Herr Ullmann, gehörte „Dinner for One“ als Hamburger aus dem NDR-Sendegebiet zu Ihrer Familientradition?

Kostja Ullmann: Definitiv. Schon, weil meine Mutter in Indien geboren und in England aufgewachsen ist; der britische Humor ist deshalb Teil ihrer und damit auch meiner Identität. Silvester hieß bei uns erst Raclette, dann „Dinner for One“. Diese Tradition hat sich aber fortgesetzt, als ich ausgezogen bin und mit Freunden oder der eigenen Partnerin statt den Eltern ins neue Jahr gefeiert habe. „Dinner for One“ gehörte einfach immer dazu. Und dank der Mediatheken war man irgendwann noch nicht mal an die feste Sendezeit gebunden.

Fühlt es sich da wie eine Heimkehr an, selbst Teil des Prequels „Miss Sophie“ zu sein?

Absolut. Und dass ich dann auch noch den Butler James in jungen Jahren spielen darf, ist mega aufregend. Voriges Jahr das Original zu schauen, als wir unser Prequel abgedreht hatten, hat sich wirklich fantastisch angefühlt.

Sind Sie da bereit für ein kleines Dinner-Quiz?

Oha. Na, dann los!

Wie oft stolpert James über den Tigerkopf?

Hmmm. So oft war das glaube ich gar nicht. Ich sage achtmal.

Fast. Elfmal. Wie viele Gläser Alkohol trinkt er?

Mit oder ohne Vase?

Ohne.

Dann sage ich (zählt im Kopf durch) – 16.

Volltreffer, Glückwunsch! Welche Rolle spielen diese beiden Kernaspekte – Saufen und Stolpern – in „Miss Sophie“, das Autor Dominik Moser als „Mythologie-Erweiterung“ bezeichnet.

Eine eher geringe. Es geht darin schließlich darum, endlich mal die Vorgeschichte zu erzählen. Schließlich weiß man über die Figuren absolut gar nichts. Besonders die vier Gäste sind völlig unbeschriebene Blätter.

Basis ist eine winziges Krimi-Büchlein, das Tommy Wosch am Bahnhofskiosk gefunden hat. Wenn man Sie um ein Prequel gebeten hätte: Hätten Sie es auch als Mischung aus RomCom, Crime, Coming-of-Age und Liebeswettbewerb geschrieben?

Keine Ahnung, vermutlich nicht. Das Tolle am Original ist ja, dass alle Interpretationen möglich waren. Eine Liebesgeschichte mit so viel Humor ins Zentrum zu packen, die über alle Charaktere was aussagt – das hat mich sofort abgeholt. Aber die Story erzählt zum Glück auch völlig neue Figuren jenseits der sechs bekannten.

Miss Sophie - Same Procedure As Every Year © Gordon Muehle / Amazon MGM Studios Szene aus der neuen Serie: Butler James (Kostja Ullmann) und Miss Sophie (Alicia von Rittberg).

Wobei auffällt, dass es mit Miss Sophie nur eine wirklich präsente Frauenfigur gibt.

Das stimmt.

Dafür sind Sir Toby, Admiral von Schneider, Mr. Winterbottom und vor allem Moritz Bleibtreus Mr. Pommeroy ganz schöne Knalltüten.

Schon, aber diese Überspitzung dient ja auch dazu, ihre Probleme, die wir durchaus ernstnehmen, ein bisschen zu überspielen. Jede Figur hat ihre eigene Tiefe und wirklich was zu erzählen. Genau das war aber auch in „Dinner for One“ bereits veranlagt. Warum sonst sollte Miss Sophie jedes Jahr Silvester mit den leeren Stühlen ihrer früheren Freunde feiern.

Wie charakterisieren Sie denn da dann Ihre Figur James?

Er ist jedenfalls mehr als nur ihr Love Interest. James wächst in einer Dienstbotenfamilie mit sehr strengem Vater auf, der ebenfalls Butler ist, und steckt zeitlebens in einer hierarchischen Struktur, aus der er zwar ausbrechen möchte, die ihm aber auch Sicherheit gibt. Das finde ich auf zeitgemäße Art tiefgründig.

Ist es eine Kostja-Ullmann-Figur, die ein bisschen wie für Sie gemacht scheint?

(lacht) Was ist für Sie denn eine Kostja-Ullmann-Figur?

Eine, die Ernsthaftigkeit mit Humor verbindet wie zuletzt als Cameo in „Call My Agent Berlin“.

Tragikomödien sind auf jeden Fall herausfordernd. Humor und Selbstironie sind mir generell wichtig, aber noch wichtiger ist es, meine Figuren wirklich zu verstehen. Weil all dies auf James zutrifft, ist er vielleicht tatsächlich eine Kostja-Ullmann-Figur. Aber idealerweise ist das jede, die ich spiele. Ich als Schauspieler bin ja immer auf der Suche nach Unterschieden meiner Charaktere. Nächstes Jahr komme ich mit einem Drama ins Kino, und auch das wird eine Kostja-Ullmann-Figur, in der ich mich komplett wiederfinde.

 

"Ich suche dieses innere Kind in mir."

 

Was macht Sie dennoch zum Komödianten?

Ich hoffe, mein Timing. Das ist dafür unerlässlich. Bei „Miss Sophie“ hatte ich aber nicht nur das Glück, wunderbare Autoren und Regisseure zu haben, sondern Kolleginnen und Kollegen, die alle exakt dieses Timing haben und in Komödien seit langem schon zuhause sind. Wie wir alle gemeinsam funktionieren, war wirklich die reine Freude für mich.

Was macht Komödianten noch lustig?

Pointiert sein, präzise. Und sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Aber das gilt eigentlich für jedes Genre. Idealerweise lasse ich mein Inneres vollständig in der Maske und verliere mich in jeder Rolle komplett. Nur so agierst du echt frei vor der Kamera, ohne dass dir irgendetwas unangenehm oder sogar peinlich wäre. Kollegen wie Moritz Bleibtreu, Frederick Lau, Christoph Schechinger und Jacob Matschenz gelingt das perfekt. Oder nehmen Sie Teddy Teclebrhan – es gibt nur sehr wenige, die sich das innere Kind so bewahren und dennoch ernsthaft sein können. Am besten können das übrigens Kinder. Wie sich meine kleinen Nichten zum Beispiel spielerisch in sich selbst verlieren können – unglaublich! Ich suche dieses innere Kind auch in mir.

Und den Inneren Teddy Teclebrhan, dem wirklich gar nichts peinlich zu sein scheint?

Ich arbeite daran und hoffe, ihm jeden Tag ein Stück näher zu kommen.

Haben Sie mal so etwas wie Stand-up gemacht?

Nein, denn während ich in einer Rolle völlig aufgehen kann und selbst vor großen Menschenmengen frei sprechen kann, fühle ich mich als Kostja Ullmann vor Publikum eher unsicher.

Hilft ein Kostüm, diese Sicherheit zu gewinnen?

Auf jeden Fall. Das hilft ebenso dabei, von der eigenen Person zu abstrahieren, wie ein Drehbuch, das andere für mich geschrieben haben. Kostüme allein wären da nicht genug, ein lustiger Hut reicht nicht für mich, um Stand-up zu machen.

Gibt’s eine Kostümrolle, von der Sie träumen?

Schon, weil mein Vater Fechtmeister war und dazu viel auf der Bühne inszeniert hat, mochte ich die Idee, irgendwann mal D’Artagnan aus den „Drei Musketieren“ zu spielen. Früher habe ich hingegen von einer Rolle mit ziemlich wenig Kostüm geträumt: Mogli aus dem Dschungelbuch. 

Weil das ein bisschen mit ihren indischen Wurzeln matcht?

Vielleicht, wobei ich im Urwald keine 20 Minuten überleben würde. Und ich weiß auch nicht, ob mich jetzt noch irgendwer mit Lendenschurz vor der Kamera sehen will (lacht).

Herr Ullmann, vielen Dank für das Gespräch.

"Miss Sophie - Same Procedure As Every Year", ab sofort bei Prime Video