Herr Kohlenbach, die letzte Sendung von Peter Kloeppel und Ulrike von der Groeben liegt inzwischen schon über ein Jahr zurück. Wie lange hielt der Abschiedsschmerz an?
Bei einigen Kolleginnen und Kollegen schon ein paar Wochen. Wenn man 30 Jahre lang in den Sender gekommen ist und die beiden jeden Morgen gesehen hat, war es für viele im Team schon hart, als sie plötzlich nicht mehr gekommen sind. Wie lange der Abschiedsschmerz beim Publikum anhielt, kann ich nicht sagen. Glücklicherweise sind die Zuschauerinnen und Zuschauer aber bei uns geblieben. Das hätte sicher auch anders laufen können, denn natürlich ist der Abschied zweier Top-Gesichter nach einer solch langen Zeit auch mit einem Risiko verbunden.
Welche Bilanz ziehen Sie nach einem Jahr?
Mit der Quotenentwicklung von "RTL aktuell" bin ich sehr, sehr zufrieden. Wir sind stabil und konnten sogar leicht dazugewinnen – und das gegen den Trend in einem schrumpfenden Markt. Nach wie vor sorgt die Sendung für einen spürbaren Einschaltimpuls am Vorabend.
Der Abschied Ihres langjährigen Nachrichten-Duos war frühzeitig bekannt. Hat dieser Vorlauf geholfen?
Das hat sicher geholfen, auch wenn die beiden aus meiner Sicht noch nicht in den Ruhestand hätten gehen müssen. Aber irgendwann stand der Termin nun mal fest – und glücklicherweise konnten wir bei der Besetzung der Nachfolge ja auf bekannte Gesichter setzen, sodass es für unser Publikum keinen kompletten Umbruch von heute auf morgen gab. Roberta Bieling kannten unsere Zuschauerinnen und Zuschauer schon lange von "Punkt 12" und Christopher Wittich war auch kein Newcomer, ebenso unser Sportmoderator Andreas von Thien. Mit Anna Fleischhauer und Anna Kraft haben wir zudem zwei Moderatorinnen dabei, die auch abseits der Nachrichten regelmäßig im Programm zu sehen sind. Super ist natürlich auch, dass bei 365 Sendetagen im Jahr noch tolle Kolleginnen wie Pinar Atalay, Maik Meuser oder Monica Lierhaus das Team perfekt ergänzen.

Was hatte bei Ihren Planungen höchste Priorität?
Ganz oben auf unserer Prioritätenliste stand, dass die Sendung auf dem bisherigen Niveau weiterlaufen muss, auch wenn man Peter und Ulrike natürlich nicht eins zu eins ersetzen kann. Wichtig war uns eine größtmögliche Kontinuität zu erreichen, die wir zum Schluss nicht mehr hatten, weil Peter nicht mehr Vollzeit dabei war und auch Ulrike einen Tick weniger gemacht hat als früher. Wir haben uns deshalb dazu entschieden, unsere neuen Teams jeweils sieben Tage am Stück moderieren zu lassen, sodass wir – anders als früher – am Wochenende keine Wechsel mehr vollziehen müssen. Das hilft uns gerade am Sonntag, der häufig unser zuschauerstärkster Tag ist.
Hat sich mit den neuen Moderatoren auch die Ansprache an das Publikum ein Stück weit verändert?
Nein, denn uns ist wichtig, dass "RTL aktuell" immer als "RTL aktuell" erkennbar ist. Da steht die Marke über den Moderatoren, auch wenn natürlich jeder seinen eigenen Stil hat.
"'RTL aktuell' heute politischer als noch vor zehn Jahren."
Bereits vor einigen Jahren ist "RTL aktuell" von einem virtuellen in ein reales Studio umgezogen. Welcher Wechsel war riskanter – der des Studios oder der Gesichter?
Das größere Risiko waren sicher die neuen Gesichter, weil das Vermitteln von Nachrichten immer auch mit Vertrauen zu tun hat. Daher ist es uns auch wichtig, dass unsere Moderatorinnen und Moderatoren nicht immer nur in einem Elfenbeinturm im Studio stehen, sondern auch nach draußen gehen, wenn etwas passiert. Christopher hat beispielsweise vom Treffen von Trump und Putin direkt aus Alaska berichtet, er hat im Vorfeld der Bundestagswahl die Kanzlerkandidaten interviewt und Reportagen über das Wachstum der AfD im Osten gemacht. Auch Roberta hat Sozialreportagen gedreht und war mit diversen Politikern unterwegs. Sie können sich also glaubhaft positionieren – auch, weil wir eben keine Sprecher im Studio haben, sondern ausgebildete Journalisten, die ihren Job von der Pike auf gelernt haben und als Reporter alle selbst auf der Straße waren.
An welchen Stellschrauben, abseits der Moderation, haben Sie gedreht?
Am deutlichsten wird die Veränderung, wenn man länger zurückblickt. Ganz sicher ist "RTL aktuell" heute politischer als noch vor zehn Jahren, in den vergangenen fast vier Jahren ganz besonders getrieben durch die Krisen in der Welt – in der Ukraine, in Gaza, aber auch mit Donald Trump und den sozialen Spannungen, die wir zunehmend auch in Deutschland erleben. All das wirkt sich auf die Mischung an Themen aus, die Menschen als relevant empfinden. Hier haben wir insbesondere im zweiten Teil der Sendung nachgeschärft. In Zeiten, die noch nicht so schwer waren, konnten wir leichtere Service-Themen oder Kinoempfehlungen besser positionieren als heute. Wenn die Themen zu sehr abfallen zu dem, was einen zu Beginn der Sendung umtreibt, läuft man schnell Gefahr, banal zu werden.
Lassen Sie uns noch ins Digitale blicken. Dort haben Sie lange auf die Marke "RTL News" gesetzt, die im Programm selbst eigentlich gar nicht auftauchte. Inzwischen ist "RTL aktuell" auch dort präsenter. Welcher Gedanke steckt dahinter?
Es ging früher tatsächlich ein bisschen durcheinander – zumal wir zusätzlich auch noch Kanäle mit dem "Nachtjournal" und "RTL Direkt" bespielt haben. Inzwischen ist für uns klar, dass allein "RTL aktuell" im Digitalen unser Absender ist, wenn es um Nachrichten geht – auch hier wieder in Kombination mit unseren Gesichtern. Christopher Wittich moderiert inzwischen beispielsweise mit "Deutschland stabil" ein eigenes YouTube-Format, das ganz erfolgreich funktioniert. Damit, aber natürlich auch mit unseren Kanälen auf Instagram oder TikTok, bringen wir junge Menschen mit unserer Marke in Verbindung, die ansonsten kaum oder gar kein lineares Fernsehen mehr schauen. Dort erzielen wir immer häufiger Reichweiten im Millionenbereich.
Haben Sie denn die Hoffnung, diese Zielgruppen doch noch einmal dazu bewegen zu können, um 18:45 Uhr den Fernseher einzuschalten?
Die Hoffnung würde ich noch nicht komplett begraben. Wer irgendwann mit 35 nach der Arbeit auf dem Sofa sitzt und zwei Kinder hat, weiß es vielleicht wieder zu schätzen, dass das lineare Fernsehen einen Programmdirektor hat, der ihm die Entscheidung abnimmt.
Herr Kohlenbach, vielen Dank für das Gespräch.