DWDL.de hatte im vergangenen Jahr mal recherchiert wer eigentlich alles noch am Eurovision Song Contest teilnehmen könnte. Auch der Irak könnte demnächst dabei sein. Ist diese permanente Erweiterung des Teilnehmerfeldes nicht auch eine Gefahr?

Man kann lange über die Teilnahmebedingungen für den Eurovision Song Contest reden, aber die EBU-Geschichte ist nun einmal so, wie sie ist. Wobei ich einen World Vision Songcontest gar nicht schlecht fänd. Nur die große Erkenntnis der vergangenen Jahre ist ja zweifelsohne, dass sich der Geschmack des Publikums verändert je mehr Länder man teilnehmen lässt. Und dann kommen wir wieder zu der Frage: Will man künftig den Geschmack des eigenen Landes treffen oder den möglichst vieler Teilnehmerländer?

Was sagen Sie eigentlich zum Vorwurf der Punkteschieberei?

Dieses Gerede von Punkteschieberei am Balkan. Das ist doch Unsinn. Die Region hat trotz aller Kriege einen ähnlichen Musikgeschmack, weil sie immer noch eine gemeinsame Kultur verbindet. Das ist doch nicht verwunderllich, dass die gegenseitig füreinander voten. Wenn wir Deutschland aufteilen würden, wäre das doch ähnlich - der Musikgeschmack würde ja nicht plötzlich ein völlig anderer sein.

Wen könnten wir denn nächstes Jahr hinschicken. Wieso fehlen eigentlich die großen Musikgrößen unseres Landes beim Vorentscheid? Was glauben Sie?

Es fehlt der gesunde Patriotismus. Wir haben ja guten Pop in Deutschland, aber wer schon gut im Geschäft ist, braucht die Teilnahme beim Eurovision Song Contest nicht mehr oder glaubt, seine Musik sei nicht die, die dort gefordert wird. Und schon sind wir wieder beim Taktieren. Da geht der Spaß verloren - auch mir beim Moderieren, weil ich es immer als Fan moderiert habe, der inzwischen auch kapituliert hat vor dem Eurovision Song Contest. Ich bleibe zwar Fan und will auch weiterhin, dass wir gewinnen. Aber ich sehe die Chancen nicht mehr, dass das nochmal klappen kann in den nächsten Jahren und möchte nicht nächstes Jahr wieder da stehen und von einem weiteren Desaster sprechen. Das ist unbefriedigend und macht beim wiederholten Mal auch keinen Spaß mehr.
 
 
Foto: ARD
 
 
Also geben Sie die Moderation des Vorentscheid und der Grand Prix Party ab?

Ja, ich werde den Vorentscheid und den Abend des Eurovision Song Contest nicht mehr moderieren. Ich will ja kein Masochist werden. Aber ich wünsche dem NDR wirklich Glück, dass sie es schaffen eine neue Form zu finden. Nur sehe ich einfach keine Möglichkeit noch etwas zu verändern, was nicht schon verändert wurde. Die Vorentscheide der vergangenen Jahre, die ich mit gestaltet habe, waren meiner Meinung nach gut. Sie waren glamourös. Und ich fand die Zuspitzung auf eine kleine Auswahl von möglichen Kandidaten für Deutschland auch richtig. Man kann da nicht zehn mittelmäßige Acts antreten lassen. Ich bin mit meinem Latein irgendwie am Ende. Deswegen ab nächstem Jahr ohne mich.

Wann ist bei Ihnen die Entscheidung gefallen, den Vorentscheid und den Abend des Eurovision Song Contest nicht mehr zu moderieren?


Das Gefühl kam während der Veranstaltung, weil irgendwie alles aus der Balance gekommen ist. Aber ich habe dann nochmal drüber geschlafen, weil man so etwas ja nie übereilt entscheiden soll. Die Entscheidung ist dann am Mittwoch zusammen mit dem NDR gefallen.

Was würden Sie denn vom Modell Castingshow für den Vorentscheid halten?

Eine Castingshow wäre eine Möglichkeit, aber dann muss der Sieger oder die Siegerin international vermarktet werden und - wie die Russen diesmal - durch Europa touren und das volle Programm abziehen. Und dann muss unser Kandidat den Live-Auftritt vor 20.000 Zuschauern in der Halle und vielen Millionen Zuschauern europaweit fehlerfrei über die Bühne kriegen auch wenn er vorher noch Fleischereifachverkäufer war. Und bitte dabei noch sexy und hemmungslos aussehen.

Sie sprachen schon von Hysterie und Hemmungslosigkeit. Da würde mir ein idealer Kandidat einfallen: Können Sie zufällig auch singen Herr Hermanns?

(lacht) Nein, ganz bestimmt nicht.

Aber mit Hysterie, Hemmungslosigkeit und der Leidenschaft für die Sache hätten Sie schon mal drei Qualitäten, die - wir wir inzwischen ja wissen - sehr gut auch vom mangelnden gesanglichen Talent ablenken können...

Aber am Ende muss man ja doch schon singen können. Das war ja auch dieses Jahr der Fall bei den Bestplatzierten.

Und wer könnte uns dann zum Sieg führen?

Wahrscheinlich müssten wir Tokio Hotel hinschicken und beim Vorentscheid nur auswählen lassen, welchen Song sie singen sollen. Aber auch bei denen bin ich mir sicher, dass die Jungs nach dem Erfolg in den USA keine Lust darauf haben, sich dort zu blamieren. Eine Teilnahme beim Eurovision Song Contest ist zum Feldzug geworden, der gut geplant werden will. Der Spaß bleibt dabei leider oft auf der Strecke.