Frau Kiewel, sie erklärten den "Fernsehgarten" kürzlich bei „Neo Ragazzi“ zur Taylor Swift des ZDF…
…aber das ist doch so! (lacht) Als der Kartenverkauf für diese Saison los ging, schickte mir eine Kollegin einen Screenshot vom digitalen Warteraum für die Tickets. In weniger als einer Stunde war die Hälfte schon ausverkauft. Es gibt noch einige Tickets, aber der Run auf die Saison 2025 war größer denn je.
Wie erklären Sie sich das?
Live dabei zu sein ist eben etwas anderes. Aus dem Grund gehen die Menschen auf Konzerte statt nur auf Spotify zu streamen. Die Menschen lieben die persönliche Erfahrung, wir sind halt gesellige Wesen. Ob jung oder alt: Viele kommen mit Plakaten, mit Mützen und Grüßen. Die kommen ja auch, weil sie gesehen werden wollen. Weil sie wissen, dass sie Teil der Show sind. In einem Studio hast du meistens die Bühne auf der einen Seite, das Publikum gegenüber und vielleicht gibts mal einen Schwenk ins Publikum. Bei uns ist das anders. Beim „Fernsehgarten“ will ich immer rein in die Menge, da entstehen die coolsten Momente. Mitten im Publikum spüre ich dieses große „Wir“-Gefühl.
Sie bewegen sich jeden Sonntag unbefangen durch 6.000 Menschen. Nie die Angst gehabt, dass da jemand böse Absichten hat?
(Überlegt) Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Natürlich gehen die Ereignisse in der Welt nicht spurlos an mir vorbei, ganz und gar nicht. Erst recht nicht in Tel Aviv, wo ich lebe. Aber der „Fernsehgarten“ ist für mich und die Zuschauerinnen und Zuschauer ein Safe Space. Wenn ich beim WarmUp das erste Mal rauskomme, schlägt mir so viel Sympathie und Liebe entgegen. Ich habe mir fest vorgenommen: Ich will mir das nicht durch Angst kaputt machen lassen. Natürlich habe ich auch ein paar Jungs, die mich im Auge behalten damit mir niemand zu nahe kommt. Aber ich klopf auf Holz und bewahre mir das Gefühl von Freiheit und Offenheit.
Wenn man sich das Publikum vor Ort anschaut, finden sich auch inzwischen auch viele jüngere Gäste im Publikum…
Ja, das stelle ich auch seit einiger Zeit fest. Für die neue Generation ist der „Fernsehgarten“ wie ein Happening. Manchmal ist man einfach so oldschool, dass man wieder cool wird (lacht) Allein der Name. „Fernsehgarten“, so würde das doch heute keiner mehr nennen. Heute wärs dann vielleicht „Du stiehlst mir nicht die Show“ oder „Junggesellenabschied - live“ (lacht).
Was reizt das junge Publikum an der Show?
Ich glaube, die genießen es auch mal, ohne Urteil feiern zu können. Auf Social Media wollen so viele junge Menschen heute anderen gefallen und nehmen sich das Urteil anderer sehr zu Herzen. Bei uns sind sie Teil von etwas Großem. Wer sich für den „Fernsehgarten“ entscheidet, egal ob vor Ort oder vorm dem Fernseher, kann sich umringt fühlen von Gleichgesinnten. Du bist einer von sehr vielen, die genauso fühlen wie du. Es gilt die alte Regel und zwar egal ob im Fußballstadion, Fassenacht oder eben Fernsehgarten: Zusammen ist man weniger allein.
Ist das die Erfolgsformel des Formats?
Oh, dazu gehört mehr!
Was denn?
Wir sind OpenAir und live. Das ist Nervenkitzel! Und es ist jeden Sonntag eine andere Show. Für jeden Sonntag denken wir uns wieder etwas Neues aus. Die einzige Konstante: In diesen zwei Stunden und 10 Minuten ist alles gut. Da geht es einfach nur ums Wohlbefinden. Ein All-Inclusive-Entertainment-Wellness-Paket für die Seele für alt - und jung! Das ist so krass, wenn man bedenkt, dass die Sendung nächstes Jahr 40 Jahre alt wird. Ich wünschte, Ilona Christen hätte erleben können, was aus ihrem Baby geworden ist. Sie könnte stolz sein. Unser Intendant Norbert Himmler sagte mal: Das ist die große Samstagabendshow am Sonntagmittag. Das trifft’s.
"Live-Shows kommen meiner Faulheit zu Gute"
Mit den Einschaltquoten mancher Samstagabendshow…
Wenns gut läuft, sind es zwei Millionen. Aktuell sind wir so bei 1,7 bis 1,8 Millionen - und das Ganze am Sonntagmittag! Fürs Jubiläum würd ich mir ja mal wieder mehr als zwei wünschen. Aber auch das Publikum vor Ort. 6000 Leute, die eben nicht bei einer statischen Bühnenshow sitzen. Jedes Festival ist letztlich eine Bühnenshow, aber der Fernsehgarten nicht. Wir sind eine 360 Grad Produktion mit verschiedenen Spielorten. Und erfinden uns jede Woche neu. Wir sitzen nach jeder Saison im November zum ersten Mal wieder zusammen und denken gemeinsam darüber nach, was genau wir nächstes Jahr von Anfang Mai bis Ende September machen. Jede Sendung bei uns hat ein Motto, da ist nichts mal eben flott gemacht. Und es kommen immer wieder tolle neue Ideen... (lacht)
Sie lachen?
Ich mein', das muss man sich mal vorstellen: Wir machen im September wieder „Rock im Garten“. Sonntagmittag im ZDF, schwerst-tätowierte Kerle in schwarzem Leder und dazu volle Dröhnung. Ein Campinglager um den „Fernsehgarten“, wie beim Festival. Das ist die eine Show, die meine Mutter sich dann nicht anguckt, weil ihr das zu laut ist. Aber das ist doch super, dass wir das machen können. Ich warte seit Jahren darauf, dass der Sender irgendwann mal Einspruch erhebt. Kam aber noch nie. Das ist ein unfassbares Glück in meinem Leben, in dieser Sendung machen zu können was ich will.
Ihre größten Erfolge waren bisher immer Live-TV. Das „Frühstücksfernsehen“ bei Sat.1 und der „Fernsehgarten“. Sind sie ein Adrenalin-Junkie?
Live-Shows kommen meiner Faulheit zu Gute (lacht). Du kannst Takes nicht einfach nochmal machen. Gesagt ist gesagt und gesendet ist gesendet. Vielleicht war es perfekt, vielleicht auch nicht. Ich stelle immer fest: Wenn wir im „Fernsehgarten“ Pre-Opener machen, die voraufgezeichnet werden, dann sind wir auch gut - aber besser sind wir live. Als wäre die Konzentration und das Aufmerksamkeitslevel bei allen ein bisschen höher. Es gibt ja die Generalproben, die auch wirklich ernst genommen werden, weil man da das letzte Mal tüftelt - und dann geht’s wahnsinnig konzentriert in die Live-Show.
Sie lieben das Unberechenbare?
Ja! Gut, wir haben natürlich einen Ablauf. Aber wir alle erinnern uns an die Mallorca-Party 2019 als endlich mal der Wettergott auf meiner Seite war.
Auf Ihrer Seite?
Ja! Ich war all die Jahre so gespannt, wann wir mal vor dieser Herausforderung stehen würden und da durften wir dann endlich mal spontan improvisieren, wie es ja sonst auch im „Fernsehgarten“ nicht mehr so oft passiert. Die Sendung ist doch legendär!
Das war in der Tat eine ganz besondere Sendung. Nun weiß man ja meistens vorher, welches Wetter Sie erwartet. Wie viel mehr Arbeit macht eine Sendung im Regen?
Also meine Laune ist nicht vom Wetter abhängig, aber das Team hat natürlich mehr Arbeit. Da arbeiten 130 Kolleginnen und Kollegen Woche für Woche sehr hart daran, dass alles am Ende so leicht aussieht. Von Schülerpraktikanten bis zu den sehr erfahrenen Kolleginnen und Kollegen. OpenAir kann halt auch Regen bedeuten, aber wie heißt der Spruch? Nur die Harten kommen in den Fernsehgarten. Wir proben Regen-Varianten immer mit, wenn wir bestimmte Sachen im Zweifel unter einem Dach durchführen müssen. Und Künstler treten auch mit Regenschirm auf. Das Einzige was uns zu schaffen macht, ist Gewitter. Das ist dann eine Frage der Sicherheit.
Können Sie sich erklären, warum sich manchmal Kollegen aus der Branche am „Fernsehgarten“ abarbeiten?
Das ist krass, ne? (Überlegt) Ich glaube, das hat etwas mit mir zu tun, wenn wir jetzt konkret über Luke Mockridge oder Sebastian Pufpaff reden. Die wissen, dass ich keine Mumu bin. Ich lass mich da nicht einschüchtern. Das kränkt mich auch überhaupt nicht, im Gegenteil. Ehrlicherweise macht mich sowas sogar wahnsinnig stolz: Das passiert dir nur, wenn du relevant bist. Sonst würde sich keiner diese Mühe machen. Ich verbuche das als Anerkennung für unsere tolle Show und ihre große Fangemeinde.
Fühlt man sich da nicht vorgeführt?
Die Typen von „TV Total“, die sich da in unserer Auftaktsendung eingeschleust haben, die hatten lustige Outfits mit Kiwi-T-Shirts. Natürlich geh ich dann mal da hin und quatsch kurz mit denen. Das mache ich ja ständig. Hinterher habe ich erfahren, dass das inszeniert war. So what? Vielleicht kauf ich mir mal ne Perücke und schleiche mich beim Pufpaff ins Studio. Nein, sowas geht mir nicht nahe. Da nehme ich mir Kritik aus dem Team oder meiner Familie mehr zu Herzen als solche Scherze. Meiner Mutter, die wirklich fast keine Sendung verpasst, fallen manchmal Details auf: Wenn ich bei der Begrüßung vergesse das Publikum zuhause anzusprechen, wird mir das gleich mitgeteilt.
Wer nach dem „Fernsehgarten“ googelt, stößt auf allerlei Clickbait-Artikel. Wie gehen Sie mit dieser teils absurden Berichterstattung um?
Wir hatten vor ein paar Wochen einen Zauberer, der bei einem Trick unbemerkt den Satz sagte „Jetzt habe ich drei Eier im Sack“. In privater Runde wären Ihnen und mir dazu eine ganze Menge Sprüche eingefallen, die man da hätte bringen können. Aber ich dachte mir dann: Komm, die Schlagzeilen erspar ich uns. Die Berichterstattung im Online-Journalismus, und damit meine ich jetzt nicht DWDL - das lese ich sehr gerne, ja oft nur auf eine schnelle reißerische oder gemeine Schlagzeile fokussiert ist. Ich habe deshalb irgendwann entschieden, so etwas gar nicht erst zu lesen. Wenn meine Gäste oder die Sendung ungerecht behandelt wird, dazu ist meine Haut doch nicht dick genug und das kränkt mich dann. Clickbait im Netz, das findet ohne mich statt…
…Sie grübeln noch?
Ja, ein Gedanke noch. Ich will niemandem etwas Böses unterstellen, das sind ja auch nicht die bestbezahlten Jobs. Aber wissen Sie, was ich mich da immer frage: Wenn die Männer und Frauen, die solche Seiten vollschreiben, abends nach Hause gehen: Sind die glücklich?
„Diese Sendung ist nach der Handynummer die zweitlängste Beziehung in meinem Leben“
Zurück zu schöneren Dingen. Haben Sie einen Wunschgast? 25 Jahre Andrea Kiewel im „Fernsehgarten“, das Format selbst feiert nächstes Jahr 40. Geburtstag. Wenn Sie einen Wunsch freihätten…
Ich ganz persönlich freue mich jetzt erstmal auf die Jubiläumssendung mit meinem wahnsinnig guten Freund Joachim Llambi und dem fantastischen Guido Maria Kretschmer an meiner Seite. Das wird ein flotter Dreier! Das bedeutet mir schon so viel. Überhaupt das Jubiläum! Dass es dazu kommt, ist schon der größte Wunsch, der sich erfüllt hat. Sie wissen es selbst: Ich war ja mal ganz raus nach meinem großen Fehler mit Weight Watchers. Ich hätte nicht gedacht, dass das wieder alles gut wird. Im Leben hätte ich das damals nicht gedacht! Und jetzt darf ich die wunderbare Sendung schon wieder so lange machen und das 25-jährige Jubiläum meines ersten „Fernsehgarten“ feiern. Das ist der größte Teil meines Berufslebens.
Also keinen Wunschgast?
Ach, Ann-Sophie Mutter beispielsweise habe ich mir immer gewünscht, weil mein Vater sie so sehr verehrt hat. Aber es gibt noch viele andere, die ich gerne mal auf dem Lerchenberg begrüßen müsste. Die Liste wäre jetzt zu lang.
Gab es in den 25 Jahren nie die Verlockung, die Seiten zu wechseln: Nicht zu moderieren sondern selber aufzutreten?
Eine singende Kiwi? Ich zitiere mich selbst von eben: Diese Schlagzeilen erspare ich mir (lacht). Wobei das die von mir sehr verehrte Barbara Schöneberger ja gemacht hat - aber die kann halt auch singen. Ich nicht. Ich bin da wie mein Publikum: Ich singe lieber im Kollektiv mit, manchmal gröhle ich auch. Aber ohne Mikrofon in der Hand. Und wissen Sie Herr Lückerath, ich mache meinen Job auch einfach viel zu gerne. Den „Fernsehgarten“ zu moderieren - das ist der Job meines Lebens. Diese Sendung ist nach meiner Handynummer die zweitlängste Beziehung in meinem Leben. Ich hatte in den vergangenen 25 Jahren viele Lieben und habe mich entliebt, habe Kinder geboren und geliebte Menschen verloren, Jobs bekommen und verloren. Aber der „Fernsehgarten“ ist geblieben.
Frau Kiewel, herzlichen Dank für das Gespräch und dann eine schöne Jubiläumssendung am Sonntag.