Herr Masucci, auch wenn es kein Emmy wurde, bleibt die Nominierung für „Herrhausen“. War das jetzt das Finale einer langen Reise mit dem Projekt?
Vermutlich, zumindest international. Ich finde das ein starkes Signal: Ein deutsches Produkt wird international gesehen und hält den Ansprüchen stand. Das ist High End. Ein Vordenker wie Herrhausen verdient eine Inszenierung, die so schnell und vorausschauend ist. Die Story hätte sich nicht vertragen mit einer Bräsigkeit, wie man sie manchmal im Fernsehen erlebt. Das wäre dieser Figur nicht gerecht geworden. Da ist Pia (Regisseurin Pia Strietmann, Anm. d. Red.) wirklich eine extrem gute Inszenierung gelungen.
Auch zu Recht bereits mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.
Pia hatte ja so viel Material, dass tatsächlich ein Jahr lang geschnitten wurde. Dadurch kamen die Szenen und der Sound in dieser besonderen Geschwindigkeit von „Herrhausen“ zusammen. Diese Vision hatten wir vorher, aber man muss ja auch mit dem Produkt dann erstmal dahin kommen. Das ist ein langer Weg, aber man merkt irgendwann: Das funktioniert. Und die Anerkennung für unsere Arbeit in Form von Nominierungen und Preisen ist ein schöne Bestätigung.
Die Erstausstrahlung ist mehr als ein Jahr her, der Dreh entsprechend noch viel länger. Schließt man irgendwann ab mit einem solchen Projekt oder bleibt etwas hängen?
Von dieser Rolle blieb sehr viel hängen.
Warum?
Weil ich diesen Mann und seine visionäre Kraft sehr bewundere. Seine Kraft, Entscheidungen zu treffen und dabei das Gesellschaftspolitische mitzudenken, nämlich einen Kapitalismus mit sozialpolitischer Dimension. Herrhausen interessierte, was moralisch und was unmoralisch ist. Was man machen darf und was man nicht machen darf. Ein Mann, der über seine eigene Endlichkeit hinaus gedacht hat. Das erlebt man heute doch kaum noch. Ob unsere Regierung überhaupt vier Jahre hält ist heute doch die viel näher liegende Frage. Am Ende wurde er tragischerweise genau dafür umgebracht.
Einerseits eine deutsche Geschichte, andererseits verwoben mit Weltpolitik….
Wenn ich in den USA die Bedeutung von Herrhausen erklären muss, sage ich immer: Das war für Deutschland gleichbedeutend mit der Ermordung JFKs in den USA. Wir erzählen eine spannende deutsche Geschichte und wie diese hochdramatisch in die Weltpolitik eingebunden ist. Aber wir zeigen eben keine Dokumentation, sondern haben als Miniserie auch Spielraum zur Fantasie und Fiktion. Das so umzusetzen, läuft nicht ohne Widerstände ab. Das erfordert viele Diskussionen, auf die sich unsere Produzentin Gabriela Sperl eingelassen hat. Ohne sie hätte es dieses Projekt nie gegeben. Und der Erfolg gibt ihr und uns ja recht. Und das obwohl die Serie den Zuschauer fordert, das Mitdenken herausfordert. Es heißt oft, man dürfe das Publikum nicht überfordern aber ich glaube, genau das sollten wir häufiger tun.
Wann wurde Ihnen klar, dass diese Produktion etwas Besonderes werden kann?
Schon beim Lesen der ersten Version vor sechs Jahren. Ich habe Gabriela Sperl sofort gesagt: Das will ich spielen. Pia hat vor allem versucht die Vision von Thomas (Autor Thomas Wendrich, Anm. d. Red.) umzusetzen, aber wir haben den Style dann auch gemeinsam erarbeitet, sind zwei Wochen lang nochmal das Buch zusammen durchgegangen, haben Dialoge abgeklopft und Szenen hinterfragt oder überarbeitet. Das war eine sehr fruchtbare Arbeit. Ich bin gerne bei der Entwicklung dabei. Je früher ich mich als Schauspieler einbringe, desto besser entsteht für mich die Rolle. Am Set kannst du nicht mehr diskutieren, da hat niemand die Zeit für. Also lieber vorher mehr Zeit und Arbeit investieren.
Fühlen Sie sich dann als Schauspieler noch korrekt beschrieben?
Das ist eine gute Frage. Ich bin gerne Teil des kreativen Prozesses und bringe mich mittlerweile bei neuen Projekten, gerne sehr früh mit ein, z. B. als Executive Producer. Um den Dialog zu gestalten, Szenen nochmal anzupacken, die dramaturgische Entwicklung mit Regisseuren durchzugehen. Manchmal merkt man, man braucht etwas nicht. Oder kann Dinge zusammenfügen. Über diese Arbeit kommt man extrem gut in die Rolle rein - und es ist dann eine gestaltende. Als Schauspieler allein überlebt es sich nur schwer.
Wie meinen Sie das?
Weil Schauspieler in Deutschland Angestellte sind. Schauspieler können auch nicht in die Künstlersozialkasse, weil die für Freischaffende ist. Wir sind aber quasi freischaffend angestellt. Das ist insgesamt ein System, welches für Schauspieler gar nicht funktioniert und ungerecht ist.
Einerseits Ehrung auf internationaler Bühne, andererseits schwierige Arbeitsbedingungen. Fühlt man sich da als Schauspiel-Star?
Ich glaube in Deutschland fühlen sich eher wenige als Star. Der Begriff wird nur immer wieder verwendet, dabei sind die meisten Kolleginnen und Kollegen weit davon entfernt, bezahlt zu werden wie Stars. Die Gagen nehmen ja sukzessive ab. Deshalb ist das ein schwieriger Begriff.
Gerade noch internationale Ehre für „Herrhausen“ mit der Nominierung bei den iEmmys, aber das nächste Serienprojekt ist schon abgedreht…
Genau, „Droneland“, basierend auf dem Roman von Tom Hillenbrand, für das ZDF und Magenta TV. Dort bin ich auch Executive Producer und an der Serie beteiligt. Gedreht wurde zum großen Teil in Polen. Die Serie spielt in einer Welt irgendwo zwischen „Matrix“, „Minority Report“ und „Blade Runner“ - leider nicht budget-technisch, das könnten wir in Europa gar nicht stemmen. Aber vom Mindset her.
Klingt nach einer dystopischen Geschichte…
Es spielt in einer Zeit, in der Drohnen und Handykameras alles aufzeichnen und die Realität damit virtuell abgebildet werden kann. Ein Near Future Thriller, der die Schnittstellen von Macht, Überwachung und Technologie untersucht - mit viel Action. Genre-Produktionen sind ja sonst in Deutschland eher schwierig, es ist eben kein Mainstream. Deswegen gehen wir damit jetzt auch international in den Markt. Dafür ist es dann gut, dass wir gleich auf englisch gedreht haben. Das erleichtert den Verkauf international.
Brave New World…
Da sind wir doch schon längst darüber hinaus! Als wenn nur die Bösen uns überwachen würden. Wir leisten ja selbst täglich bereitwillig unseren Beitrag, damit alle wissen wo wir sind und was wir machen. Privatsphäre haben wir ja weitgehend selbst abgeschafft.
Herr Masucci, herzlichen Dank für das Gespräch.
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