die Zuschauer einschalten, mache ich echt gern weiter. Richterin ist eine sitzende Tätigkeit – und sitzen kann ich immer noch hervorragend. Die Zuschauer haben sich auch schon längst daran gewöhnt, dass ich nur noch mit Turnschuhen unterwegs bin. Eleganz hin oder her, Pumps sind raus. Ich komme doch nicht humpelnd in meinen Gerichtssaal. Den betrete und verlasse ich lieber mit einem gewissen Schwung. 

Sie vermissen nicht die Zeit, in der es nach Ihrem Abschied von Sat.1 deutlich ruhiger in Ihrem Leben zugegangen ist? 

Nicht unbedingt. Nur wenn es, wie aktuell vor der Premiere echt viel wird, hätte ich gerne so zwei, drei Tage der früheren Ruhe zurück. Meine Haushaltshilfe sagt übrigens, dass ich regelrecht aufgeblüht sei, seit ich wieder vor der Kamera stehe. Richtig rosig, sei ich geworden.  Ich glaube, das liegt an der Zusammenarbeit mit den vielen jungen Leuten. In der Zeit auf meinem Hof war es trotz Hund, Ausstellungen und Lesungen gemütlich ruhig geworden. Freunde und Bekannte sind mit mir mitgealtert. Und wenn ich fünf Termine in der Woche hatte, habe ich mir ganz entspannt einen auf jeden Tag gelegt. Jetzt schaue ich, dass ich sechs solcher Termine an einem Tag erledige, weil das gar nicht anders geht. Und das macht sich auch gesundheitlich bemerkbar: Ich bin wieder beweglicher und flotter. Also jedenfalls im Kopf.

Frau Salesch, vielen Dank für das Gespräch.

"Barbara Salesch - Der größte Prozess ihres Lebens", Dienstag um 20:15 Uhr bei RTL